Einst war Julian Draxler das Gesicht für Schalkes grandiose Nachwuchsarbeit. Doch den Wunderknaben lockte das große Geld und der schnelle Aufstieg. Zahlreiche Verletzungen und zu hohe Erwartungen warfen die Karriere des Mittelfeldmannes häufig zurück. Am Mittwoch (20. September) feiert Draxler seinen 30. Geburtstag und verabschiedet sich gleichzeitig aus dem europäischen Fußball.

Ein Porträt
Dieser Text enthält neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Tiziana Höll sowie ggf. von Expertinnen oder Experten. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Der jüngste Spieler, der jemals für den FC Schalke 04 in der Bundesliga zum Einsatz gekommen ist, war bei seinem Debüt gegen den HSV im Januar 2011 erst 17 Jahre und 117 Tage alt. Julian Draxler, der später von internationalen Titeln eingesäumt sein würde, weiß zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wohin ihn sein riesiges Talent bringen wird.

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Der Hype um den jungen Gladbecker nahm schnell an Fahrt auf. Von der U19 der Knappen schaffte Draxler den Sprung zu den Profis und machte nach vier Jahren den nächsten Schritt in der Bundesliga. Über die Begeisterung auf Schalke äußerte sich der Mittelfeldspieler später kritisch in den "Wolfsburger Nachrichten": "Es hat letztlich eine Erwartungshaltung geschürt, der ich am Ende nicht mehr gerecht werden konnte."

Für die damalige Bundesliga-Rekordablöse von 43 Millionen Euro schloss sich der Fußball-Profi dem VfL Wolfsburg an. 2017 dann der vermeintliche Höhepunkt: Paris Saint-Germain klopfte beim Berater des Profis an, der Transfer in die Ligue 1 ging durch. Egal ob Neymar, Messi oder Mbappé – Draxler spielte ab sofort bei den Superstars mit, wollte PSG selbst seinen Stempel aufdrücken.

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Weltmeister, portugiesischer Meister, vierfacher französischer Meister und Pokalsieger – die Laufbahn des Linksaußen ist von zahlreichen Erfolgen gekrönt. Doch schaut man genauer hin, stellt man fest, dass Draxler oftmals nur eine Nebenrolle innehatte. Seit 2019/20 bekam er in der Ligue 1 nur 20 Prozent der möglichen Spielminuten, bei Benfica schrumpft die Einsatzzeit sogar auf 15 Prozent. Auch die Weltmeisterschaft 2014 verbindet kaum einer mit dem Gladbecker. Beim haushohen Sieg gegen Brasilien gönnte Trainer Jogi Löw ihm gerade einmal 14 Minuten, zu einem Zeitpunkt, als das Spiel schon sicher gewonnen war.

Doch es gab auch andere Zeiten: Beim Achtelfinalspiel der EM 2016 avancierte Draxler zum Star, wurde gar als "Man of the Match" ausgezeichnet. Technik, Abschlussstärke, Tempo-Dribblings und ein einzigartiger Instinkt attestierten Experten dem offensiven Mittelfeldmann. Auch in Paris bekam der Linksaußen unter Thomas Tuchel anfangs noch seine Einsatzzeit, konnte sich aber nie nachhaltig durchsetzen.

Auf Augenhöhe mit Neymar?

Bei PSG entwickelte sich unter den Spielern eine regelrechte Zweiklassengesellschaft, Draxler hatte Schwierigkeiten seinen Platz zu finden. Auseinandersetzungen mit Team-Kollege Neymar soll es regelmäßig gegeben haben, vor allem dessen egoistische Spielweise war wohl Streitthema. Die Kritik kam beim Brasilianer laut Medienberichten allerdings überhaupt nicht gut an: "Wer bist du eigentlich, dass du meinst, so mit mir reden zu können?"

Obwohl das einstige Mega-Talent aus Deutschland insgesamt sieben Jahre bei PSG kickte, erreichte er in Frankreich nie denselben Status wie auf Schalke. Stattdessen geriet der Profi zunehmend ins Hintertreffen, verlor den internen Konkurrenzkampf gegen Messi, Mbappé und Co.

Und auch Verletzungen warfen den heute 30-Jährigen zurück, weshalb er schließlich in der zweiten Trainingsgruppe der Pariser landete. 2022 folgte die Leihe zu Benfica Lissabon, hier sollte Draxler endlich wieder eine Rolle spielen. Benfica wurde portugiesischer Meister, doch der Deutsche konnte wieder einmal nur dabei zusehen. Eine muskuläre Verletzung und eine Knöchel-OP bremsten die Pläne des Linksaußen aus.

Wenn das Geld lockt

Mit einem Jahresgehalt von rund sieben Millionen Euro beim VfL Wolfsburg verdiente der damals 24-Jährige bereits mehr, als er sich wahrscheinlich je ausgemalt hatte. Doch mit dem Wechsel in Frankreichs Hauptstadt stieß Draxler in neue Sphären vor. Denn auf einmal stieg sein Gehalt um weitere drei Millionen Euro an, zu dieser Zeit sollen bei Paris Saint-Germain nur Thiago Silva und Angel Di Maria mehr verdient haben als der Deutsche.

Während er bei seiner Leihe in Portugal der bestbezahlte Spieler der Liga war, ist sein Marktwert gleichzeitig so niedrig wie einst bei seinem Debüt im Schalke-Trikot. Die Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit driftet im Fall von Julian Draxler also zunehmend auseinander.

So verwundert es die wenigsten, dass mit dem auslaufenden Vertrag bei PSG eine Rückkehr Draxlers in die Bundesliga kategorisch ausgeschlossen wurde. "Julian hat ein Angebot aus dem Mittleren Osten, das ist sehr großrahmig", erklärte Berater Roger Wittmann im Live-Interview der "Bild"-Zeitung. Heute wissen wir: Die Rede war vom katarischen Klub Al-Ahli SC. Der Wechsel in den Wüstenstaat ist inzwischen fix, für eine Ablöse von neun Millionen Euro darf der Deutsche wechseln - das Gehalt in Katar ist indessen unklar.

Draxlers Karriere – ein Flop?

Was bleibt von dieser inzwischen 13 Jahre andauernden Profi-Karriere? Die Titel kann Julian Draxler niemand mehr wegnehmen, das ist gewiss. Glorreiche Momente wie als Kapitän der Nationalmannschaft beim Confed-Cup 2017, aber auch seine ersten Minuten auf Schalke 2011 – an die wird sich Draxler auch in einigen Jahrzehnten noch erinnern.

Die Chance, aus seiner Karriere aber etwas wirklich Bedeutendes zu machen, die hat der 30-Jährige für ein paar Millionen eingetauscht.

Verwendete Quellen:

  • transfermarkt.de: Berichte: Draxler gibt Al-Ahli Zusage – Knackt 100 Millionen an Transfererlösen
  • fussballeuropa.com: Julian Draxler hat die Qual der Wahl: Premier League oder Wechsel in die Wüste?
  • sportbild.de: Zeitung enthüllt Draxler-Gehalt
  • sport1.de: Draxler in der Sackgasse
  • 90min.de: Offiziell: Julian Draxler wechselt nach Katar
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