Durchbruch in den Verhandlungen um die EUSpitzenposten: Ursula von der Leyen hat offenbar das Rennen um den Job als Kommissionschefin gemacht und wurde jetzt offiziell vorgeschlagen.

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Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen soll neue EU-Kommissionspräsidentin werden. Die EU-Staats- und Regierungschefs nominierten die CDU-Politikerin am Dienstag bei ihrem Sondergipfel in Brüssel offiziell und durchbrachen damit eine tagelange Blockade bei der Besetzung von EU-Spitzenposten. Die Einigung verkündete EU-Ratschef Donald Tusk am Abend in Brüssel. Allerdings ist ungewiss, ob von der Leyen die nötige Mehrheit im Europaparlament bekäme. Die Fraktionsspitze der Sozialdemokraten zeigte sich tief enttäuscht über den Vorschlag.

Erste Frau an der Spitze

Von der Leyen könnte, wenn sie denn vom Parlament bestätigt wird, die erste Frau an der Spitze der EU-Kommission werden. Erstmals seit mehr als 60 Jahren könnte Deutschland den mächtigen Brüsseler Posten besetzen. Ihre Nominierung ist eine große Überraschung nach wochenlangem Postenstreit seit der Europawahl.

Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte ursprünglich den Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, als Kommissionschef. Als der CSU-Politiker im Kreis der EU-Länder auf Widerstand stieß, stellte sich Merkel hinter den Sozialdemokraten Frans Timmermans, der aber ebenfalls nicht durchsetzbar war.

Bei Dauerverhandlungen am Sonntag und Montag hatten sich die 28 EU-Staaten gegenseitig blockiert. Deshalb legte EU-Ratschef Donald Tusk am Dienstag ein Kompromisspaket vor. Neben von der Leyen als Kommissionschefin waren darin vorgesehen der liberale belgische Ministerpräsident Charles Michel als Ratspräsident und der spanische Außenminister Josep Borrell als Außenbeauftragter.

Weber macht Rückzieher

Ein Sozialist soll für zweieinhalb Jahre Präsident des Europaparlaments werden. In der zweiten Hälfte der Legislaturperiode könne EVP-Fraktionschef Weber diesen Posten übernehmen. Weber gab am Dienstagabend offiziell sein Mandat als Spitzenkandidat der EVP zurück und verzichtete damit auch auf das Amt des Kommissionschefs. Timmermans soll sein Amt als Vizepräsident der EU-Kommission behalten. Die französische Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, soll Präsidentin der Europäischen Zentralbank werden.

Tusk hatte das Paket in stundenlangen Vorgesprächen mit etlichen Gipfelteilnehmern getestet, darunter Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der spanischen Regierungschef Pedro Sanchez. Auch die vier östlichen Staaten Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei unterstützen von der Leyen, wie ein ungarischer Regierungssprecher auf Twitter schrieb. Sie reklamierten sogar für sich, die Idee aufgebracht zu haben.

Vorschlag nicht akzeptabel

Für das Europaparlament ist der Vorschlag ein Problem. Eine Mehrheit der Fraktionschefs hatte beschlossen, nur einen der Europawahl-Spitzenkandidaten in das Amt des Kommissionschefs zu wählen. Das wären streng genommen nur Weber und Timmermans.

Der Vizechef der sozialdemokratischen Fraktion, Bernd Lange, twitterte, Tusks Vorschlag sei nicht akzeptabel. Dies sagte auch der SPD-Politiker Udo Bullmann der Deutschen Presse-Agentur: "Der Deal ist aus Sicht der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament nicht akzeptabel." Der Grünen-Europaparlamentarier Sven Giegold erklärte auf Twitter: "Ein bitterer Personalvorschlag! #VonderLeyen ist keine Spitzenkandidatin und zu Hause läuft noch ein Untersuchungsausschuss wegen nicht ordnungsgemäßer Vergabe von Beraterverträgen. Europa verdient etwas Besseres!"

Merkel enthielt sich

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich bei der Nominierung von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen als Chefin der EU-Kommission enthalten, weil sich die große Koalition in Berlin nicht einig war. Alle anderen 27 EU-Staaten hätten dem Vorschlag dagegen zugestimmt. Merkel begrüßte die Auswahl von der Leyen. Sie freue sich auch, dass erstmals eine Frau an die Spitze der EU-Kommission kommen könne.

Merkel betonte noch einmal, dass sie alles getan habe, das Prinzip der Spitzenkandidaten umzusetzen. Sie habe eine faire Lösung für die Spitzenkandidaten Manfred Weber von der Europäischen Volkspartei und Frans Timmermans von den Sozialdemokraten gesucht. Das sei nicht gelungen.

Macron lobt von dre Leyen

Der französische Präsident Emmanuel Macron hat die Nominierung der CDU-Politikerin Ursula von der Leyen als neue Chefin der EU-Kommission begrüßt. «Das ist für mich eine sehr gute Kandidatur», sagte der Staatschef am Dienstag nach einem EU-Gipfel in Brüssel. Er habe sich mit großer Kraft für diese Bewerbung eingesetzt. Die derzeitige Bundesverteidigungsministerin habe viele Jahre Erfahrung als Ministerin und die Fähigkeit für die Nachfolge von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Zudem sei sie europäisch geprägt, in Brüssel geboren und spreche Französisch. Das sei an der Spitze der Brüsseler Behörde wichtig.

Weber akzeptiert Entscheidung

Manfred Weber hat sich hinter die Nominierung von von der Leyen gestellt. Gleichzeitig appellierte der CSU-Politiker an die übrigen Fraktionen im EU-Parlament, von der Leyen mitzuwählen.

Weber wollte eigentlich selbst Kommissionschef werden und sagte, es sei ein schwerer Tag für ihn. Aber wichtig sei, dass mit von der Leyen eine Politikerin aus seiner Parteienfamilie die Führung der EU übernehmen soll. Er sei loyal. Seinen Auftrag als Spitzenkandidat der EVP habe er zurückgegeben, sagte Weber in Straßburg.

Präsident wird am Mittwoch gewählt

Sollte das Europaparlament von der Leyen nicht wählen, müsste der Rat der Staats- und Regierungschefs einen neuen Vorschlag unterbreiten. Die 28 Staats- und Regierungschefs standen bei ihrem neuen Anlauf unter Zeitdruck, weil sich am Dienstag das neue Europaparlament konstituierte und es am Mittwoch seinen neuen Präsidenten wählen will.

Die Spitzenjobs sollen im Paket vergeben werden. Ist der Parlamentspräsident erst gewählt, stünde eine Personalie schon fest und der Spielraum würde kleiner. Weber hat bis Dienstagabend für eine Bewerbung für den Posten Zeit. Die Grünen-Fraktionschefin Ska Keller hat ihre bereits angemeldet.

Vier Kandidaten bewerben sich um Amt des EU-Parlamentspräsidenten

Insgesamt vier Kandidaten bewerben sich am Mittwoch um das Amt des EU-Parlamentspräsidenten. Die sozialdemokratische Fraktion stellte am Dienstagabend den Italiener David-Maria Sassoli von der Mitte-Links-Partei Partito Democratico auf. Die europäischen Grünen hatten bereits am Montag die deutsche Europaabgeordnete Ska Keller vorgeschlagen.

Die Linksfraktion tritt mit der spanischen Abgeordneten Sira Rego von der Partei Izquierda Unida an. Auch Jan Zahradil aus der Tschechischen Republik, Vorsitzender der rechten EKR, bewirbt sich. Die christdemokratische Europäische Volkspartei ernannte keinen Kandidaten. Die Wahl soll am Mittwoch um 09.00 Uhr beginnen.

Auch Weber im Rennen

Nach einem Vorschlag der EU-Staats- und Regierungschefs sollen sich Sozialdemokraten und Konservative zur Mitte der Legislaturperiode im Amt des Parlamentspräsidenten abwechseln. Die ersten zweieinhalb Jahre sollten an die Sozialdemokraten gehen, die zweite an die EVP, sagte EU-Ratspräsident Tusk nach einem Sondergipfel in Brüssel.

In der zweiten Hälfte der Legislaturperiode könnte dann EVP-Fraktionschef Weber diesen Posten übernehmen. Weber gab am Dienstagabend offiziell sein Mandat als Spitzenkandidat der EVP zurück und verzichtete damit auf das Amt des Kommissionschefs. (mss/dpa)

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