Thomas Tuchel hat seit Monaten kaum noch etwas gesagt. Neulich gab es ein Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit", da erklärte der 41-Jährige sein Sabbatjahr, wie er seine Freizeit gestaltet und dass er sich ein Engagement in der 2. Liga nicht vorstellen könne. Kurz darauf habe er dem Zweitligisten RB Leipzig eine Absage erteilt.

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Nur wenige Tage später ratterte eine Agenturmeldung über die Ticker, nach der Tuchel bereits eine Einigung mit dem Hamburger SV erzielt hätte. Der Kontrakt gelte auch für den Fall eines Abstiegs. Der begehrteste Trainer Deutschlands hat sich dann noch einmal zu einer öffentlichen Äußerung durchgerungen: Er dementierte das Gerücht sofort.

Am Mittwoch hat der HSV dann Bruno Labbadia verpflichtet und Abstand genommen vom ehemaligen Wunschobjekt Tuchel. Der wiederum gilt nun als erster Kandidat bei Borussia Dortmund, wo Jürgen Klopp ab dem Sommer nicht mehr Trainer sein wird.

Alle wollen Thomas Tuchel

Das Ringen um Tuchel hatte längst groteske Züge angenommen. Alles und jeder redete über ihn, er redete kaum. Es ist der Stoff, aus dem sich massenweise Spekulationen und Gerüchte nähren. Zahlen kursierten, ein Vierjahresvertrag beim HSV, angeblich drei Millionen Euro Gehalt pro Jahr, 25 Millionen für Investitionen in den Kader pro Saison. Es waren unbestätigte Informationen, sie haben letztlich ins Nichts geführt.

Es erschien immer so, als könne sich Thomas Tuchel seinen nächsten Job in Deutschland quasi frei auswählen. Hamburgs Aufsichtsratschef Karl Gernandt hat diese Aussicht in ein schönes Bild gepackt. "Herr Tuchel hat im Moment wie ein kleiner Junge beim Auto-Quartett alle schnellen Autos in der Hand und kann von oben runterspielen."

Jetzt haben sich die Optionen Hamburg und auch Stuttgart zerschlagen, der VfB soll sich mit Alexander Zorniger längst einig sein. Es bleibt der BVB. Eine ziemlich entscheidende Frage aber lassen die meisten Beobachter bisher außer Betracht. Tuchel ist - im besten Sinne - ein Prinzipienreiter und Sturkopf. Es liegt auf der Hand, dass ein detailversessener Typ wie er auch den Plan von der eigenen Karriere langfristig plant - nicht nur mittel- oder kurzfristig.

Deshalb gibt es auch nach diesen neuen Wendungen eine weitere Spekulation und die geht so: Für seinen nächsten Schritt hat sich Tuchel ein großes Projekt bei einem großen Traditionsverein vorgestellt. Neben dem HSV wurde ja immer auch der VfB ins Gespräch gebracht. Mit dem BVB hat sich innerhalb eines Tages ein "Big Contender" dazu gesellt.

Der VfB hatte die Gedankenspiele mit Tuchel in den letzten Wochen verworfen und ist dafür in und von der Öffentlichkeit stark kritisiert worden. Womöglich wussten die nicht immer souveränen Verantwortlichen in Stuttgart in diesem einen Fall aber ein bisschen mehr und wollten keine Zwischenstation sein.

Tuchel war Trainer in Mainz. Den Verein hat auch er zu einem verlässlichen Erstligisten geformt, aber bei allem Respekt nicht zu einer großen Nummer in der Bundesliga. Dafür sind die Rahmenbedingungen dort zu eingeschränkt.

Ein Traditionsklub soll es sein

Es liegt nahe, sich im zweiten Schritt einem neuen Projekt zu widmen, das völlig andere Voraussetzungen bietet: Einem Traditionsklub wieder auf die Sprünge zu helfen. Nun liegt Borussia Dortmund nicht am Boden, es bedarf aber durchaus eines großen Umbruchs, um den schwarzgelben Tanker wieder auf Linie zu trimmen. Ein wenig so, wie es damals war, als Klopp in Dortmund übernommen hat. Der BVB wäre ein großer Schritt für Tuchel - aber in dessen persönlicher Planung wohl doch auch Zwischenschritt auf dem Weg nach ganz oben.

Dass sich Tuchel mit Pep Guardiola mal zum Essen in München verabredet und da offenbar stundenlang über Fußball philosophiert hat, ist bestätigt. Auch, dass Tuchel ein Bewunderer des Katalanen ist. Das deutet noch nicht auf eine tiefere Verbindung hin. Es ist aber bekannt, dass sie Tuchel in München durchaus zutrauen würden, irgendwann mal ihren Trainer zu beerben.

Guardiola hat bei den Bayern einen Vertrag bis zum Sommer 2016. Was danach geschieht, hat der Trainer bisher stets offengelassen. Gespräche soll es erst nach dieser Saison geben. "Im Fußball geht alles sehr schnell", weiß der 44-Jährige. Er will sich deshalb alle Optionen offen halten. Das 1:3 in Porto und die damit verbundene Gefahr, bereits im Viertelfinale der Champions League zu scheitern, bestätigen Guardiolas Ansicht.

Thomas Tuchel hat sich in der Öffentlichkeit sehr vornehm zurückgehalten, um im Hintergrund zusammen mit seinen Mitstreiter aber fleißig an zwei Lösungen zu basteln: Der erste Schritt nach Mainz führt auf eine neue Evolutionsstufe, es könnte sehr gut der BVB sein. Und danach - wann auch immer das sein wird und je nachdem, wie die Dinge weiter verlaufen - will Tuchel den Angriff auf die Spitze angehen und wahrscheinlich Trainer beim FC Bayern München werden.

Wie so oft, wenn es um ihn geht, sind auch das nur unbestätigte Gerüchte und Vermutungen. Mittlerweile deuten aber zumindest mehrere Anzeichen daraufhin, dass das der grundlegende Plan ist.

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