Borussia Dortmund ist der Transfermarkt-Gewinner dieses Sommers. Während Konkurrenten wie Bayern München sich lediglich mit dem besten Innenverteidiger der italienischen Serie A verstärken und selbst Champions League Asketen wie Bayer Leverkusen oder Eintracht Frankfurt sich nur mit Nationalspielern und Toptalenten verstärken konnten, hat der BVB es geschafft, als Nachfolger für den angehenden Weltstar und Identifikationsfigur Jude Bellingham und neuen Hoffnungsträger den bei Fans, Medien und Gesellschaft gleichsam als höchst problematisch angesehenen Felix Nmecha zu verpflichten, der noch im Februar dieses Jahres homophobe und queerfeindliche Instagram-Beiträge geteilt hatte. Eine Weltanschauung, mit der man die Werte des BVB nicht zwangsläufig perfekt abbildet. Insgesamt also ein Traumsommer für Fußballromantiker aus dem Ruhrpott.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Marie von den Benken dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Aber es geht natürlich auch noch schlimmer. So gibt es beispielsweise Querdenker-Anwälte, die am Sonntag extra bis zur Mittagszeit warten, um dann bei 40 Grad durch den Paulanergarten zu joggen, um der Welt anschließend via Twitter mitzuteilen, dass sie daran nicht verstorben sind. In der intellektuellen Placebo-Welt der General-Ablehner der Selbstdenker-Front, die pauschal alles für absolut falsch halten, was von der Regierung, den Mainstream-Medien oder Wissenschaftlern ohne Telegram-Gruppe kommt, gilt das bereits als rebellischer Akt der Demokratie-Rettung. Freiheitskämpfer dieser Couleur, zumeist angestachelt von einer Horde Starkolumnisten, die sich – gelegentlich angetrieben von einem Bomberjacken tragenden Chefredakteur – zu inoffiziellen Pressesprechern der neuen Salonfähigkeit rechten Gedankenguts machen, verstehen sich vermehrt als Sprachrohr der bürgerlichen Mitte.

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Sofern man eine ausreichende Neigung zur verzerrten Wahrnehmung von gesellschaftlichen Tendenzen hat, ist das auch durchaus nachvollziehbar. Wem es schon ausreicht, dass die Ansprechpartner an einem AfD-Wahlkampf-Stand auf dem Marktplatz einer thüringischen Kleinstadt nicht alle eine Hakenkreuz-Binde am Arm tragen, um sicher zu sein, dass es sich nicht um eine im Kern antidemokratische, faschistische, demokratiefeindliche und rassistische Partei handelt, der hält auch Bernd Höcke für den neuen John F. Kennedy. Und sich selbst für den vermutlich schlausten Diskursteilnehmer des Landes.

Queerdenker

Dieser orchestrierte Feldzug zur Diskursverschiebung nach hart rechts hat viele Unterstützer. Manche wie die als Straßen- und Kommentarspalten-Kanonenfutter verheizten #Stolzmonat Patrioten-Darsteller freiwillig. Andere, ganze Verlagshäuser bisweilen, durch massive wirtschaftliche Abhängigkeit von Großinvestoren, deren Kapital hauptsächlich langfristig in fossilen Investments steckt. Wenn man ehrlich zu bewerten bereit ist, kommt man nicht umhin zu erkennen, dass einige Verlagshäuser inzwischen inhaltlich weitestgehend analog zu Social-Media-Trollfarmen publizieren. Nur halt mit Autoren, die die Grundregeln der Rechtschreibung beherrschen und nicht bei jedem Fremdwort googeln müssen. Inwieweit eine als #PleaseStärkeFDP Ausrichtung getarnte Populismus-Offensive hinreichend nützlich für die Stabilisierung einer Gesellschaft sein kann, werden die nächsten Jahre zeigen.

Interessant ist allenthalben, wie das offiziell als liberal deklarierte Regierungs-Mosaiksteinchen FDP trotz intensiver medialer Aufputschmittel-Darreichung aus der einschlägigen Agenda-Journaille mittlerweile in der Wählergunst knapp um die Fünf-Prozent-Hürde rangiert und gleichzeitig mit viel Verve daran arbeitet, bei der Beliebtheit sogar in den Minusbereich abzustürzen. In der Musikbranche nannte man das früher "Stützkäufe". Damals konnte man mit dieser zwar unseriösen, aber nicht zwangsläufig illegalen Philosophie, verlässlich für Top-Ten-Hits von Interpreten sorgen, die ohne massive Push-Mechanismen auf dem Relevanz-Niveau einer Karaoke-Show auf der Waldorfschule Ostbevern perseverierend wären. Im Prinzip also wie die FDP heute.

"Andi Scheuer – das wird teuer!"

Die FDP jenseits des Weißwurstäquators, also die CSU, hat dieser Tage allerdings auch einen Lauf – das dürfen wir nicht vergessen. Nach seiner kürzlich stolz via Social Media präsentierten Kaffeefahrt nach Florida, um LGBTQ-Messias Ron DeSantis in einer bis heute unklaren Mission seine Ehrfurcht und Bewunderung anzutragen, steht Deutschlands erfolgreichster Reformpolitiker Andi Scheuer aktuell erneut im glamourösen Lichtkegel des Roten Teppichs für Fettnäpfchen-Trüffelschweine und Skandal-Magneten. Zunächst wird bekannt, dass sein in bayerischer Alphamännchen-Arroganz als Alleingang durchgezogenes Maut-Debakel, vor dem ihn zahllose Juristen, jede Menge Experten und insbesondere die Grünen eindringlich gewarnt hatten, den Steuerzahler schon mal mindestens 243 Millionen Euro kosten würde.

Angetreten war Scheuer einst mit dem heroischen Vorhaben, der Republik ein PKW-Maut-System zu zaubern, das den Steuerzahler nichts kosten würde, denn nur ausländische Fahrzeuge würden die Maut entrichten müssen. Das bisherige Zwischenergebnis lautet: Es gibt keine Maut, aber dafür zahlt der Steuerzahler knapp 250 Millionen Euro dafür, dass ausländische Fahrzeuge weiterhin gratis auf unseren Autobahnen durch Europa cruisen. Ein Premium-Ergebnis, von dem Andi Scheuer noch seinen Enkeln erzählen wird. Seit Tagen belagern CSU-Groupies voller Stolz die CSU-Parteizentrale im Franz-Josef-Strauß-Haus und skandieren "Andi Scheuer, das wird teuer!". Natürlich alles vom offiziellen Demogeld bezahlte Claqueure der linksradikalen Terrororganisation Andi-fa.

Was für eine blockbusterreife Hollywood-Heldenreise! Als Ergebnis von Scheuers unermüdlichem Kampf für eine Maut haben wir nun eine Zahlungsverpflichtung von 243 Millionen Euro und sind das Gespött der restlichen Welt. Klingt im ersten Moment nicht so herausragend, aber bei näherer Betrachtung wird schnell klar: Viel Sinnvolleres als das von Scheuer erreichte gar nichts war kaum erreichbar. Ich meine, mal im Ernst: Was hätte man mit 243 Millionen Euro schon groß machen können? Wenn man Markus Söder Glauben schenkt (empirisch betrachtet nur bedingt empfehlenswert), bekommt man dafür ja mit Glück gerade mal eine Wärmepumpe. Für die läppischen Peanuts könnten die AfD-Landtagsabgeordneten Christian Blex, Hans-Thomas Tillschneider und Daniel Wald auf ihrer nächsten Russland-Reise die Besitzerin eines Tantra-Massagestudio mit sexuellen Dienstleistungen zwar nicht nur wie bisher als, haha, Übersetzerin mitnehmen, sondern eventuell auch noch um die 1.215.000 Massage-Sitzungen mit Happy End dazubuchen – das war es dann aber auch schon.

Söder trinkt Kaffee, aber Scheuer Milch

Um den Grand Slam der epischen Erfolgsstorys diese Woche perfekt zu machen, hat Gewinnertyp Scheuer direkt noch ein weiteres Ass im Ärmel. Echte Triumph-Pioniere wie der Verkehrsminister der Herzen ruhen sich nicht auf goldenen Lorbeeren aus. Im Gegenteil. Sie legen nach. Denn ganz nach oben zu kommen ist schwer, aber ganz oben zu bleiben – das schafft nur die Crème de la Crème. Spitzenreiter Scheuer ist nämlich auch ein erstklassiger Abbruch-Experte. In dieser Funktion widmete er sich zuletzt der kontrollierten Sprengung der von CDU-Chef Friedrich Merz mühevoll hochbetonierten Brandmauer gegen die AfD und stimmte im Europaausschuss des Bundestages erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik für einen Antrag der AfD.

Gut, nachdem es für dieses Abweichen von der Fraktionslinie flächendeckend Klassenkeile gab, beteuerte der Maut-Matador zwar, er hätte den Antrag versehentlich für einen Unions-Antrag gehalten. Aber das sind Details. Klar ist: Selbst in den Augen von CSU-Shootingstar Andi Scheuer klingen Ideen der AfD unterdessen wie die eigenen. Bevor hier jetzt aber wieder die linksgrünversiffte Woke-Wehrmacht in eine hyperaktivistische Empörungs-Orgie verfällt, bitte ich um ruhige, sachliche und objektive Einordnung von Scheuers kleinem AfD-Malheur. Wer ohne Schuld ist, der werfe den ersten Kommentarspalten-Echauffierungsstein. Denn eins ist klar: Welche junge Frau ist noch nicht versehentlich mit dem strunzdummen, aber superheißen Tennislehrer im Bett gelandet, weil sie ihn versehentlich mit ihrem Freund verwechselt hatte? Das kommt vor.

Manchmal lesen doch sogar Sie heimlich andere Kolumnen als diese und reden sich dann auch damit raus, sie wären davon ausgegangen, es handele sich um einen Wochenrückblick von Marie von den Benken, wenn Sie erwischt werden. Die nächste gibt es übrigens kommenden Montag. Gerne schon mal im Kalender vormerken. Bis dann!

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