Die Ampelkoalition will Abschiebungen erleichtern und schneller eine Arbeitserlaubnis erteilen. Nun sucht Scholz den Schulterschluss mit den Ländern, um in der Asylpolitik Handlungsfähigkeit zu demonstrieren.

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Kurz nach den Landtagswahlen in Hessen und Bayern deutet sich Bewegung beim Streitthema Migrationspolitik an. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bat die Union und Vertreter der Bundesländer für Freitag zu einem Spitzengespräch. Er rief Union und Länder zur Zusammenarbeit mit der Regierung in der Migrationspolitik auf.

Zudem legte die Regierung am Mittwoch einen Gesetzentwurf für erleichterte Abschiebungen vor und kündigte an, noch bestehende Arbeitsverbote für Geflüchtete demnächst größtenteils aufheben zu wollen. Vizekanzler Robert Habeck sagte, die Regierung mache mit diesem "Migrationspaket" wichtige und notwendige Schritte, um die Probleme besser in den Griff zu bekommen.

Im Gespräch mit den Tagesthemen am Mittwoch verwies Scholz darauf, dass es auch auf europäischer Ebene vorangehe: "Es ist das erste Mal seit vielen Jahren gelungen, Beschlüsse zu fassen", sagte er. "Jetzt setzen wir Stück für Stück um, was notwendig ist, damit es zu einem Rückgang der Zahlen kommt."

Länder fordern mehr Unterstützung bei Flüchtlingskosten

Um die Unterbringung derer zu organisieren, die schon da sind und noch kommen werden, braucht Scholz die Länder. Sie sind die Schnittstelle zu den Kommunen, die sich bereits vielfach darüber beschwerten, in der Frage allein gelassen zu werden.

Am Donnerstag und Freitag treffen sich die Länder unter sich zur Ministerpräsidentenkonferenz. Einig sind sie sich mit ihren finanziellen Forderungen an den Bund und dabei, dass die Bundesregierung die auf europäischer Ebene geplante Reform des Asylsystems vorantreiben soll, damit weniger Schutzsuchende nach Deutschland kommen. Ob die Reform in der Umsetzung tatsächlich dafür sorgt, dass weniger Menschen in die EU und nach Deutschland kommen, daran haben Migrationsforscher wie Gerald Knaus ihre Zweifel.

Weit oben auf der Tagesordnung steht auch eine stärkere Beteiligung des Bundes an den Kosten, die in Ländern und Kommunen für die Versorgung von Asylbewerbern und anerkannten Flüchtlingen anfallen. Mitte Mai hatte der Bund den Ländern eine Milliarde Euro als zusätzliche Beteiligung für dieses Jahr zugesagt. Damit sollen sie dabei unterstützt werden, ihre Kommunen zu entlasten und die Digitalisierung der Ausländerbehörden zu finanzieren.

"Atmender Deckel" statt fixe Summe

Eine Kernforderung der Länder ist, dass es keine fixe Summe mehr geben soll, sondern dass sich der Beitrag des Bundes an der jeweils aktuellen Zahl von Geflüchteten orientiert. Fachleute sprechen hier von einem "atmenden System". Auch Scholz hat den Begriff "atmender Deckel" bereits benutzt.

Nach Aussage von Weil besteht über die Systemfrage inzwischen Einigkeit mit dem Bund, über die Höhe der Kopfpauschale müsse noch verhandelt werden. Weil sagte der "Rheinischen Post": "Der Bund möchte bislang nicht mehr als 5000 Euro pro Geflüchtetem zahlen, wir gehen gemeinsam mit den Kommunen davon aus, dass die Pauschale bei 10.000 Euro liegen muss."

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagte, bis vor zwei Jahren habe sich der Bund auskömmlich an den Flüchtlingskosten beteiligt und dieses System dann einseitig aufgekündigt. "Wir fordern, dass es jetzt wieder umgesetzt wird", sagte der Kieler Regierungschef.

Asylbewerber werden womöglich zu Gemeindearbeit herangezogen

Sowohl auf Länderebene als auch in der Koalition herrscht noch Uneinigkeit, mit welchen Mitteln man Geflüchtete in Arbeit bringen will. Denkbar wäre, dass die Länder den Bund auffordern, das Sozialgesetzbuch zu ändern, sodass Asylbewerber und anerkannte Flüchtlinge zu gemeinwohlorientierter Arbeit herangezogen werden könnten. Ein Gesetz, das eine allgemeine Verpflichtung zu einer Tätigkeit vorsieht, wird aber wohl nicht angestrebt. Hier soll auf Länderebene in den kommenden Tagen schonmal eine Einigung erzielt werden.

Die Grünen haben eher die Arbeitsverbote für Geflüchtete im Fokus. Sie werben dafür, alle Arbeitsverbote für Geflüchtete aufzuheben, und zwar auch für solche, die aus Ländern stammen, die als sichere Herkunftsstaaten gelten. So sei laut Wirtschaftsminister Habeck vereinbart worden, "dass Beschäftigungserlaubnisse für Geduldete künftig im Regelfall erteilt werden sollen, statt der bisherigen Ermessensregelung".

Hier scheint der Wirtschaftsminister sich aber noch nicht mit Innenministerin Faeser einig zu sein. Diese sagte der "Rheinischen Post": "Wer aus einem sicheren Herkunftsland kommt oder wessen Asylantrag offensichtlich unbegründet ist, darf weiterhin nicht arbeiten".

Sie stimmte jedoch zu, dass die Bundesregierung sich darauf geeinigt habe, bei Geflüchteten mit guter Bleibeperspektive die Arbeitsverbote zu verkürzen: von neun Monate auf sechs Monate.

Scholz besorgt über AfD-Gewinne bei Landtagswahlen

Die deutlichen Stimmengewinne der AfD bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern führen auch beim Bundeskanzler Olaf Scholz zu Sorgen. "Es geht schon um die Verteidigung der Demokratie", sagte Scholz am Dienstag bei einem Treffen mit Emmanuel Macron.

Neue Regeln für Abschiebungen

Beim Thema Abschiebungen machte Innenministerin Faeser ebenfalls Vorschläge, um die Behörden zu entlasten. So sollen die Ausländerbehörden durch verlängerte Fristen entlastet werden. Laut Entwurf soll die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von 10 auf 28 Tage verlängert werden. Damit erhielten die Behörden mehr Zeit, eine Abschiebung vorzubereiten. Gegen das Problem, dass manche Länder die Menschen nicht zurücknehmen wollen, dürfte das aber wenig helfen.

Scholz sagte dazu: "Das ist kein einfacher Schritt, aber einer, der dazugehört, wenn man die Effizienz des ganzen Systems gewährleisten will."

Gleichzeitig soll es für manche Gruppen aber großzügigere Aufenthaltserlaubnisse geben. Die Gültigkeitsdauer von Aufenthaltserlaubnissen im Asylverfahren soll von drei auf sechs Monate verlängert werden. Außerdem sollen subsidiär Schutzberechtigte künftig nicht nur ein Jahr, sondern drei Jahre am Stück bleiben dürfen, ohne einen neuen Antrag stellen zu müssen. Subsidiär schutzberechtigt sind Menschen, die stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass ihnen im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht.

Länder und Verbände könnten nun zu dem Entwurf Stellung nehmen, hieß es aus dem Innenministerium. Parallel laufe die weitere Abstimmung innerhalb der Bundesregierung. Scholz zeigt sich optimistisch. Er hoffe, dass die Länder bei ihren Gesprächen bis zum Freitag ähnliche Vorschläge machten wie die Bundesregierung. "Spricht alles dafür, wenn ich so höre, was da diskutiert wird", sagte Scholz. (lko/dpa)

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