Philipp Lahm hat sein Karriereende zum Sommer mitgeteilt und dem FC Bayern als Sportdirektor abgesagt. Damit erwischt der Kapitän die Verantwortlichen seines Vereins auf dem falschen Fuß. Was steckt hinter Lahms Entscheidungen? Die Antworten auf fünf Fragen, die sich aufdrängen.

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Philipp Lahm hat nach dem DFB-Pokal-Achtelfinalspiel zwischen dem FC Bayern und dem VfL Wolfsburg (1:0) in der Mixed Zone sein vorzeitiges Karriereende zum Sommer angekündigt, nachdem zuvor die "Sport Bild" als erstes darüber berichtet hatte. Überraschend dabei: Der Weltmeister hängt seine Fußballschuhe nicht erst im Sommer 2018 an den Nagel, wenn sein Vertrag bei den Münchnern ausläuft, sondern bereits nach dieser Saison. Zudem will er nicht Sportdirektor bei den Bayern werden.

Noch überraschender: Uli Hoeneß schien, so wirkte es zumindest, von dem Entschluss des Kapitäns nichts zu wissen. "Ich kann dazu nur sagen, dass er mir das nicht mitgeteilt hat. Solange keine klare Entscheidung bekanntgegeben worden ist, kann ich mich jetzt doch nicht diesen Spekulationen anschließen", sagte der Bayern-Präsident kurz nach dem Spiel in der ARD.

Im Gespräch mit unserer Redaktion berichtet "Sport Bild"-Redakteur Tobias Altschäffl, wie es dazu kam: "Wir - insbesondere unser Fußballchef Christian Falk - hatten sichere Informationen und haben diese am Dienstag vor Anpfiff über unsere Homepage und die Sozialen Medien kommuniziert. Lahm hat nach Abpfiff auf dem Platz erfahren, dass die Medien davon wissen und dann ehrlich geantwortet."

Damit schlug Lahm einen Weg ein, auf den Hoeneß und auch der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge nicht vorbereitet waren.

Fünf Fragen, die sich nach Lahms Entscheidungen aufdrängen:

Warum will Philipp Lahm nicht Sportdirektor beim FC Bayern werden?

Laut "Sport Bild" hatte Philipp Lahm konkretes Interesse am Posten des Bayern-Sportdirektors. Das Problem: Lahm wollte auch einen Sitz im Vorstand und damit auf einer Ebene mit Rummenigge sein.

Der aus neun Personen bestehende Aufsichtsrat soll dem 33-Jährigen einen Posten im Bayern-Vorstand aber nicht zugetraut haben. Lahm sagte dazu nur so viel: "Es gab Gespräche, und am Ende der Gespräche habe ich für mich beschlossen, dass es für mich nicht der richtige Zeitpunkt ist, beim FC Bayern danach einzusteigen."

Altschäffl erklärt, warum Lahm und Hoeneß nicht auf einen gemeinsamen Nenner kamen. "Der Sportdirektor-Posten beim FC Bayern ist bestimmt nicht nur ein Frühstücksdirektor-Posten", so der "Sport Bild"-Redakteur. "Dennoch ist es so, dass die Vorstände weisungsbefugt gewesen wären, sofern Lahm nicht selbst Vorstand geworden wäre. Und daher sagt sich Lahm, dass er das bei all seinen Verdiensten für den Klub so nicht will. Er will selbst entscheiden können."

Dies wollte Hoeneß ihm nicht zusichern. Altschäffl: "Für Hoeneß ist klar: Ein Mann ohne Erfahrung wird bei den Bayern nicht Vorstand."

Was bedeutet die Entscheidung für das Verhältnis zwischen Philipp Lahm und den Bayern-Bossen?

Karl-Heinz Rummenigge lehnte sich bereits vor Monaten weit aus dem Fenster und verkündete im November bei der Jahreshauptversammlung indirekt, dass Lahm künftig ins Bayern-Management wechseln werde. "Wir haben einen im Hinterkopf und werden den dann auch holen - den Namen haben Sie vielleicht auch schon gelesen. Nur er muss aktuell noch Fußball spielen, weil wir ihn auf dem Platz brauchen", sagte der Vorstandsvorsitzende damals und hatte die Lacher auf seiner Seite.

Die Sache schien klar: Lahm spielt bis zu seinem Vertragsende 2018 weiter für die Münchner und wird dann neuer Sportdirektor. Dieser Posten ist seit dem Rücktritt von Matthias Sammer im Juli 2016 vakant.

Dass Lahm diese Chance liegen lässt, ist durchaus als Affront zu verstehen. Schließlich machte sich Rummenigge seit Monaten für den Bayern-Kapitän stark. Zudem wurde insbesondere Hoeneß am Dienstagabend vor den TV-Kameras durch den plötzlichen Alleingang Lahms brüskiert.

Intern wird dieses Thema bei den Bayern ganz gewiss noch einmal diskutiert werden. Einen öffentlichen Streit wird es nicht geben, doch diese mindestens ungewöhnliche, wenn nicht gar peinliche Außendarstellung des Klubs hinterlässt gewiss die eine oder andere Narbe, wie auch in der Pressemitteilung der Bayern vom Mittwochmittag herauszulesen ist.

Wird Lahm mittelfristig dennoch einen Job in Bayern-Management inne haben?

Die Münchner, insbesondere Rummenigge, machten Lahm seit Monaten den Hof. Lahms Absage dürfte daher gewaltig an dem nicht allzu kleinen Ego des Bayern-Bosses kratzen. Dennoch werden Hoeneß und Rummenigge Lahm wohl nicht vor den Kopf stoßen.

"Hoeneß und Rummenigge sind schlau genug, um zu wissen, dass es nicht mehr viele Spieler gibt, die den FC Bayern so verkörpern wie Lahm es tut", schätzt Altschäffl die Lage ein. "Oliver Kahn wäre noch so einer, doch der ist mittlerweile auch nicht mehr so nah am Verein wie Lahm. Momentan gibt es eine Verstimmung, aber irgendwann rauft man sich wieder zusammen. Und deshalb ist es für die Zukunft sicher nicht ausgeschlossen, dass Lahm irgendwann zu den Bayern zurückkehrt."

Hat Philipp Lahm mit dem Rücktritt als Profi die richtige Entscheidung getroffen?

Den richtigen Zeitpunkt für das Karriereende zu wählen, ist sicherlich für keinen Fußball-Profi einfach. Lahm hatte für sich den Entschluss gefällt, dies am Dienstag, wenige Minuten nach dem Sieg gegen Wolfsburg, zu verkünden.

Es wäre anmaßend, Lahms Entscheidung als richtig oder falsch zu bewerten - bei einem Spieler, der nunmehr über 500 Pflichtspiele für den FC Bayern absolviert hat und neben Meisterschaften und DFB-Pokalen auch noch die Champions League sowie mit der Nationalmannschaft den WM-Pokal gewonnen hat.

Lahm kennt seinen Körper am besten und weiß, wie lange er ihm dieses Top-Niveau mit andauernden englischen Wochen zumuten kann - und will. "Ich versuche jeden Tag, das Beste zu geben, im Training und im Spiel", sagte Lahm. "Ich will ein Vorbild für die Jungen sein. Ich denke, dass ich das bis zum Ende der Saison schaffe, aber nicht darüber hinaus."

Was sind Philipp Lahms Möglichkeiten in der Zukunft?

Er ist einer der erfolgreichsten deutschen Fußballer aller Zeiten, war Kapitän einer Weltmeister-Elf und eines Champions-League-Sieger-Teams. Für Lahm stehen die Türen auch nach seiner Absage weit offen, sollte er nach seiner anstehenden Pause ins Profi-Fußballgeschäft zurückkehren wollen. Zumindest eine Anstellung als Fußball-Experte bei einem TV-Sender sollte Lahm sicher sein.

Doch auch eine Zukunft im operativen Geschäft ist noch lange nicht vom Tisch. Lahm pflegt beispielsweise weiterhin gute Kontakte zu Bundestrainer Jogi Löw und dem DFB - auch dort wird nach dem Rücktritt von Hansi Flick ein neuer Sportdirektor gesucht.

Horst Hrubesch hat diesen Posten nur interimsweise inne. Ist das also ein Job für Lahm? Momentan wohl kaum, wie auch Altschäffl sagt. "Lahm hat in der Vergangenheit den Gedanken geäußert, dass der DFB auch eine reizvolle Aufgabe für ihn wäre. Doch wie ich ihn einschätze, will er sich erst einmal fortbilden und eine Pause machen, bevor er irgendwann wieder einsteigt. Deswegen glaube ich nicht, dass er aktuell DFB-Sportdirektor werden wird."


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