Das Frankfurter Waldstadion hat sich in den vergangenen Jahren einen Namen gemacht als Heimstatt aufregender Fußballabende, am Dienstag aber bestätigten 48.390 Zuschauer eher den Charakter eines lauen Testspiels. Gepaart mit einem katastrophal schlechten Rasen, war der Rahmen für das letzte Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft vor der Kadernominierung im Mai nicht würdig - ganz im Gegenteil zur Leistung der Elf von Bundestrainer Julian Nagelsmann.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Stefan Rommel sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Zwar wollte drei Tage nach dem famosen 2:0-Sieg über Frankreich gegen sehr renitente Niederländer nicht alles gelingen. Nach der spielerischen Demonstration von Lyon aber zeigte die DFB-Auswahl nun ein paar ihrer klassischen und längst vergessen geglaubten Tugenden, um am Ende auch den Weltranglisten-Sechsten in die Knie zu zwingen.

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Der 2:1-Erfolg über die Elftal bestätigte den Aufwärtstrend und dürfte die Vorfreude auf das EM-Turnier in wenigen Wochen noch einmal vehement angeschürt haben. Das war das übergeordnete Ziel der beiden März-Länderspiele, die Julian Nagelsmann und seine Mannschaft auf wirklich eindrucksvolle Art und Weise auch erreicht haben.

Zunächst drohte die gute Stimmung zu kippen

Ganz anders als beim Start-Ziel-Sieg gegen Frankreich mit dem Führungstreffer nach acht Sekunden durch Florian Wirtz musste die deutsche Mannschaft gegen die Niederlande selbst einem frühen Rückstand hinterherlaufen. Die Gemengelage hatte sich schon nach vier Minuten komplett gedreht, die zuletzt erwirkte gute Stimmung drohte schon wieder zu kippen.

Aber ganz anders als in den Partien zum Ende des vergangenen Jahres implodierte der Glaube an die eigene Stärke, nicht nach dem ersten Rückschlag. Damals hatten Gegentreffer in den Spielen gegen die Türkei und in Österreich teilweise zu heillosem Chaos innerhalb der Mannschaft geführt und damit letztlich zu zwei empfindlichen Niederlagen.

Nun aber zeigte sich die Mannschaft erstaunlich unbeeindruckt von einem ersten fatalen Fehler und dem Gegentor und entwickelte nach und nach jene Wucht und Spielfreude, die auch schon die Franzosen entzaubert hatte.

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Mittelstädt zeigt Widerstandskraft und Unbekümmertheit

"Man hat gesehen, dass die Mannschaft Selbstvertrauen mitgenommen hat aus dem letzten Spiel", sagte Toni Kroos am Mikrofon von "RTL". "Vor ein paar Monaten wären wir wahrscheinlich nach dem 0:1 halb zusammengebrochen - aber das ist nicht passiert."

Zum Symbol für diese neue Widerstandskraft und auch Unbekümmertheit schwang sich Maximilian Mittelstädt auf. Der Stuttgarter leitete den Gegentreffer durch einen leicht verrutschten Pass erst ein, in seinem zweiten Länderspiel schien das schon früh eine erhebliche Bürde.

Nur sieben Minuten später aber jagte Mittelstädt eine kurz ausgespielte Ecke aus rund 20 Metern derart fulminant und entschlossen unter die Latte, dass selbst sein Trainer danach fast im Überschwang reagierte.

"Am Ende ist die Aktion von Maxi Mittelstädt doch genau das, was ich sehen wollte", sagte Julian Nagelsmann. "Alle haben gesagt: 'Der hat noch kein internationales Spiel, das ist vielleicht zu früh.' Er macht einen Fehler, schießt ein Tor, macht danach wieder ein super Spiel." Welches die Chancen auf Mittelstädts EM-Nominierung noch einmal schlagartig erhöht haben dürften.

"Maxi ist ein sehr guter Spieler, viel Ehrgeiz, viel Power und dazu noch ein top Typ, der tut uns gut", so Nagelsmann, der sich in der Schlussphase der Saison noch mehr solcher Leistungen des Spielers erhofft. "Da bin ich guter Dinge, weil er einen sehr guten Trainer und eine gut funktionierende Mannschaft hat. Ich hoffe, dass er in diesem Drive bleibt!"

Ukraine, Polen und Georgien lösen letzte EM-Tickets

Die Ukraine, Polen und erstmals auch Georgien durften über die letzten drei EM-Tickets jubeln. Zweimal ging es in den Finalspielen sogar bis ins Elfmeterschießen. Auf Robert Lewandowski wartet nun bei der Endrunde in Deutschland eine Hammergruppe.

Die viel diskutierte Personalwahl entpuppte sich als goldrichtig

Nagelsmann selbst dürfte insgeheim ganz froh sein über den Verlauf der Partie gegen die Niederländer: Neben sehr vielen guten Momenten wurden seinem Trainerteam und ihm und natürlich auch den Spielern auch einige Schwachstellen nochmals aufgezeigt, an denen alle bis zum Sommer arbeiten können.

"Ein geiles Spiel - um es zu analysieren", sagte Nagelsmann dazu. Was wiederum positiv stimmt, wenn man die Herangehensweise des Bundestrainers an die beiden März-Länderspiele betrachtet. Der Druck auf Nagelsmann und die Spieler war enorm, dem Bundestrainer ist es aber besonders beeindruckend gelungen, die Fehler der Vergangenheit akkurat aufzuarbeiten und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Anders als ein Trainer im Tagesgeschäft, der jeweils unmittelbar reagieren und anpassen kann, ist das für einen Bundestrainer deutlich schwieriger. Nagelsmanns im Vorfeld heftig diskutierte Personalwahl entpuppte sich als goldrichtig. Nicht nur wegen Mittelstädts Berufung, die Mischung im Team stimmte sehr gut, die Stimmung mit einigen Neulingen und frischen Gesichtern war offenbar wieder deutlich besser als zuletzt.

Und inhaltlich musste Nagelsmann nun gegen einen sehr unbequemen Gegner ein paar Alternativpläne proben lassen - und konnte sich dabei auf seine gute Vorbereitung und die Tiefe seiner Ersatzbank verlassen. Denn auch das war anders als noch in den vorangegangenen Spielen: Mit jedem Wechsel erhöhte die deutsche Mannschaft nach einer eher schwierigen Phase nach der Pause gegen Ende der Partie nochmals den Druck und machte völlig klar, welche Mannschaft den Sieg unbedingt erzwingen – und welche sich mit einem Remis zufriedengeben wollte.

Kaum zufällig gelang dem eingewechselten Niclas Füllkrug ein krummes Ding kurz vor dem Abpfiff. Ein Tor der Willenskraft, das an die "alten" deutschen Tugenden erinnerte. Die aber auch wichtig sind, neben der Spielfreude und der Leichtigkeit.

"Der Spirit muss von der Mannschaft kommen und ich denke, dass wir diesen gezeigt haben."

Toni Kroos

Es ist diese neue Energie, die es nun bis zum Sommer zu konservieren gilt. Einige Spieler der aktuellen Reisegruppe haben sich förmlich aus dem Nichts sehr gute Chancen auf eine Nominierung erspielt, die vielen ausgebooteten Dortmunder Spieler etwa müssen nun die Rest-Saison nutzen, um sich wieder zu empfehlen.

Das Casting beginnt spätestens jetzt, wo der Konkurrenzdruck durch Nagelsmann und die beiden überzeugenden Testspiele nochmal deutlich erhöht wurde. Das dürfte den Bundestrainer freuen und auch die Arrivierten, die noch einmal vor einem großen Turnier stehen.

"Der Spirit muss von der Mannschaft kommen und ich denke, dass wir diesen gezeigt haben", sagte Toni Kroos. "Auf jeden Fall ist jetzt etwas entstanden, was vorher nicht da war." Und darauf lässt sich doch ganz hervorragend aufbauen.

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