• Nach seinem aufsehenerregenden Interview wird Manuel Neuer von Bayern-Funktionären und ehemaligen Spielern hart kritisiert.
  • Neuers Position im Bayern-Tor ist nicht mehr so unantastbar wie früher.
  • Zumindest die Teamkollegen beim FC Bayern scheinen aber weiter hinter ihrem Kapitän zu stehen.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Julian Münz sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

"Wir freuen uns sehr auf die nächsten Jahre mit dem besten Torwart der Welt im Tor unserer Mannschaft" - so ließ sich Bayerns Präsident Herbert Hainer auf der Vereinswebsite zitieren, als Manuel Neuer im Mai 2022 seinen Vertrag bei den Münchnern bis 2024 verlängerte.

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Ob es überhaupt noch ein Jahr wird, ist mittlerweile aber längst nicht mehr klar. Denn mit seiner deutlichen Kritik an der Entlassung von Torwarttrainer Toni Tapalovic in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" und "The Athletic" hat der Nationaltorhüter die Bayern-Bosse gegen sich aufgebracht.

Nicht Neuers Verletzung bei einem Ski-Unfall im Dezember, sondern die Entlassung von Tapalovic im Januar war der Auslöser für den Konflikt zwischen Vorstand und Kapitän. Neuer nahm die Demission seines engen Vertrauten aus dem Trainerstab persönlich, bezeichnete sie im Interview als "Schlag", als er "schon am Boden lag".

Ex-Bayern-Spieler und Offizielle kritisieren Neuer

Die Bayern-Führung antwortete, jeder einzeln, jeder mit deutlicher Kritik an Neuers Worten. "Was Manuel in Teilen dieser zwei Interviews im Zusammenhang mit der Freistellung von Toni Tapalovic gesagt hat, wird weder ihm als Kapitän noch den Werten des FC Bayern gerecht", kritisierte der Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn.

"Manuel hat seine persönlichen Interessen hier über die Interessen des Klubs gestellt", urteilte Sportdirektor Hasan Salihamidzic. "Es war für uns unverständlich und auch enttäuschend, dass Manuel Neuer nicht den Weg zu uns gesucht hat, sondern direkt an die Öffentlichkeit gegangen ist", erklärte Präsident Hainer. Und selbst Trainer Julian Nagelsmann äußerte öffentlich Kritik an seinem Kapitän: "Ich hätte das Interview so nicht gegeben."

Noch deutlicher äußern sich ehemalige Bayern-Profis. "Es wird ganz sicher schwierig, dieses zerschnittene Tischtuch wieder zusammenzubringen", ist sich Sky-Experte Lothar Matthäus sicher. Als Kapitän sei Neuer nicht mehr tragbar. Stefan Effenberg empfahl dem Torhüter gleich, den Verein vor Ablauf seines Vertrages zu verlassen. Und Dietmar Hamann bezeichnete einige von Neuers Interviewaussagen als "schlichtweg peinlich".

Die Kritik, die auf Neuer einprasselt, ist enorm - und auch ohne diese neuen Probleme wäre seine Rückkehr ins Tor der Bayern schwer genug: Statt Sven Ulreich, dessen Rolle als zweiter Torhüter immer klar war, wird Neuer zur neuen Saison mit Yann Sommer mindestens einen Konkurrenten neben sich haben, der ebenfalls Stammplatzambitionen und einen langen Vertrag hat.

Bislang erfüllte Sommer seine Rolle als Neuer-Nachfolger gut: Die Bayern rutschten zum Jahresauftakt zwar gleich in eine kleine Krise, an dem neuen Torhüter lag es jedoch nicht.

Manuel Neuer spielt vergleichsweise schwache WM

Neuer spielte bis zu seiner Verletzung solide - mehr aber auch nicht. Der "kicker" sortierte ihn in seiner halbjährlichen Rangliste der besten Bundesliga-Torhüter nur noch auf Platz sieben ein - hinter Freiburgs Mark Flekken, Koen Casteels vom VfL Wolfsburg und dem Kölner Marvin Schwäbe. Und beim WM-Aus der deutschen Nationalmannschaft in Katar machten einige in Neuer sogar einen Schwachpunkt im Team aus, weil er bei Gegentoren gegen Japan und Costa Rica schlecht aussah.

Was auch daran gelegen haben könnte, dass Neuer kurz vor dem Turnier noch an einer Schulterverletzung laborierte. Der 36-Jährige, das weiß man auch beim FC Bayern, ist ein verletzungsanfälliger Schlussmann - zwischen 2017 und 2018 fiel der Torhüter wegen eines Mittelfußbruches schon einmal fast ein Jahr aus. Und mit steigendem Alter werden auch die Verletzungspausen länger.

Vertragsauflösung von Neuer ist kein Thema

Noch ist Neuer aber bis 2024 an die Bayern gebunden - und geht zumindest öffentlich auch weiterhin davon aus, ins Bayern-Tor zurückzukehren. Auch eine Vertragsauflösung steht laut Hainer nicht im Raum. Man wolle sich zusammensetzen und die Sache professionell aufarbeiten, beteuerte der Bayern-Präsident: "Manuel Neuer ist ein Weltklasse-Torhüter, ist jetzt seit mehr als zehn Jahren bei uns. Das Wichtigste ist, dass er gesund wird und wieder spielen kann. Dann sehen wir weiter.“

Für eine Rückkehr spricht, dass Neuer wohl weiter Rückhalt aus der Mannschaft hat. Keiner seiner Teamkollegen teilte nach seinem Interview öffentlich gegen ihn aus, Leon Goretzka äußerte sogar Verständnis. Und Ersatzkapitän Thomas Müller kommentierte die Unruhe im Verein mit Humor: "Ich finde es immer gut, wenn sich um den FC Bayern etwas rührt."

Fürsprecher hat Neuer auch im ehemaligen Trainerstab des FCB: "Ich bin natürlich auf der Seite von Manu", erklärte Torwart-Legende Sepp Maier. Die Entlassung von Neuers Torwarttrainer Tapalovic sei nicht "Bayern-like" gewesen, kritisierte Maier und verglich sie mit seinem eigenen Abschied als Torwarttrainer des DFB im Jahr 2004 nach der Amtsübernahme von Jürgen Klinsmann als Teamchef. Klinsmann sorgte vier Jahre später auch für das Ende des Torwarttrainers Maier, als er das Amt des Trainers beim FC Bayern antrat und seinen Stab installierte.

Und auch der langjährige Co-Trainer Hermann Gerland lobte Tapalovic als "Vollprofi auf höchstem Niveau", der große Anteile an den Erfolgen des deutschen Rekordmeisters gehabt habe.

Auch Neuer wird Kompromisse machen müssen

Sollte sich Neuers Abwesenheit in der Rückrunde in irgendeiner Form bemerkbar machen oder sogar einen oder mehrere Titel in Gefahr bringen, könnten die Bayern womöglich doch nochmal auf ihren bisherigen Stammtorhüter setzen. Besonders, wenn der FC Bayern auch Borussia Dortmunds Gregor Kobel nicht verpflichten wird, wie BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl zuletzt bei "Bild TV" klarstellte. Doch damit es tatsächlich noch zu einer Rückkehr kommt, müsste auch auch Neuer Kompromisse machen - unter anderem auch mit einem neuen Torwarttrainer.

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