Abwehr-Baustelle beim FC Bayern: Mats Hummels ist weg, Benjamin Pavard wirkt reichlich nervös und Lucas Hernández hat (noch) ein Zweikampfverbot. Plötzlich ist Jérôme Boateng wieder erste Wahl - doch der Weltmeister hat mit einem Manko zu kämpfen.

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Uli Hoeneß hatte an jenem 26. Mai einen dieser ehrlichen Momente, die den Präsidenten des FC Bayern so authentisch machen – dem 67-Jährigen aber auch Kritik einbringen.

Der Rekordmeister feierte gerade am Marienplatz das Double aus Bundesliga-Meisterschaft und DFB-Pokal, da wurde der Vereinspatron impulsiv hinter dem berühmten Balkon des Münchner Rathauses.

Hoeneß riet Boateng schon zum Wechsel

"Ich rate Boateng, den FC Bayern zu verlassen. Eine Luftveränderung täte ihm gut", sagte der Schwabe mit gewohnt energischer Stimme: "Im Moment wirkt er wie ein Fremdkörper. Ich würde ihm als Freund raten, sich einen neuen Verein zu suchen."

Vier spontane Sätze, und das Kapitel Jérôme Boateng war beim Rekordmeister geschlossen. Meinte man damals. Zumal Hoeneß wenige Tage später im Interview mit "Sport1" nachlegte: "Er ist kein Spieler für die Bank. Er ist kein Spieler, der das verträgt. Das hat man jetzt die letzten Wochen gesehen. Und dann ist es besser für ihn, zu gehen."

FC Bayern: Boateng präsent wie lange nicht

Doch Boateng ist noch da, rund zehn Wochen später, im Trainingslager des FC Bayern am Tegernsee. Und das präsent wie lange nicht. Denn: Plötzlich ist der Weltmeister wieder Kandidat für den ersten Platz in der Abwehrmitte neben Niklas Süle, der am Donnerstagabend nach einer Halbzeit gegen den Kreisliga-Klub FC Rottach-Egern Sonderschichten auf dem Nebenplatz schob.

Boateng spielte erst gar nicht, radelte im Fitnesszelt. Trainer Niko Kovac hatte zuvor wiederholt, dass jeder Spieler "der hier unter Vertrag steht, dieselbe Wertschätzung" genieße. Diesmal ging es aber vielmehr darum, den bald 31-Jährigen (3. September) zu schonen.

FC Bayern: Boateng fit wie lange nicht

Boateng war bemerkenswert frisch aus dem Urlaub an die Säbener Straße zurückgekehrt, hatte sich in der freien Zeit offensichtlich nicht nur fit gehalten, sondern fit gemacht. "Ich brenne immer noch, ich bin heiß. Ich greife in der neuen Saison voll an", hatte der Berliner nur vier Tage nach der Hoeneß-Schelte via "kicker" verlautbaren lassen.

Und begründete das "negative Jahr" 2018/19 mit dem zuvor geplatzten Wechsel zu Paris Saint-Germain: "Ich war mit dem Kopf schon weg. Wenn du eine so sichere Zusage bekommst und eine adäquate Summe bezahlt wird, es plötzlich aber Nein heißt, bricht etwas in dir zusammen."

Boateng entschuldigt sich bei den Fans

Seither gilt das Verhältnis mit Coach Niko Kovac als erheblich angespannt, was auch öffentliche Aussagen Boatengs nicht gerade besser gemacht haben dürften. "Da konnte ich mich auf den Kopf stellen und gut spielen", hatte er gesagt, "ich war trotzdem raus in gewissen Spielen."

Inzwischen hat Boateng für seine lustlosen Auftritte in der Endphase der vergangenen Saison um Entschuldigung gebeten. "Ich weiß, dass viele mein Verhalten damals kritisch gesehen haben, auch viele Fans. Und ich verstehe das. Egal, wie es jetzt weitergeht: Ich möchte mich auf jeden Fall dafür entschuldigen", sagte er "Bild am Sonntag".

Boateng hat vor Hernández und Pavard die Nase vorn

Und der der kroatische Trainer braucht jetzt seinen Abwehrhünen. Der französische Weltmeister Benjamin Pavard kam nach dem Abstieg mit dem VfB Stuttgart merklich verunsichert nach München, wirkte in Audi Cup und Supercup gegen den BVB (0:2) sogar wie ein Unsicherheitsfaktor.

Pavards französischer Landsmann Lucas Hernández, ebenfalls ein Verteidiger, bekam in Rottach-Egern im öffentlichen Training nach langer Verletzungszeit ein regelrechtes Zweikampfverbot auferlegt.

Plötzlich lobt Kovac Verteidiger Boateng

"Ich bin mit Jérôme sehr zufrieden. Er macht das außerordentlich konzentriert und gut", meinte Kovac auf der US-Tour und näherte sich seinem skeptischen Schützling an. Neben dem leicht angekratzten Verhältnis zwischen Boateng und dem Bayern-Trainer gibt es allerdings ein weiteres Manko.

So hat der Ex-Nationalspieler deutlich an Handlungsschnelligkeit eingebüßt – trotz Fitness-Sonderschichten. Das zeigte sich bei beiden Gegentoren im Audi Cup gegen Tottenham Hotspur, sowohl beim Treffer von Erik Lamela als auch beim Tor von Christian Eriksen war der Routinier zu langsam oder er stand meterweit weg. Und bei der Niederlage in Dortmund kam er bei den Gegentreffern durch Paco Alcácer und Jadon Sancho schlicht nicht mehr hinterher.

Differenzen mit Kovac, Defizite in der Spritzigkeit, mangelnde Schnelligkeit – Boateng ist der Hoffnungsträger wider Erwarten.

Verwendete Quellen:

  • kicker.de: Boateng exklusiv: "Ich greife in der neuen Saison voll an"
  • kicker.de: Hoeneß: "Boatengs Manager sucht Vereine, das wissen wir"
  • welt.de: Die 180-Grad-Drehung im Fall Jérôme Boateng
  • az-muenchen.de: Hoeneß deutlich: "Rate Boateng, den FC Bayern zu verlassen"
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