Eintracht Frankfurt weiß den wohl schillerndsten Präsidenten des Landes an seiner Spitze. Peter Fischer ist ein Mann klarer Worte und Haltung, der gerne polarisiert - und deshalb auch nicht von jedem gemocht wird.

Ein Porträt
Dieser Text enthält neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Stefan Rommel sowie ggf. von Expertinnen oder Experten. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Peter Fischer hatte sein Ziel schon ganz fest vor Augen. "Viele haben mir verboten, das zu sagen. Aber: Ich will heute Nacht aus diesem verdammten Pott saufen!" Fischer stand dabei auf dem Rasen des Estadion Juan Ramon Pizjuan, hinter ihm tobte der Mob, die Spieler von Eintracht Frankfurt, das Trainerteam, die Betreuer, emsige Mitarbeiter der Medienabteilung schossen Bilder und zeichneten Videos auf. Und auf den Rängen rund 10.000 Fans, eine einzige weiße Masse an Leibern.

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Fischer hatte wohl nicht übertrieben, als er den Abend von Sevilla "den größten Erfolg der Klubgeschichte" nannte. Und er hatte nicht übertrieben mit seinem Vorhaben, sehr viel Alkohol aus dem "elendigen Miststück" - der Europa-League-Trophäe - zu trinken. Äppelwoi war nicht zur Hand, also begnügte sich Fischer noch im Stadion mit Bier. "Und einer von der UEFA hat mir noch gesagt: Auch Wodka ginge bei dem Metallgeschmack."

Es ist tatsächlich ein reichlich ungewöhnlicher Präsident, der Eintracht Frankfurt vorsteht. Und das schon seit 21 Jahren. Die meisten Jahre werkelte Fischer im Hintergrund, als Chef des Hauptvereins und als Aufsichtsratsmitglied der Fußball AG. Zum ersten Mal auffällig wurde Fischer im Nachgang der Flutkatastrophe im Indischen Ozean. Fischer war als Urlaubsgast im Dezember 2004 selbst im thailändischen Phuket vor Ort, überlebte das schwerste Erdbeben und die Überschwemmungen danach und setzte sich fortan für die Hinterbliebenen der Opfer ein.

Wer AfD wählt, kann kein Eintracht-Mitglied sein

Deutschlandweit sorgte er dann aber erst Jahre später für noch größeres Aufsehen. In einem Interview mit der "FAZ" schoss Fischer unmissverständlich gegen die Partei "Alternative für Deutschland". "Es verträgt sich nicht mit unserer Satzung, AfD zu wählen. Es kann niemand bei uns Mitglied sein, der diese Partei wählt, in der es rassistische und menschenverachtende Tendenzen gibt."

Aus dieser klaren Haltung entspann sich ein Rechtsstreit, die AfD-Fraktion Hessen stellte Strafanzeige gegen Fischer wegen Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung - das Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft aber eingestellt. Seitdem ist Fischer ein gern gesehener Gast in Talkshows: weil er eine klare Meinung hat und auch kein Problem damit, diese schonungslos zu äußern.

Meist geht um Themen außerhalb der Fußballblase, um Politik, Wirtschaft, gesellschaftspolitische Themen, die Umwelt. Das gefällt vielen, besonders den Eintracht-Fans: dass sich ihr wichtigster Repräsentant so klar artikuliert, dass er aneckt, das Image des Klubs in die Welt hinaus trägt, dass er so "normal" geblieben ist. Und dass er die Eintracht so erfrischend anders vertritt in einer Welt, in der ansonsten jedes Statement erst chemisch gereinigt und mehrfach entschärft den Weg in die Öffentlichkeit findet.

Und trotzdem - oder gerade deshalb? - gibt es auch genug Menschen nicht nur in der Fußballszene, die sich an Fischer stören: die Sprache zu derb, das Auftreten zu lässig, die Haltung zu klar. Die ihn, wie eigentlich den gesamten Klub, für einen sehr groß geratenen Proll halten, der sich in zu viele Belange einmischt, die ihn gar nichts angingen.

Fischer über Putin: "Massenmörder, Psychopath"

Fischer sagt über sich selbst, dass er gerne polarisiere, und das kann man wohl genau so stehen lassen. Vor ein paar Wochen wurde er ins "Aktuelle Sportstudio" eingeladen. Der Ukraine-Krieg war da schon in vollem Gang, und Fischer sollte doch bitte seine Sicht der Dinge schildern. "Es ist nicht mehr zu verstehen, es bedroht die freie Welt. Und ich weiß nicht, was dieser asoziale, vollkommene Psychopath letztlich noch alles in der Schachtel hat. Mittlerweile muss man dem verrückten Massenmörder ja alles zutrauen." Die Rede war von Wladimir Putin.

Ein echter Fischer war das, schnörkellos, geradeaus und unerschrocken. Da macht er weder vor Staatschefs Halt noch vor vermeintlich größeren Klubs mit ihren vornehmen Herren in den Chefetagen. Fischer legte sich mit Offiziellen des FC Barcelona an, nachdem die sich über den Rasen im Frankfurter Waldstadion und dann über die Frankfurter "Invasion" im Camp Nou beschwert hatten.

Vor dem Halbfinale gegen West Ham United in London kündigten die Engländer an, eine ähnliche Flut an Frankfurter Fans im Stadion keinesfalls zu dulden, und verhängten eine "Zero Tolerance Policy": Wer außerhalb des streng limitierten Gästeblocks als Eintracht-Fan identifiziert wurde, sollte sofort aus dem Stadion fliegen. "Das ist der größte Dreck und ich schäme mich dafür", schimpfte Fischer im "Sportstudio". Er schäme sich, "dass man uns heute schon bedroht: Jeden, den wir im Stadion erwischen, der sich als Eintrachtler zu erkennen gibt, den schmeißen wir raus."

"...dieses Micky-Mouse-Stadion"

Vor dem Finale in Sevilla attackierte Fischer die UEFA für die Vergabe des Endspiels nach Andalusien und in ein derart kleines, an einigen Stellen auch schon marodes Stadion. Rund 200.000 Ticketanfragen hatte es aus Frankfurt und Glasgow gegeben, in der Stadt waren dann am Finalabend rund 150.000 Fans aus beiden Lagern, die keine Tickets bekommen hatten.

"Wir dürfen nicht vergessen, auch die Rangers, ein Traditionsklub, sind hier mit 100.000 Leuten. In diesem Micky-Mouse-Stadion - mit Platz für nur 40.000!", polterte also der Eintracht-Boss bei "RTL" munter drauf los. "Wenn ich meinen Geburtstag feiere, sind so viele Leute da! Aber bitte nicht zu einem Finale. Ich war geschockt, als ich das gesehen habe. Nur 10.000 Karten für die Rangers, und 10.000 für uns. Das entspricht keinem würdigen Finalspiel..."

Und - wie man mittlerweile weiß - wurde es genau das auch nicht. Neben einigen Verletzten, darunter einem wegen der zweifelhaften Bausubstanz gestürzten Eintracht-Fan, war der Veranstalter mit der Durchführung des Events hoffnungslos überfordert. Im Stadion gab es vor, während und nach dem Spiel kaum etwas zu trinken, nicht einmal das Wasser aus den Handwaschbecken der sanitären Anlagen durften die Fans beider Lager trinken. Bei um die 30 Grad im Kessel des Pizjuan und nach Stunden ohne Flüssigkeitszufuhr kollabierten etliche Fans. Die Rangers reichten bereits Beschwerde bei der UEFA ein.

Immerhin endete die Nacht für Fischer und seine Eintracht am Ziel aller Träume. Für Fischers Kollegen Axel Hellmann war das alles andere als klar. "Das wird ein ganz enges Ding", sagte der Vorstandssprecher wenige Minuten vor dem Anpfiff. Was man halt so diplomatisch wie möglich sagt, wenn man als Kluboffizieller befragt wird.

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Peter Fischer hatte da eine ganz andere Idee. "Wir gewinnen 3:0 und feiern morgen in Frankfurt auf dem Römer mit allen Fans." Das mit dem 3:0 hat zwar nicht ganz geklappt, der Rest aber ja schon. Einen zweiten Präsidenten, der ein paar Minuten vor einem Europapokalfinale auf einen klaren Sieg seiner Mannschaft tippt, müsste man wohl auch sehr lange suchen.

Verwendete Quellen:

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