Er hat nicht einmal 15 Minuten gespielt, und dennoch ist er Sündenbock beim FC Bayern München: Mario Götze bekommt nach der Niederlage im Halbfinale der Champions League beim FC Barcelona sein Fett weg. Doch die harsche Kritik am 22-Jährigen ist extrem überzogen.

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"Es wird Zeit, dass er langsam erwachsen wird" - Franz Beckenbauer holte am vergangenen Mittwoch bei Sky gegen Mario Götze aus. Kurz zuvor war der FC Bayern München beim FC Barcelona in einer bitteren Schlussphase mit 0:3 untergegangen. Und das im Halbfinale der Champions League, dem bis dato wichtigsten Spiel der Saison.

Dass die Bayern darüber enttäuscht sind, ist nachzuvollziehen. Dass ausgerechnet Götze zum Sündenbock gemacht wird, nicht. Der 22-Jährige wurde in Barcelona schließlich erst in der 79. Minute eingewechselt. Danach fielen zwar noch die Gegentreffer zwei und drei - doch an diesen traf Götze keine Schuld. Vielmehr sollten die Leistungen der alternden und immer wieder durch Verletzungen zurückgeworfenen Führungsspieler wie Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm und Xabi Alonso größeren Anlass zur Sorge bieten.

Joachim Löw hält zu Mario Götze

Götze hingegen ist erst 22 Jahre alt. Formschwankungen sollten ihm daher zugestanden werden - auch wenn seine Krise bei den Verletzungen von Franck Ribéry und Arjen Robben zur Unzeit kommt. Götze ist und bleibt ein begnadeter Fußballer. Umso wichtiger ist es, dass die Bayern ihrem Spieler auch in dieser schweren Phase seiner jungen Karriere den Rücken stärken. "Wir dürfen bei allen Diskussionen über Mario nicht vergessen, wie jung er noch ist", sagte DFB-Coach Joachim Löw bereits vor der Partie der Bayern in Barcelona. "Wie gut er ist, haben wir oft genug gesehen", ergänzte Löw. Der Bundestrainer muss es wissen. Schließlich war er es, der den WM-Finaltorschützen beim 1:0-Sieg über Argentinien im Endspiel 2014 eingewechselt hatte.

Dennoch verwundert die Kritik an Götze nicht. Im Sommer 2013 wurde das Mega-Talent für 37 Millionen Euro von Borussia Dortmund verpflichtet. Ein Transfer, mit dem der FC Bayern auch das eigene Ego streichelte und dem BVB damit zeigte, wer die Nummer eins in Deutschland ist. Solch eine enorme Ablöse schürt stets hohe Erwartungen. Ist dann auch noch der FC Bayern München der zahlende Verein, potenziert dies die Erwartungen um ein Vielfaches. Doch nach fast zwei Jahren in München ist Götze immer noch nicht so recht bei den Bayern angekommen. Darüber kann auch die starke Hinrunde, in der Götze sieben Bundesliga- und drei Champions-League-Tore erzielte, nicht hinwegtäuschen.

Ein weiteres Problem: Götze bietet mit seinem Verhalten auf und neben dem Platz eine große Angriffsfläche für seine Kritiker. Der Nationalspieler wirkt oftmals lethargisch, ohne den notwendigen Ehrgeiz. Auch aus diesem Grund schimpfte Beckenbauer bei Sky: "Manchmal kommt er mir in seinen Bewegungen wie ein Jugendspieler vor, der Zweikämpfe verliert und stehen bleibt. Das ist teilweise ein jugendliches Verhalten".

Abseits des Fußballs kommen Götzes zahlreiche Posts und vor allem Selfies in den sozialen Netzwerken nicht bei allen gut an. Götze wirkt teilweise wie ein Teenie, der sein Leben öffentlichkeitswirksam zur Schau stellen möchte.

Mario Götze entschuldigt sich für Unterhaltung mit Marc-André ter Stegen

Des Weiteren war es nicht clever, direkt nach der bitteren Niederlage in Barcelona mit Barca-Torwart Marc-André ter Stegen grinsend zu plaudern. Götze hat sich mittlerweile dafür gerechtfertigt. "Wer jetzt denkt, dass mich die Niederlage nicht interessiert, der ist total auf dem Holzweg. Ich war mindestens genauso enttäuscht, wie jeder von Euch Fans und meinen Kollegen", betonte der Offensivspieler. "Wenn es nicht so rüberkam, dann entschuldige ich mich dafür!". Götze erklärte zudem, dass er "jederzeit alles für den Verein" gebe. Trainer Pep Guardiola sprang seinem Spieler bei einer Pressekonferenz am Freitag zur Seite: "Was ist das Problem?", fragte Guardiola und fügte hinzu: "Ter Stegen ist sein Freund. Wieso darf er sich nicht mit ihm unterhalten? Für mich ist das völlig okay."

Götze, der ter Stegen durch gemeinsame Zeiten in der Junioren-Nationalmannschaft sehr gut kennt, war an diesem Abend nicht der einzige Bayern-Profi, der ein Foto von sich und einem ehemaligen Kollegen postete. Torwart Manuel Neuer sprach nach der Partie mit Barcelonas Ivan Rakitic, mit dem er gemeinsam beim FC Schalke 04 unter Vertrag stand. Einen Shitstorm hatte dieses Foto nicht ausgelöst.

Die Gründe dafür sind simpel: Neuers Leistungen sind momentan weltklasse. Götzes nicht. Das beeinflusst heutzutage, wie sich ein Fußballprofi nach Spielende verhalten darf.

Neuer, offiziell drittbester Fußballer der Welt, sollte aber nicht Götzes Maßstab sein. Weder auf noch neben dem Platz. Götze muss sich mit sich selbst befassen und wieder zu seinen Leistungen finden - seine fußballerischen Fähigkeiten sind über jeden Zweifel erhaben. Ruft er diese ab, werden auch seine Kritiker schnell wieder verstummen.

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