• Nach den immer lauter werdenden Beschwerden der Fahrer schreitet der Weltverband ein und gibt Maßnahmen gegen das Bouncing der Autos vor.
  • Bereits beim neunten Saisonrennen in Kanada müssen die Teams reagieren.
  • Die große Frage: Was hat das für sportliche Folgen?

Mehr Formel-1-Themen finden Sie hier

Das Flehen der Fahrer wurde erhört: Der Automobil-Weltverband FIA nimmt die Teams in die Pflicht, etwas gegen das Bouncing, also das Hoppeln der Autos, zu unternehmen. Und das schon beim neunten Saisonrennen an diesem Wochenende in Kanada. Bedeutet: An den Autos müssen die Einstellungen verändert werden, "um dieses Phänomen zu verringern oder zu eliminieren", heißt es in der Mitteilung.

Konkret werden Unterboden und Schleifblöcke genauer untersucht, sowohl in Bezug auf ihr Design als auch auf ihren Verschleiß. "Wir werden ferner eine Obergrenze für Vertikal-Schwingungen definieren. Die genaue mathematische Formel für dieses Maß wird von der FIA noch analysiert und die Formel-1-Teams wurden aufgefordert, zu diesem Prozess beizutragen", so der Weltverband weiter.

Die Weisung soll zunächst eine kurzfristige Lösung sein. In einem Meeting mit den Teams sollen Mittel und Wege gefunden werden, um das Hüpf-Phänomen mittelfristig ganz zu beseitigen, schließlich fährt die Formel 1 bis 2026 mit den aktuellen Autos. In Kanada wird den Teams vor dem dritten Training ein Grenzwert für die Schwingungen mitgeteilt, den sie in Qualifying und Rennen einhalten müssen. Montreal dient allerdings zunächst vor allem als Analyse, Strafen sollen bei Verstößen noch keine ausgesprochen werden. Die FIA kündigte aber an, in Zukunft hart durchgreifen zu wollen.

Rücksprache mit den Ärzten

Die Entscheidung wurde nach Rücksprache mit Ärzten getroffen. "In einem Sport, der bei Tempo 300 stattfindet, muss sich ein Pilot ganz auf seine Aufgabe konzentrieren können, ohne durch unverhältnismäßige Ermüdung oder sogar durch Schmerzen abgelenkt zu werden. Diese führen unweigerlich zu markanter Verringerung der Konzentrationsfähigkeit", teilte die FIA weiter mit, die sich zudem besorgt zeigt wegen der "Langzeitfolgen solcher Belastungen, wobei einige Piloten schon heute erhebliche Rückenschmerzen beklagen."

Das Bouncing ist entstanden, nachdem in dieser Saison die neuen Autos eingeführt wurden. Bei hoher Geschwindigkeit werden die Boliden auf den Geraden auf den Boden gepresst, bis diese kurz den Asphalt berühren und so wieder hochgedrückt werden. Die Fahrer werden dabei immer wieder durchgerüttelt. Vor allem zuletzt in Baku hatten sich die Piloten über das massive Springen der Autos auf den Geraden beschwert und über heftige Schmerzen als Folge. Der siebenmalige Weltmeister Lewis Hamilton musste beim Aussteigen aus seinem Mercedes gestützt werden.

"Unsere Messungen haben ergeben, dass die Fahrer mit dem sechsfachen ihres Körpergewichts belastet werden, diese vertikale Belastung kann nicht von den Muskeln verkraftet werden, das geht direkt auf die Knochen", erklärte Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Nacken und Wirbelsäule werden am schlimmsten in Mitleidenschaft gezogen.

Schumacher nach der Entscheidung erleichtert

Mick Schumacher ist deshalb erleichtert: "Das Schlimme ist: Dein Körper hat keine Zeit mehr, sich zu erholen. Noch 2021 konnte man sagen: Okay, wir haben hohe Belastungen in den Kurven, aber auf den Geraden kannst du dann durchatmen. Das geht jetzt nicht mehr, wegen des Bouncings", so der Haas-Pilot. "Das ist so schlimm, dass du von den Gurten an der Schulter und am Becken Spuren am Körper hast, weil du so im Auto herumgeworfen wirst."

Auch Pierre Gasly (AlphaTauri) freut sich, dass die FIA auf die Sorgen der Fahrer reagiert hat. "Am Ende sind wir es, die im Auto sitzen und mit den Schmerzen und der Steifheit unseres Rückens klarkommen müssen. Wir Fahrer haben besprochen, dass wir die Interessen einzelner Teams oder Autos ausklammern, weil das Bouncing einfach zu schlimm war", so Gasly. "Wenn man das Auto einmal selbst gefahren ist, hat man einen ganz anderen Blick darauf."

Vorteil Red Bull Racing?

Die große Frage, die sich in der Formel 1 automatisch stellt: Welche Auswirkungen hat die technische Weisung auf die Performance? Red-Bull-Racing-Teamchef Christian Horner vermutete im Vorfeld hinter den Beschwerden von Mercedes Taktikspielchen und einen Nachteil für diejenigen Teams, die gute Arbeit geleistet haben und von einer Änderung bestraft würden. Klar ist, dass es hitzige Diskussionen geben wird, denn die Änderungen wurden nicht einstimmig beschlossen, die FIA kann bei sicherheitsrelevanten Themen eingreifen, was sie jetzt getan hat.

Die neuen Vorgaben könnten jedoch auch ein Vorteil für Red Bull sein, denn Weltmeister Max Verstappen und Sergio Perez haben deutlich weniger mit dem Bouncing zu kämpfen als zum Beispiel Ferrari und Mercedes. Die wiederum müssten möglicherweise die Bodenfreiheit ihrer Autos erhöhen, um die von der FIA festgelegten Werte zu erreichen, was zu einem Leistungsverlust führen würde.

"Ich denke, wir sprechen über Dinge, die geändert werden könnten, die einen sehr, sehr kleinen Teil der Leistung aller Autos beeinflussen würden", sagte Gasly. Technische Änderungen während der laufenden Saison seien immer heikel, so Haas-Teamchef Günther Steiner: "Wenn du so etwas machst, dann hat es unweigerlich Auswirkungen auf das Kräfteverhältnis. Da stellt sich dann die Frage – ist das fair?" Das muss sich noch zeigen. Fest steht: Das Thema wird die Formel 1 noch eine Weile begleiten.

Verwendete Quellen:

  • FIA-Pressemitteilung
  • Pressekonferenzen
Interessiert Sie, wie unsere Redaktion arbeitet? In unserer Rubrik "So arbeitet die Redaktion" finden Sie unter anderem Informationen dazu, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte kommen. Unsere Berichterstattung findet in Übereinstimmung mit der Journalism Trust Initiative statt.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.