• Grundsätzlich hält Robert Habeck die Gasumlage für eine gute Sache.
  • Dass auch Firmen, die nicht in existenzieller Not sind, einen Anspruch haben, stößt jedoch auch ihm sauer auf.
  • Der Wirtschaftsminister will sich die Hilfe für gut laufende Firmen "noch mal genau angucken".

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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat eine Überprüfung der umstrittenen Gasumlage angekündigt. Der Kreis der berechtigten Unternehmen solle möglichst verkleinert werden, sagte Habeck laut einem Bericht der "Welt" am Donnerstagabend beim Westfälischen Unternehmertag in Münster.

Grundsätzlich bestehe der Anspruch zwar auch für Unternehmen, die nicht in existenzieller Not seien, sagte Habeck demnach. "Trotzdem haben wir natürlich ein politisches Problem, das hat mir die letzten 48 Stunden den Tag ganz schön versauert", räumte der Minister ein. Er werde sich daher "jetzt noch mal genau angucken, ob es nicht doch einen Weg gibt, diesen berechtigten Anspruch abzuwehren".

Habeck will den Kreis der Unternehmen verkleinern, die Anspruch auf die Gasumlage anmelden können. Er sei "in keiner guten Position, das muss man einfach sagen", sagte der Wirtschaftsminister. "Ich versuche, da einfach Gerechtigkeit walten zu lassen, aber ich bin vor allem verpflichtet, die Versorgungssicherheit in Deutschland aufrechtzuerhalten – for better or worse."

Gaskundinnen und -kunden sollen 2,4 Cent pro Kilowattstunde extra zahlen

Die Gasumlage von gut 2,4 Cent pro Kilowattstunde sollen Gaskundinnen und -kunden ab Oktober zahlen. Etwa die Hälfte aller Wohnungen in Deutschland wird mit Gas beheizt.

Das Geld soll Firmen entlasten, die wegen der gedrosselten Lieferungen aus Russland anderswo teuer Gas einkaufen müssen, um ihre Verträge zu erfüllen. Die so entstehenden Mehrkosten sollen den Unternehmen ab Oktober zu 90 Prozent ersetzt werden. Dies soll Firmenpleiten und letztlich Lieferausfälle und den Kollaps des deutschen Energiesystems verhindern.

Anspruch auf Geld aus der Umlage haben nach Angaben von Trading Hub Europe, einem Gemeinschaftsunternehmen der Gas-Fernleitungsnetzbetreiber, zwölf Unternehmen angemeldet. Mehr als 90 Prozent der 34 Milliarden Euro, die laut Wirtschaftsministerium für die Gasumlage anfallen, sollen nach Informationen der dpa an die angeschlagenen Gasimporteure Uniper und Sefe (ehemals Gazprom Germania) gehen. Uniper ist der größte Importeur russischen Gases, die Bundesregierung hatte wegen dessen finanziell angespannter Lage ein milliardenschweres Rettungspaket beschlossen.

Ampel-Koalition steckt in der Bredouille

Antragsberechtigt für den Kostenausgleich sind laut Wirtschaftsministerium Importeure von russischem Erdgas nach Deutschland. Sie müssten von einem Ausfall von Gasimportverträgen und entsprechenden Mengen unmittelbar betroffen sein. Die Verträge müssten eine direkte, physische Lieferung in das deutsche Gasmarktgebiet vorsehen.

Es gibt aber auch Unternehmen auf der Liste, die derzeit nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind. Dies hatte auch innerhalb der Ampel-Koalition für erheblichen Unmut gesorgt.

Die rechtliche Lage ist das eine - die politische Bewertung eine andere. "Natürlich stört es auch mein Gerechtigkeitsempfinden, wenn Unternehmen, die an anderen Stellen große Gewinne machen, jetzt ihre Kosten frühzeitig auf die Verbraucherinnen und Verbraucher umlagern wollen", sagte die Grünen-Co-Vorsitzende Ricarda Lang.

Zugleich aber sei es rechtlich ziemlich schwierig, die Datenlage nur auf einzelne Unternehmen, die systemrelevant oder insolvenzbedroht seien, zu beschränken. Daher brauche es nun politische Lösungen, sagte Lang - und bekräftigte ihre Forderung nach einer Übergewinnsteuer für Energiekonzerne. Das aber dürfte mit dem Koalitionspartner FDP nicht zu machen sein.

Die FDP wiederum forderte Habeck zu Nachbesserungen auf. "Als Freie Demokaten setzen wir uns dafür ein, dass mit der Gasumlage ausschließlich Unternehmen unterstützt werden, die sich in einer marktgefährdenden Schieflage befinden", sagte der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse.

Auch die SPD sieht offene Fragen. "Die SPD-Fraktion wird darauf drängen, dass nur Anträge auf finanzielle Entlastung von den Unternehmen erfolgreich sein können, die durch die aktuelle Preisentwicklung in ihrer Existenz bedroht sind", sagte Fraktionsvize Matthias Miersch. "Das muss sichergestellt sein."

Nicht umsonst habe der Bundestag hat im Energiesicherungsgesetz ein zweimonatiges Interventionsrecht des Parlaments verankert. "Zugleich ergeben sich Fragen, inwieweit wir alternative Wege der Entlastung für diese Unternehmen gehen können - jenseits einer Umlage, wie durch den Einsatz von Steuergeldern."

CDU droht, die Gasumlage im Bundestag zu kippen

Diesen Weg über Steuergelder wollte die Bundesregierung aber bisher auch unter Verweis auf knapper werdende Haushaltsmittel nicht gehen. Und einen anderen Weg dürfte die Ampel mit ihrer Mehrheit im Bundestag verhindern: Die CDU will die Gasumlage im Bundestag kippen.

"Diese Gasumlage gehört abgeschafft", sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja. Die Unionsfraktion werde in der nächsten Bundestagswoche beantragen, sie zurückzunehmen. Dies könne der Bundestag nach dem Energiesicherungsgesetz beschließen.

"Dass die Union die Gasumlage im Bundestag stoppen möchte, zeigt, dass sie ihren energiepolitischen Blindflug der letzten Jahre fortsetzt und nichts aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat, die uns erst in die aktuelle Lage gebracht haben", konterte der energiepolitische Sprecher der FDP Kruse.

Habeck: Gasumlage ist im Prinzip trotzdem die richtige Entscheidung

Die Gasumlage sei im Prinzip die richtige Entscheidung gewesen, sagte Habeck laut der "Welt". Es hätten sich aber einige Unternehmen "reingedrängt", "die nun wirklich viel Geld verdient haben und die Umlage der Bevölkerung nicht brauchen."

Es sei "sicherlich nicht moralisch richtig, dass Unternehmen, die – lassen Sie mich das mal plattdeutsch sagen – ein Schweinegeld verdient haben, dann auch noch sagen: Ja, und für die paar Einnahmeausfälle, die wir haben, da bitten wir die Bevölkerung um Hilfe, die soll uns auch noch Geld geben", sagte Habeck.

Eine Überarbeitung der Umlage ist nach Einschätzung des Ministers aber nicht ohne Risiko: "Wenn wir anfangen zu tricksen und es ist klageanfällig und dagegen wird garantiert geklagt werden in die eine oder andere Richtung und die Umlage fällt weg, dann fallen wir wieder zurück zu dem Problem, das wir haben: Dass ein Teil der Unternehmen und die Bürgerinnen und Bürger einen Zusammenbruch der Gasversorgung haben", warnte Habeck.

RWE und Shell haben bereits angekündigt, Verluste selbst zu tragen

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Ich kann den Ärger verstehen, es geht aber nur ein kleiner Teil der Umlage an Unternehmen, die das nicht wirklich benötigen, um eine Insolvenz abzuwenden. Ich bin mir sicher, dass mit künftigen Gesetzesnovellen für mehr Transparenz gesorgt werden kann. Aber ich glaube, die Umlage ist zielgenauer als ihr Ruf, auch wenn das so bisher nicht offen nachvollziehbar ist."

RWE und Shell hatten bereits erklärt, Verluste selber zu tragen. Diesem Beispiel könnten nun andere folgen: Ein Sprecher des österreichischen Energiekonzerns OMV sagte am Donnerstag, die deutsche Tochter habe Ausgleichsansprüche als Gasimporteur im Sinne des Gesetzes bekannt gegeben. "Ob und in welcher Höhe Ansprüche bestehen und ob diese in Anspruch genommen werden, hängt von weiteren Prüfungen und Entscheidungen ab."

OMV hat im ersten Halbjahr Milliardengewinne gemacht. Einen Überschuss erzielten etwa auch der Schweizer Energiehändler Axpo und der deutsche Energiekonzern EnBW, dessen Tochter VNG einen finanziellen Ausgleich durch die Umlage will.

Eine VNG-Sprecherin sagte, ausfallende russische Mengen müssten am Markt zu massiv gestiegenen Preisen nachgekauft werden, um die Kunden zu ihren ursprünglich vereinbarten Konditionen weiter zu beliefern. Dies habe erhebliche Verluste bei der VNG erzeugt. Um absehbar weitere Verluste zu mildern, habe sich der Vorstand der VNG entschieden, die Gasumlage zu beantragen. "Das Umlagesystem ermöglicht für die VNG keine Gewinne, sondern mindert Verluste."

Habeck riet am Donnerstag auch anderen Unternehmen zu einem Verzicht. "Es wäre auch vernünftig, wenn Unternehmen, die gute Gewinne machen, das tun", sagte er in Gelsenkirchen am Rande einer Werksbesichtigung.

Wegen der Rechtsgleichheit sehe das Gesetz vor, dass alle Unternehmen ihren russischen Gasanspruch geltend machen könnten. "Wir sehen aber natürlich auch, wie viel Trittbrettfahrer es jetzt gibt. So war es natürlich nicht unmittelbar mitgemeint." Die Menge sei nicht besonders groß. "Aber wir prüfen noch einmal, ob man außer der Anfrage "Ist das nun wirklich nötig?" nicht auch nochmal eine Regelung findet, die es diesen Unternehmen schwerer macht." (AFP/dpa/ank)

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