Edin Terzic geht in seine zweite Saison als BVB-Coach. Es dürfte eine richtungsweisende Spielzeit für den großen Hoffnungsträger der Borussia werden: Die Ansprüche sind hoch, das Ziel maximal formuliert.

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Ein bisschen war alles wie an diesem unheilvollen Tag im Mai - und doch war es ganz anders. Edin Terzic wandte sich am vergangenen Sonntag an die BVB-Fans im Signal Iduna Park. Dortmunds Trainer hatte bei der offiziellen Saisoneröffnung und vor dem letzten Testspiel gegen Ajax Amsterdam noch ein paar Dinge loszuwerden.

Die Szenerie erinnerte an jene Minuten nach dem dramatischen Saisonfinale gegen Mainz, als Terzic sich auch vor die Südtribüne stellte. Damals rief die Gelbe Wand seinen Namen, Terzic heulte in den schwersten Momenten seiner immer noch jungen Karriere.

Am Sonntag war es etwas leichter, sich an die Dortmunder Gemeinde zu wenden. Jetzt, mit etlichen Wochen Abstand und neuer Energie, ließ Terzic die Leute im Stadion und da draußen wissen: "Ich möchte es nicht vergessen. Und ich werde es auch nicht vergessen. Ihr habt uns gezeigt, was es bedeutet, Borusse zu sein! Ihr habt bewiesen, für welchen besonderen Verein wir spielen."

So viel sei entstanden in den Stunden und Tagen nach der verlorenen Meisterschaft, eine unglaubliche Energie. "Wir wollen zeigen, dass wir noch lange nicht fertig sind!" Oder anders: Die deutsche Meisterschaft bleibt unser großes Ziel.

Wird die zweite Saison schwieriger?

Da schwang schon wieder eine gute Portion Pathos mit. So wie sich Terzic vor seinem Start in seine erste "echte" Saison als Cheftrainer von Borussia Dortmund auch an die Fans gewandt hatte. In einem flammenden Appell nahm er die Leute damals mit. Zwar nicht im Stadion, sondern in einen beliebigen Medienraum des BVB. Aber die Botschaft kam an. "Hungrig und positiv" sollte der BVB sein. "Und lasst uns so laut sein wie noch nie!"

Mit einem halben Jahr Anlaufzeit hat das letztlich ziemlich gut funktioniert mit Terzic' großer Ambition und dem, was er in seiner Funktion als wichtigster Angestellter des Klubs umsetzen konnte. Vom bitteren Ende einmal abgesehen.

Nun steht der immer noch erst 40-Jährige vor seiner zweiten Saison als Cheftrainer; wenn man einem dieser viel zitierten, aber nie bestätigten Gesetze des Fußballs glauben mag, dann wird diese zweite Saison schwieriger als die erste.

Watzke stellt Terzic heraus

"Wir waren ein Tor vom Meistertitel entfernt. Ab morgen sind wir wieder 34 Spieltage davon entfernt." Das hat Terzic unmittelbar nach dem Tiefschlag am letzten Spieltag der abgelaufenen Saison laut "Sportschau" gesagt. Ein typischer Terzic war das: Konsequent analysiert, rhetorisch sauber und prägnant in ein für jedermann verständliches Bild gepackt.

Der Umgang mit den Medien ist nicht nur eine der Stärken des Trainers, Terzic ist in dieser letzten Saison auch nach und nach in jene überdimensionierte Rolle geschlüpft, die seit Jahren kein anderer Trainer mehr so ausfüllen wollte oder konnte wie er: Edin Terzic ist das Gesicht von Borussia Dortmund.

Mit Authentizität und harter Arbeit kommt man in Dortmund sehr gut an. Dazu kommen in seinem Fall noch eine Vergangenheit - und natürlich die Gegenwart - als BVB-Fan, eine überaus empathische Art im Umgang mit anderen Menschen und eine offenbar ebenso einfühlsame Mannschaftsführung. Besondere Zutaten an einem besonderen Bundesliga-Standort.

"Was Edin hat und was man aber auch nicht lernen kann: Er ist nach Jürgen Klopp wieder der Trainer, der sich mit Haut und Haaren auf diesen Verein einlässt", sagt Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke in einem Interview mit der "Sport-Bild" über seinen Trainer.

"Was in seinem Fall natürlich damit zu tun, dass er schon immer BVB-Fan war. Er ist Borusse durch und durch. Das kann man von anderen Trainern aber auch nicht verlangen, das ist nicht normal im Fußball. Das ist der zentrale Unterschied." Nur wird der alleine auch nicht reichen, die hoch gesteckten Ziele der Borussia in naher Zukunft zu realisieren.

Die Dellen als Ansporn

Nach einer zerfahrenen und holprigen ersten Halbserie mit einem enttäuschenden sechsten Platz im Zwischenklassement ist es Terzic nach der Winterpause gelungen, auch in den anderen Teilbereichen seines Jobs zum Teil große Fortschritte zu erzielen. Die Idee zur Umstellung der Grundordnung reifte im Trainingslager im Winter, sie schien wie das perfekte System für den damaligen Kader.

Im 4-1-4-1 fand Terzic immer wieder kleine Anpassungen für seine Spieler, sodass diese in die für sie am besten passenden Rollen schlüpfen konnten. Das beste Beispiel dafür dürfte die Versetzung Raphael Guerreiros von der linken Abwehrseite in den linken Halbraum im Mittelfeld gewesen sein.

Die kleinen Dellen vor dem großen Crash gegen Mainz, also die Remis gegen die Kellerkinder wie Schalke, Bochum und insbesondere den VfB Stuttgart, sind Mahnmal und Ansporn zugleich auch für den Trainer. Um Perfektion zu erlangen, fehlt dann doch noch ein gutes Stück. Hier wird Terzic gerne das meiste Verbesserungspotenzial nachgesagt.

Spiele wie das gegen den VfB, als Dortmund in Überzahl mehrfach einen Vorsprung noch verspielt hat und Terzic beinahe machtlos an der Seitenlinie tobte, oder der Ausfall fast aller Systeme gegen Mainz mit einer Mannschaft in Schockstarre gehören im besten Fall zum Lernprozess dazu. Im schlechteren Fall hängen sie einem Trainer noch lange nach.

Große Aufgaben abseits des Tagesgeschäfts

Edin Terzic muss für sich selbst nun die nächste Entwicklungsstufe nehmen. Dazu gehören vielleicht auch härtere, klarere Ansagen - so der Trainer die denn für richtig hält. Ob die Spieler künftig wieder selbst entscheiden dürfen, wer einen Elfmeter schießt, kann dazugehören. Die Debatte um Sebastien Hallers verschossenen Strafstoß gegen Mainz beim Stand von 0:1 aus Dortmunder Sicht hing dem BVB schließlich lange nach.

Und Terzic muss nun neben dem Tagesgeschäft mit Siegen am Fließband einen reibungslosen Umbau der Mannschaft vollziehen, sowohl personell als auch in ihrer Struktur. Mit den sich abzeichnenden Abgängen der Führungsfiguren von Mats Hummels und Marco Reus baut sich im Hintergrund schon eine neue Hierarchie auf, mit neuen Repräsentanten des Klubs.

Solche, die an seine Seite treten und ihn unterstützen, vielleicht auch ein wenig den Druck von ihm nehmen. Den wird sich Dortmunds Trainer ohnehin schon genug selbst auferlegen. Es gilt, einen schweren Tiefschlag in positive Energie umzuwandeln. Und nicht weniger als die deutsche Meisterschaft wieder nach Dortmund zu holen.

Verwendete Quellen:

  • derwesten.de: Borussia Dortmund: Terzic mit emotionalen Worten – bei den BVB-Fans fließen die Tränen
  • bvb.de: "Lasst uns so laut sein wie noch nie!" – Edin Terzic ist neuer BVB-Cheftrainer
  • sportbild.de: Bittere Bayern-Prognose von BVB-Boss Watzke
  • sportschau.de: BVB-Trainer Terzic - "Werden wieder aufstehen"
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