Maybrit Illner debattierte am Donnerstagabend mit ihren Gästen über die Migrationspolitik der Ampel. Dabei stand die Frage im Mittelpunkt: Ändert Deutschland seinen Kurs in der Asylpolitik? Während ein Migrationsforscher eine dringende Warnung im Gepäck hatte, kam CDU-Mann Frei mit einem SPD-Oberbürgermeister aneinander.

Eine Kritik
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Die Unzufriedenheit mit der Migrationspolitik in Deutschland wächst stetig weiter – Unterbringung, Integration und Abschiebung gelingen aus Sicht vieler Bürgerinnen und Bürger immer schlechter. Im "ARD-Deutschlandtrend" sprachen sich zuletzt fast zwei Drittel dafür aus, dass Deutschland weniger Geflüchtete aufnehmen soll. Mit welchen Maßnahmen lässt sich das erreichen? Nur eine der Fragen bei Maybrit Illner.

Das ist das Thema bei "Illner"

Der Ton in der Asyldebatte ist rauer geworden: Forderungen nach stärkeren Grenzkontrollen, reinen Sachleistungen für Flüchtlinge und einer Verschärfung beim Familiennachzug werden laut. Eine gemeinsame Linie der Ampel? Nicht erkennbar. Illner gab ihrer Sendung am Donnerstagabend den Titel: "Abschreckung statt Aufnahme – Ändert Deutschland die Asylpolitik?" und diskutierte mit ihren Gästen über praktikable Lösungen ebenso wie eine drohende Spaltung.

Das sind die Gäste

  • Omid Nouripour (Grüne): "Es geht darum, dass wir Humanität und Ordnung brauchen", so der Parteivorsitzende. An den europäischen Außengrenzen erlebe man derzeit nichts davon. "Es braucht am Ende des Tages mehr Solidarität in der Europäischen Union bei der Verteilung", sagte er. In puncto Abkommen mit Drittländern sagte er: "Die Zeiten, wo man gedacht hat, man geht jetzt mal mit einem Geldkoffer irgendwohin und wedelt damit und dann unterschreiben alle, die gibt es nicht!"
  • Thorsten Frei (CDU): "Das Beschreiben der Probleme im Bereich der Migration löst noch kein Problem", stellte der parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion klar. Die Gesellschaft erlebe eine Polarisierung und Ohnmachtsgefühle, die Herausforderung sei "so groß wie noch nie". Scharf kritisierte Frei: "Wir sind das einzige Land in Europa, in dem man als abgelehnter Asylbewerber höhere Leistungen bekommt, als wenn man als Schutzsuchender hierherkommt." Deutsche Gesetze sendeten die falschen Signale in die Welt.
  • Ulf Kämpfer (SPD): Der Oberbürgermeister aus Kiel berichtete: "Wir haben sehr lange gut abgefedert, was durchaus an Unordnung im System ist." Man sei noch nicht bei einem Kontrollverlust, aber komme langsam in eine Situation, in der der Platz knapp werde. "Wir hätten eine ganz andere Situation, wenn es den Ukraine-Krieg nicht gäbe", erinnerte er. Man brauche eine "Atempause" und einen "Gamechanger".
  • Gerald Knaus: Der Migrationsforscher verglich: Österreich habe trotz einer konservativ geführten Regierung mehr Asylanträge pro Kopf als Deutschland. Die in Deutschland diskutierten Maßnahmen hätten dort nicht zu einem Rückgang der Zahlen geführt. Länder wie Deutschland, Österreich, Frankreich und die Schweiz seien Rechtsstaaten geblieben. "Der große Unterschied zu anderen EU-Staaten ist, dass Menschen wissen: Dort werden sie behandelt, wie es in den Gesetzen vorgesehen ist." Deutschland müsse ein Interesse haben, die Außengrenzen besser zu schützen.
  • Ruud Koopmans: Der Migrationsforscher war sich sicher: "Wir brauchen jetzt eine Offensive von Verhandlungen mit Drittstaaten." Sonst gelinge eine zügige Rückführung nicht. Als es um Arbeitsmöglichkeiten für Menschen ging, die abgelehnt worden sind, sagte Koopmans: "Da würde ich sehr vorsichtig sein." Wenn sich herumspreche, dass man in Deutschland ab Tag eins auf dem Arbeitsmarkt tätig sein könne, dann würde die Migration angekurbelt.
  • Anja Maier: Das Thema Migration habe die Kraft, "die Grünen unter Hochspannung zu setzen", so die Chefreporterin des "Focus"-Magazins. Jeder Bürger könne von der Politik erwarten: "Ich zahle meine Steuern, ich werde nicht kriminell, ich lebe mein Leben – und ihr kümmert euch darum, dass hier der Laden läuft." Das passiere derzeit nicht. In diese Bresche springe die Union immer wieder.

Das ist der Moment des Abends bei "Illner"

Illner wollte von Grünen-Chef Nouripour in Bezug auf die Asyldebatte wissen: "Wird es ihre Partei in der Frage zerreißen?" Der entgegnete leicht schnippisch: "Ich bin ein wenig irritiert, muss ich zugeben." Man rede über eine "unglaublich große Frage für alle" – dabei gehe es um Steuerung und Entlastung der Kommunen.

"Wir sollten alle ein Interesse daran haben – wenn wir ein Herz haben –, dass die Leute nicht im Mittelmeer verrecken", so der Grünen-Politiker. Dafür müsse man schwere Wege gehen. "Ich weiß nicht, warum es jetzt heißt 'die Grünen tun sich schwer'. Ich weiß nicht, wer sich nicht schwertut", schob er hinterher. Wer das nicht tue, habe das Problem nicht verstanden.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Es ging um die Idee einer Chipkarte mit Geld für die Grundversorgung in Deutschland. Migrationsforscher Koopmans hielt sie für wirkungsvoll. Familien würden oft sparen und einen jungen Mann auf die Reise schicken. "Bei dieser Investierung gibt es auch die Erwartung, dass das Geld zurückgezahlt wird", erklärte Koopmans. Geld zurückzuschicken sei mit einem Chipkarten-System nicht mehr möglich, sodass es weniger attraktiv wäre, nach Deutschland zu kommen.

Oberbürgermeister Kämpfer machte den Realitätscheck: "Ich kenne keine einzige Kommune, in der das passiert." Es sei zu bürokratisch, die Kommunen hätten über die Ohren mit den Basisaufgaben der Integration zu tun. Viel entscheidender sei eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge innerhalb Europas. Dazu mischte Frei mit: "Das ist eine reine Illusion und die wird im Übrigen auch nicht bei uns entschieden." Länder wie Polen, Dänemark und Schweden würden eine solche Umverteilung nie mitmachen. "Wer darauf wartet, der wartet auf den Sankt-Nimmerleins-Tag", war sich Frei sicher.

So hat sich Maybrit Illner geschlagen

Illner gelang eine gute Moderation – sie war an diesem Abend wachsam, scharfsinnig und hartnäckig. So ließ sie beispielsweise Omid Nouripour nicht ohne Stellungnahme zum Chipkarten-System davon und fragte mehrmals: "Können Sie die Frage beantworten?". Aufschlussreich waren auch ihre Fragen: "Warum ist es für Migranten so attraktiv, nach Deutschland zu kommen?" und "Hat dieses Thema die Kraft, die Ampel zu zersprengen?"

Das ist das Ergebnis bei "Illner"

Zu Beginn der Sendung wurde die Frage aufgeworfen: "Kommt jetzt noch eine Zeitenwende?" Am Ende konnte man nicht davon ausgehen, dass sich die nächste Zeitenwende beim Asyl abspielt. Denn es waren dieselben Rufe, die immer wieder ertönen – bislang aber verklungen sind: zum Beispiel Abkommen mit Drittstaaten, schnellere Integration in den Arbeitsmarkt und beschleunigte Asylverfahren. Auch Migrationsforscher Knaus urteilte mit Blick auf die EU: "Diese Asylreform wird nichts bewirken"

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