Olympiasiegerin Viktoria Rebensburg spricht im Interview mit unserer Redaktion über die anstehende Ski-Saison und die Aussichten der Deutschen. Außerdem äußert sich die 34-Jährige zum Vorgehen des Ski-Weltverbands FIS und hat eine klare Forderung.

Ein Interview

Frau Rebensburg, die Ski-Saison geht in einen Winter ohne Großereignisse wie WM oder Olympia. Worauf freuen Sie sich trotzdem am meisten?

Viktoria Rebensburg: Natürlich auf die Weltcup-Rennen. Auch wenn es in diesem Winter kein Großereignis gibt, so bietet sich für die Athleten umso mehr die Chance, im Weltcup auf sich aufmerksam zu machen. Es gibt insgesamt mehr Rennen (45 bei Frauen und Männern; Anm. d. Red.), was es noch schwieriger macht, in den Disziplinen-Wertungen oder im Gesamtweltcup am Ende ganz oben zu stehen. Es erfordert eine unheimliche Konstanz über einen langen Zeitraum. Ein solcher Erfolg ist mit das Größte, was man in unserer Sportart erreichen kann.

Die 45 Rennen in dieser Saison verteilen sich auf über 20 Orte. Wie hoch ist die Belastung dabei einzuschätzen?

Die Belastung in der anstehenden Saison ist enorm, denn dadurch, dass es kein Großereignis gibt, fallen auch die Wochen davor weg, in denen es sonst eine Rennpause gibt. Und man ist auch nicht über mehrere Tage hinweg am selben Ort, sodass die Reisestrapazen deutlich höher sind. Für die Sportlerinnen und Sportler gilt es, bei jedem Rennen bereit zu sein und den Widrigkeiten zu trotzen.

Kommen wir nun zum sportlichen Geschehen. Wird man die Vorjahressieger im Gesamtweltcup, Marco Odermatt und Mikaela Shiffrin, im Normalfall schlagen können?

Das ist spannend, denn vor einer Saison kann man darüber nur schwer eine Vorhersage treffen. Denn es gibt viele Faktoren, die eine Rolle spielen werden. Wie lief die Vorbereitung im Sommer, wie läuft der Saisonstart, wie beeinflussen kleinere Blessuren oder größere Verletzungen die Leistung? Es gibt also viele Unbekannte. Grundsätzlich gehe ich aber davon aus, dass Marco Odermatt und Mikaela Shiffrin diejenigen sind, die es zu schlagen gilt. Ich bin gespannt, was alles passieren wird.

Wie stehen die Chancen der deutschen Männer für Ausrufezeichen im Weltcup?

In erster Linie ist für mich Technik-Spezialist Linus Straßer der heißeste Anwärter auf Siege und Podestplätze im deutschen Team. Allerdings ist im Slalom die Weltspitze sehr eng zusammen, wodurch auch immer ein bisschen Glück eine Rolle spielt. Natürlich gilt es auch Thomas Dreßen nach seiner langen Leidenszeit im Blick zu behalten. Ich traue ihm zu, dass er in den Speed-Disziplinen für das eine oder andere Glanzlicht sorgen kann. Und im Riesenslalom bleibt abzuwarten, wie Weltmeister Alex Schmid nach seiner Kreuzband-Verletzung zurückkommt.

Was trauen Sie den deutschen Frauen zu, die mit Lena Dürr und Kira Weidle zwei Sieg-Anwärterinnen haben?

Lena hat in den vergangenen beiden Jahren noch einmal einen enormen Schritt nach vorne gemacht. Mit einem guten Saisonstart kann sie gleich das nötige Selbstvertrauen tanken, was ihr helfen wird, in der weiteren Saison konstant im Slalom um die Podestplätze mitzufahren. Bei Kira sehe ich es ähnlich, bei ihr fehlte aber in der vergangenen Saison etwas die Konstanz. Ich hoffe, dass sie im Sommer diesbezüglich sich gut vorbereitet hat und an den entsprechenden Stellschrauben drehen konnte. Denn das Potenzial für Podestplätze ist bei ihr in jedem Fall vorhanden.

"Außerdem ist es wichtig, dass alle Verbände gemeinsam zum Wohl des Skisports an einem Strang ziehen."

Viktoria Rebensburg

In den vergangenen Wochen gab es viele Diskussionen rund um den Weltverband FIS und dessen Präsidenten Johan Eliasch, der den Verband nicht wirklich in Richtung Zukunft aufstellt. Vor allem das Thema Nachhaltigkeit ist kaum existent. Wie bewerten Sie dies?

Für mich ist es schon wichtig, dass man immer auf der Höhe der Zeit ist, auch im Skisport. Dazu gehört es auch, die spür- und sichtbaren klimatischen Veränderungen in die Planungen der Rennen und der gesamten Saison miteinzubeziehen. Außerdem ist es wichtig, dass alle Verbände gemeinsam zum Wohl des Skisports an einem Strang ziehen. Das ist das Wichtigste überhaupt, denn der Skisport bietet so viele Facetten und die Athleten und Funktionäre haben auch eine Vorbildfunktion und Verantwortung für den Nachwuchs. Dieses gemeinsame Kämpfen für den Sport sehe ich gerade überhaupt nicht. Man sollte sich wieder gemeinsam an einen Tisch setzen und versuchen, vernünftige Lösungen zu finden.

Dem entgegen steht die Zusammenarbeit zwischen den deutschen, österreichischen und schweizerischen Verbänden, unter anderem bezüglich der Vermarktung, Planung und Durchführung von Wettkämpfen in FIS-Disziplinen. Droht da eine Abspaltung dreier wichtiger Wintersport-Nationen?

Ich habe das Gefühl, dass es hier vor allem darum geht, ein Zeichen zu setzen von drei bedeutenden Verbänden in Richtung FIS, da die Kommunikation mit dem Weltverband in den vergangenen Jahren immer schwieriger geworden ist. Das ist meine Wahrnehmung der Situation.

Was muss aus Ihrer Sicht passieren, damit der Skisport wieder positiv in Richtung Zukunft blicken kann?

Ich würde mir wünschen, dass sich alle Parteien zusammentun und gemeinsame Lösungsansätze für eine Zukunft des Skisports erarbeiten. Denn diese Sportart ist viel zu schön und im gesellschaftlichen Kontext zu wichtig, um sie durch diese internen Streitigkeiten zu zerstören. Es müssen geeignete Maßnahmen zum Fortbestand der Sportart ergriffen werden, die von allen Parteien erarbeitet, akzeptiert und dann auch umgesetzt werden.

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Zur Person:

  • Viktoria Rebensburg ist Olympiasiegerin im Riesenslalom (2010) und zweimalige Vize-Weltmeisterin. Inzwischen arbeitet die gebürtige Kreutherin als TV-Expertin sowie Botschafterin.
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