Am Samstagabend fand das Topspiel in der Bundesliga statt. Bayer Leverkusen gewann gegen den FC Bayern verdient mit 3:0. Weil die Automatismen gegenüber Umstellungen überlegen waren.

Eine Analyse
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Mit Spannung wurde das absolute Topspiel in der Bundesliga zwischen Bayer 04 Leverkusen und dem FC Bayern München erwartet. Beide trennten nur zwei Punkte, beide hatten bisher eine Punkteausbeute, die zu den besten jemals erreichten in der Bundesliga gehört. Vor dem Spiel gab es schon beim Blick auf die Aufstellungen die ersten Überraschungen. Der FC Bayern begann mit Sacha Boey und Noussair Mazraoui außen, Eric Dier war Teil einer Dreierabwehr beim Rekordmeister, zumindest nominell.

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Bayer Leverkusen verzichtete unter anderem auf Jeremie Frimpong, auch Patrik Schick stand nicht in der Startelf. Die Werkself wollte offensiv so flexibel wie möglich auftreten, setzte mit Josip Stanisic dafür auf etwas mehr defensive Absicherung. Beide wählten eher die vorsichtige Variante bei der Startelf. Die Tuchel-Idee war es offenbar, die Ausrichtung der Leverkusener zu spiegeln, um einer etwaigen Unterzahl im Zentrum entgegenzuwirken.

Bayerns Umstellung wirkte nur zu Beginn

Die ersten Beobachtungen, nachdem es mit acht Minuten Verzögerung aufgrund des Protests gegen die DFL-Investorenpläne losgegangen war, waren interessant: Boey begann beim FC Bayern auf der linken Seite vor der Dreierkette, Mazraoui spielte auf seiner gewohnten rechten Bahn.

In den Anfangsminuten kontrollierte der Rekordmeister den Ball, Leverkusen wollte sich nach Ballgewinn schnell befreien und Tempo aufnehmen. Was der FCB gut machte: das hohe Anlaufen. Dadurch wurde die Werkself früh zu langen Bällen gezwungen, was dem Team gar nicht gut gefällt. 70 % Ballbesitz für die Gäste in den ersten zehn Minuten sprachen für sich. Die Erkenntnis der ersten 15 Minuten: Aufgrund guten Anlaufverhaltens konnten beide ihr eigenes, typisches Spiel nicht nach Wunsch umsetzen.

Leverkusen verschärfte nach etwas mehr als einer Viertelstunde das Tempo und Bayern konnte dem nicht folgen. Nach einem Einwurf der Leverkusener schlief die komplette Abwehr, am langen Pfosten schoss Stanisic zur Führung ein. Wie so oft in dieser Saison war es der Rhythmuswechsel, der Leverkusen half. Bayern stellte sich auf das eher ruhige, kontrollierte Spiel ein und Leverkusen handelte entgegen dieser bisherigen Vorzeichen schnell. Der erste grobe Fehler sorgte für die Führung, danach hatte Bayer das Spiel im Griff.

Der größte Unterschied in der ersten Halbzeit war, dass Bayern einen Trott, ein Tempo durchspielte, während Leverkusen das eigene Spieltempo an die Spielsituation anpasste. Tuchel ging hohes Risiko, indem er einerseits die Dreierkette auspackte, die vorher nicht gespielt wurde und Boey erstmals seit 2020, damals noch in der Ligue 1, nach links stellte.

Unterschiede gab es auch im Ballbesitz. Die Leverkusener hatten immer eine, eher zwei kurze Anspielstationen. Die Abstände beim FCB waren indes viel zu groß, weswegen der Ball zu lange geführt wurde oder das Risiko ungenauer Pässe stieg. Leverkusen blieb sich treu, Bayern nicht und genau das sorgte für die entscheidenden Prozente, die das Pendel in Richtung der Werkself ausschlagen ließen.

Tuchel reagierte zu spät

Überraschenderweise reagierte Tuchel zum Start der zweiten Halbzeit nicht. Die ersten fünf Minuten liefen dort sehr ausgeglichen, bis Leverkusen wieder in den Kreativmodus schaltete. Ein simpler Doppelpass reichte, um die Bayern-Defensive auszuhebeln. Alejandro Grimaldo erhöhte auf 2:0 und spätestens jetzt war der Tuchel-Plan komplett dahin. Erst nach einer Stunde wurde reagiert und zu diesem Zeitpunkt hatte Leverkusen die Zügel schon komplett in der Hand. Die Variabilität, sowohl bei der Positionierung als auch beim Tempo, half Leverkusen, sowohl Phasen zu überstehen, in denen man tiefer stand, als auch wieder den Druck zu erhöhen.

Während Bayern kompliziert spielte und viel Aufwand betreiben musste, um in das letzte Drittel zu kommen, reichte der Werkself mit der Führung im Rücken ein schnelles Umschalten, um Gefahr zu erzeugen. Die Alonso-Elf drückte ihr Spiel durch, hatte auch auf die Umstellung eine Antwort. Leverkusens Spielzüge sahen durchgetaktet aus, trotzdem waren die Spieler aufgrund der Kreativität im gesamten Spiel mit Freiheiten ausgestattet. Diese Selbstverständlichkeit fehlte dem FC Bayern.

Auch, weil Tuchel die eigene Offensive schwächte, weil sein Plan nicht aufging. Die Abkehr vom 4-2-3-1, das Fehlen eines zusätzlichen Spielers im Angriff, erleichterte es Leverkusen, Überzahl in Ballnähe zu schaffen und auch Harry Kane von der Versorgung abzuschneiden. Der Angreifer hatte am Ende nur 18 Ballkontakte, der Rekordmeister schoss nur einmal direkt auf das Tor von Lukas Hradecky. Das 3:0 am Ende war lediglich noch ein Zahlenspiel.

Fazit: Automatismen schlagen Anpassungen

Viele kleine Faktoren waren am Ende dafür verantwortlich, dass Bayer 04 Leverkusen gegen den FC Bayern gewann. Ein Gegentor nach einem Einwurf darf eine Mannschaft nicht kassieren, schon gar nicht eine mit den Ansprüchen des Rekordmeisters. Thomas Tuchel hatte sich in Folge einer unklaren, nicht einfachen Personallage etwas überlegt, wollte den Gegner spiegeln, dieser brauchte aber nur gut 15 Minuten, um sich darauf einzustellen und eigene Lösungen zu finden.

Das veränderte die Statik des Spiels und Bayern war nicht gefestigt genug, um dagegen anzukommen. Einfache Fehler sorgten für Ballverluste, die Spielkontrolle kippte in Richtung der Hausherren. Diese riefen ihre Automatismen ab, spielten strukturiert, machten eben deutlich weniger Fehler und waren technisch auf einem hohen Niveau unterwegs. Der Zuschauer konnte beobachten, wie die Frustration beim Rekordmeister quasi minütlich stieg, trotzdem waren keine große Trotzreaktion erkennbar.

Kurz gesagt: Leverkusens Eingespieltheit und Sicherheit war an diesem Tag einfach eine Nummer zu groß für einen FC Bayern, bei dem einige Spieler nicht ihr Topniveau erreichten und bei dem Thomas Tuchel mit seinen Anpassungen, die nur 15 Minuten fruchteten, zusätzlichen Einfluss nahm.

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