Die letzte Sommer-WM für acht Jahre neigt sich dem Ende zu. Und schon nach Woche drei ist klar: So toll war die WM gar nicht - eigentlich gibt es nur Probleme. Deswegen braucht sich auch keiner die Winter-WM in Katar oder die mit gefühlten 100 Teams in acht Jahren in den USA, Kanada und Mexiko fürchten - es kann nur besser werden. Unsere (wie immer nicht ganz ernst gemeinten) Lehren der vierten WM-Woche.

Eine Glosse

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1. Lehre: Brasilien hat ein Farb-Problem

Wer Fußball mit Kindern guckt, bekommt ganz neue Einblicke in das Spiel - gerade bei dieser WM: Normalerweise sind sie ja immer für ihr Heimatland. Deswegen ist es ja auch so schade, dass das DFB-Team so früh ausgeschieden ist. Also eigentlich nur deswegen, weil mit der gezeigten Leistung ... na, ihr wisst schon ...

Aber zurück zu den Kindern: Sie können einem wirklich Leid tun - denn für wen sollen sie denn jetzt sein? Da gibt es die, die immer für den Gewinner sind und ihren Tipp deswegen erst nach dem letzten geschossenen Elfmeter verraten. Und da gibt es die, die nach Farben gehen.

Also entweder für ein Team sind, weil Ihnen eines der Trikots besonders gut gefällt. Oder eben die Flagge. Und so dürften sich hierzulande Tausende Kinder über das Aus von Brasilien gefreut haben. Ging ja gegen Belgien - oder in Farben gesagt: Schwarz-Rot-Gold nur anders angeordnet.

So gesehen ist Brasilien sogar einer der großen Gewinner der WM. Diesmal schied man nicht mit einem 1:7 aus, sondern nur mit einem 1:2. Trotzdem ist ein bisschen Retourkutschen-Häme ok, oder?

2. Lehre: Kroatien hat ein Motivations-Problem

Bei den letzten großen Turnieren schied Russland noch sang- und klanglos in der Vorrunde aus. Und jetzt? Fast ins Halbfinale geschafft - und das mit einem Team, bei dem niemand - von echten Russland-Kennern wie Kevin Kuranyi natürlich abgesehen - die Startelf aufsagen kann.

Wobei selbst bei Kuranyi bezweifeln wir das ... aus Gründen. Genauer gesagt: Weil wir ihn im TV haben sprechen hören. Und das wahrlich nicht immer sinnvoll war. Ein bisschen wirkte es so als würde ihm fehlen, was Russland hat - und zwar der totale Durchblick.

Wie den die Russen bekommen haben? Sehen Sie selbst:

Wir finden es übrigens extrem ungerecht, dass gegen Russland sofort wieder Doping-Vorwürfe erhoben werden. Ist nichts bewiesen - und solange gilt die Unschuldsvermutung. Und überhaupt: Doping bringt im Fußball doch eh nichts. Hat uns Mehmet Scholl erklärt.

Dazu kommt noch, dass Ammoniak gar nicht auf der Dopingliste steht. Das erklärt auch, warum es Gewichtheber und Kraftsportler seit Jahrzehnten schätzen.

Es bringt vielleicht einen Kick, macht die die Atemwege frei und pustet das Hirn durch - aber leistungssteigernd? Nein, bestimmt nicht.

Die Russen sind deswegen gegen Kroatien zehn Kilometer mehr gelaufen, weil sie vor heimischer Kulisse einfach viel motivierter waren als die Kroaten. Für die ist so ein WM-Viertelfinale nun wahrlich nichts besonderes.

Deswegen war die kroatische Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović nach dem Sieg auch so zurückhaltend.

3. Lehre: Der Fußball hat ein spielerisches Problem

Russland hat bei der WM zwar nicht den Halbfinal-Einzug geschafft, aber etwas anderes bewiesen. Und zwar, dass auch im Fußball alles wiederkehrt. So zum Beispiel "Kick and Rush".

Den Ball nach vorne schlagen und dann mit so vielen Spielern wie möglich so schnell wie möglich lossprinten und hoffen, dass der Ball irgendwie wieder beim eigenen Teamkollegen landet. Taktikfüchse nennen das Gegenpressing. Bei der WM sah es eher aus wie ein Glücksspiel.

Hat trotzdem funktioniert. Das gute alte spanisch-deutsche Tiki Taka wurde so lange drangsaliert, bis die Teams einfach keine Lust mehr hatten, sich den Ball zum 1073. Mal im Niemandsland hin- und herzuschieben.

Wobei: In Woche drei sahen tatsächlich einige Spiele aus, als würden Mannschaften mit einem richtigen taktischen Plan aufeinander treffen.

4. Lehre: Deutschland hat kein Özil-Problem

Apropos gerecht - das, was Oliver Bierhoff letzte Woche gemacht hat, ist das genaue Gegenteil davon. Deswegen verlassen wir an dieser Stelle auch den Pfad der Ironie.

Bierhoff hat - wohl auch um seinen eigenen, den Kopf von DFB-Boss Reinhard Grindel und den von Bundestrainer Joachim Löw zu retten - unter der Woche plötzlich deutliche Kritik geäußert - und zwar an Mesut Özil und dessen Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Später nahm er die dann zurück.

Hätte ein junger Spieler ein Interview gegeben, um dann zu sagen, er wäre falsch verstanden worden, hätte es nicht so gemeint und die Wirkung seiner Worte unterschätzt, könnte und sollte man darüber hinwegsehen. Aber als DFB-Teammanager, der das über ein Jahrzehnt ist? Nein, das geht nicht.

Das Gleiche gilt übrigens für den DFB-Boss. Während der Affäre wird nichts gesagt und gehofft, dass alles gut geht - um im Fall des Scheiterns dann nachzutreten. Unwürdig ist eines der netteren Worte, die dieses Verhalten beschreiben. Mehmet Scholl würde da mit Sicherheit drastischere Worte finden.

So wie vor gut einem halben Jahr. Da sagte der Ex-Profi: "Wir ver­lie­ren die Basis. Kin­der müs­sen ab­spie­len, dür­fen nicht mehr drib­beln. Sie krie­gen nicht die rich­ti­gen Hin­wei­se, warum ein Zwei­kampf ver­lo­ren wurde. Statt­des­sen kön­nen sie 18 Sys­te­me rück­wärts­lau­fen und -fur­zen."

Um dann abzuschließen: "(...) der deut­sche Fuß­ball wird sein blau­es Wun­der er­le­ben. Oben kommt eine weich­ge­spül­te Masse an, die er­folg­reich sein wird, aber nie­mals das Große ge­win­nen wird."

Mal gucken, ob der DFB auch auf solche Stimmen hört - dann könnte es bald wieder besser werden. Wobei: Sehr viel schlechter geht auch kaum.

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