Serhou Guirassy hat mit dem VfB Stuttgart eine Fabel-Saison hingelegt, halb Europa soll jetzt hinter dem Mittelstürmer her sein. Über seine Zukunft schweigt sich der Torjäger weiter aus, die Tendenz geht aber wohl Richtung Abschied. Oder etwa doch nicht?

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Sein "Pokerface" habe Serhou Guirassy mittlerweile aufgesetzt, so hat es Sebastian Hoeneß neulich mal erzählt. Es sei kaum möglich, eine Tendenz zu erkennen oder etwas zu erfahren, wenn es um die Zukunft des besten Stuttgarter Angreifers aller Zeiten geht. Beim und für den VfB hat sich Serhou Guirassy vom vermeintlichen Notnageln zu einer Art Super-Stürmer entwickelt.

30 Tore in 30 Pflichtspielen, dazu vier Assists und das alles in nur einer Saison: Das hat vor ihm noch keiner geschafft im Trikot mit dem Brustring. Mit Guirassy im Aufgebot hat der VfB ganze drei Bundesligaspiele verloren. Von den sechs Spielen, die der 28-Jährige wegen einer Verletzung und der Abstellung zum Afrika Cup im Winter verpasst hatte, dagegen gleich vier.

13 Mal hat der Mittelstürmer in der jüngst abgelaufenen Saison zudem das erste Tor einer Partie erzielt, das Spiel damit fast immer auf die Seite seiner Mannschaft gezogen - auch das ein Novum.

Selten zuvor dürfte das Preis-Leistung-Verhältnis angesichts von "nur" neun Millionen Euro Ablöse plus einer davor entrichteten Leihgebühr derart gut für den VfB Stuttgart gewesen sein. Guirassy hat schließlich auch schon vor seiner Fabel-Saison verlässlich geknipst, die Stuttgarter mit seinen Toren vor dem Abstieg bewahrt.

Man übertreibt nicht mit der Behauptung, der Guineer wäre so etwas wie die Lebensversicherung der Schwaben.

Guirassy ist heiß umworben

Als die finanziell notorisch klammen Stuttgarter im letzten Sommer die Kaufoption zogen und neun Millionen Euro nach Rennes überweisen mussten, erkauften sie sich die Dienste ihres Angreifers mit einem bemerkenswerten Zugeständnis: Auf kolportierte 20 Millionen Euro soll eine Ausstiegsklausel im Vertrag angesetzt sein.

Für den vergleichsweise läppischen Betrag kann Guirassy den VfB vorzeitig verlassen - und die Anzeichen verdichten sich, dass es bereits in diesem Sommer so weit sein könnte. An Interessenten für einen der gefährlichsten Angreifer Europas dürfte es kaum mangeln.

"Nach der Leistung heute werden die Begehrlichkeiten wahrscheinlich nicht kleiner", sagte Stuttgarts Sportchef Fabian Wohlgemuth laut "Zeit" nach dem letzten Saisonspiel gegen Borussia Mönchengladbach. Seine Mannschaft hatte ein letztes Mal ein wahres Feuerwerk abgebrannt, Guirassy dabei seine Saisontore 27 und 28 erzielt. Eine "besondere Leistung" attestierte Wohlgemuth seinem Spieler im Wissen, dass es das letzte Lob für den Umworbenen sein könnte.

Für Wohlgemuth könnte die Personalie Guirassy zum Auftakt eines besonders heißen Transfersommers werden. Die halbe Stuttgarter Mannschaft hat sich in den vergangenen zwölf Monaten ins Rampenlicht gespielt und noch steht ja auch die Europameisterschaft an, mit allein fünf Stuttgarter Akteuren in Reihen der deutschen Nationalmannschaft: Das größtmögliche Schaufenster für all jene, die immer noch nichts vom Hype in Bad Cannstatt mitbekommen haben.

Undav über Guirassy: "Ich bearbeite ihn die ganze Zeit"

Die gute Nachricht ist, dass der VfB bei den meisten dieser Spieler das Heft selbst in der Hand hält. Die schlechte ist, dass bei Guirassy und dessen kongenialem Partner Deniz Undav ein paar Puzzlestücke exakt richtig fallen müssten, um das gefährlichste Sturm-Duo in der Geschichte des Klubs auch für die kommende Saison zu halten.

"Ich bearbeite ihn die ganze Zeit, aber er lässt sich nicht in die Karten schauen", erzählte Undav laut "Zeitungsverlag Waiblingen" am Samstag von seinen ganz eigenen Versuchen, Guirassy irgendwie zum Bleiben zu überreden. "Ich glaube, jeder weiß, dass es mittlerweile sehr schwer ist, so einen Stürmer zu halten. Wenn du so ein Stürmer bist, mit so einer niedrigen Ausstiegsklausel, ist es klar, dass die großen Vereine anklopfen werden. Wir brauchen uns nichts vormachen, dass er wahrscheinlich auch den nächsten Schritt machen will."

Klubs, unter anderem aus der Premier League, sollen längst Späher entsandt haben. Allein die finanziellen Möglichkeiten bei einem Engagement in der besten Liga der Welt übersteigen jene in Stuttgart um ein Vielfaches.

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Starkes Dortmunder Interesse an Guirassy?

Undav selbst will auf jeden Fall in Stuttgart bleiben, endlich die Lorbeeren einer erneut märchenhaften Saison einfahren und in der Champions League spielen – nur droht der Spieler zwischen den Fronten auch zur reinen Verhandlungsmasse zu werden. Letztlich kann der EM-Fahrer nicht mehr tun, als er längst getan hat: Sich klipp und klar zum VfB zu bekennen. Den Rest hat Undav nicht selbst in der Hand.

Ganz anders als Serhou Guirassy: Der kann sich einen möglichen neuen Klub quasi aussuchen, im Ausland oder sogar in der Bundesliga. Den Bayern wurde immer mal wieder ein reges Interesse nachgesagt, in den Irrungen und Wirrungen der vergangenen Wochen rund um die Säbener Straße wurden nun aber keine weiteren Bemühungen um den Angreifer bekannt.

Deutlich stärker dürfte das Dortmunder Augenmerk auf den Spieler gefallen sein. Beim BVB gilt Sebastien Haller als Verkaufskandidat und Guirassys Quoten liegen deutlich höher als jene der potenziellen Kontrahenten Niclas Füllkrug (zwölf Tore in 31 Spielen) oder Youssoufa Moukoko (fünf Tore in 20 Spielen). Dazu soll die Ausstiegsklausel bei einem Wechsel innerhalb der Bundesliga sogar noch einmal zwei Millionen Euro niedriger sein und mit Sven Mislintat arbeitet seit 1. Mai jener Mann in verantwortlicher Position beim BVB, der Guirassy im Sommer 2022 nach Stuttgart geholt hatte.

Ein kleiner Funke Hoffnung für den VfB

Die Karten liegen also vermeintlich klar auf dem Tisch. Nach den Regeln des Profi-Fußballs wird Serhou Guirassy in ein paar Monaten weiterziehen, sich an einem anderen Standort neu beweisen und dafür ziemlich sicher das doppelte oder sogar dreifache Salär einstreichen.

Aber trotz der ungünstigen Ausgangslage ist beim VfB niemand bereit, einen der wichtigsten Spieler des märchenhaften Aufstiegs einfach so gehen zu lassen. "Wir sind nicht chancenlos", sagt Wohlgemuth und es klang tatsächlich nach mehr als dem üblichen Pfeifen im Walde.

Deniz Undav wird ja bald mit der deutschen Nationalmannschaft unterwegs sein, ein paar Tage bleiben ihm aber noch in Stuttgart. Die Zeit könnte er nutzen, seinen Kumpel Guirassy weiter "zu bearbeiten". Mit den Vorzügen einer gewachsenen Truppe, die als Einheit funktioniert und betörend schönen Fußball spielt. Mit der Wohlfühloase, die sie sich in Stuttgart geschaffen haben. Und der Aussicht auf die Königsklasse.

"Mal schauen, vielleicht hat er ein gutes Herz und sagt: Ich will noch ein Jahr Champions League spielen", hofft Undav. Mit dem VfB Stuttgart natürlich. Und nicht in Dortmund, München oder England.

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