• George Russell ist in dieser Saison weiterhin erfolgreicher als sein Mercedes-Teamkollege Lewis Hamilton.
  • Für Ralf Schumacher ist Hamilton deshalb "der große Verlierer der Saison".
  • Wo liegen die Gründe für die Unterschiede zwischen dem Youngster und dem Routinier?

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Zahlen lügen nur selten. In der Formel 1 sprechen sie eine sehr deutliche Sprache. Deshalb ist die Sache auf den ersten Blick eigentlich klar: George Russell dominiert Lewis Hamilton, und das fast nach Belieben. Nach den bislang acht Rennen steht es 7:1 für den Neuen bei Mercedes, im Qualifying, wo es auf eine schnelle Runde ankommt, ist es mit 5:3 ein wenig enger. In Punkten liegt Russell mit 99:62 vorne. Für Hamilton ist das eine ganze neue Erfahrung. Nach einem Drittel der Saison inzwischen auch eine, die für einige immer stärker in Richtung Wachablösung deutet.

"Lewis Hamilton ist bis jetzt der große Verlierer der Saison", schrieb Sky-Experte Ralf Schumacher in seiner Kolumne. Und wurde deutlich: "‘Der 'größte Fahrer aller Zeiten', wie ihn Mercedes-Teamchef Toto Wolff immer so schön nennt, wird von einem Neuzugang in einer Art und Weise gebügelt, die schon besorgniserregend ist."

Mercedes noch langsamer als Red Bull und Ferrari

Er sei erstaunt, so Schumacher weiter, denn es gebe ja nur zwei Möglichkeiten: "Entweder ist Russell der neue Überflieger oder Hamilton hatte in den vergangenen Jahren ein so starkes Auto, das vieles wettgemacht hat". Ein siebenmaliger Weltmeister, der also ein wenig überbewertet ist? Eigentlich schwer vorstellbar, schließlich sprechen die Zahlen in der Formel 1 ja eine sehr deutliche Sprache.

"Er verdient alles, was er in der Vergangenheit erreicht hat", sagt zum Beispiel Routinier Fernando Alonso, "aber dieses Jahr ist eine gute Erinnerung daran, dass bei all diesen Rekorden und Zahlen ein großer Teil davon abhängt, welches technische Paket einem zur Verfügung steht." Und das Paket bei Mercedes ist trotz des Hoffnungsschimmers zuletzt in Barcelona immer noch langsamer als das von Red Bull Racing und Ferrari.

Was erklärt, warum Hamilton im Titelkampf aktuell nichts zu melden hat, aber nicht, warum er teamintern gegen Russell gerade etwas alt aussieht. Deshalb lohnt ein zweiter Blick. "Der Vorteil von Russell ist: Er ist drei Jahre lang mit einem Scheiß-Auto gefahren, mit dem Williams", betont der frühere Formel-1-Fahrer Marc Surer bei Sport1. "Mit diesem Auto hat er gelernt, auch mit Kompromissen umzugehen. Lewis Hamilton ist verwöhnt, er ist immer ein perfektes Auto gefahren."

Operation am offenen Herzen

Hinzu kommt, dass Mercedes eine Art Operation am offenen Herzen durchführt. Sprich: Aufgrund fehlender Testtage müssen die Silberpfeile an den Rennwochenenden tüfteln, ausprobieren, experimentieren, um den Rückstand zur Konkurrenz aufzuholen.

"Unser Auto ist auf Messers Schneide. Wir müssen diese Experimente durchführen, um zu lernen, wie wir das Auto hinkriegen", erklärte Teamchef Toto Wolff. Mercedes versucht, das große Ganze zu verstehen und vernachlässigt dafür ein wenig die Weiterentwicklung, die aktuelle Performance. Mit dem Ziel, in der zweiten Saisonhälfte aus eigener Kraft Rennen gewinnen zu können.

Doch wenn dann bei den "Tests" etwas nicht hinhaut, können an einem Rennwochenende auch schnell ein paar Zehntelsekunden fehlen. "Und in den letzten paar Rennen sind diese Experimente bei Lewis öfter schiefgelaufen als bei George", so Wolff. Man verstehe, wo das Problem liege, und man verstehe, was man dagegen tun müsse, so Wolff.

Eine Erkenntnis: In Barcelona waren Mercedes und speziell Hamilton mit seiner Aufholjagd so stark, weil der Asphalt deutlich glatter war und das Bouncing nicht so schlimm auftrat wie zuletzt wieder in Monaco und Baku. In Aserbaidschan war es bei Hamilton so heftig, dass sich der 37-Jährige nach dem Rennen aus dem Auto quälte. Für die Kritiker war es ein gefundenes Fressen, ein Bild mit Symbolkraft: Während der junge, aufstrebende Teamkollege auf dem Podium seinen dritten Platz feierte, hatte der 13 Jahre ältere Hamilton Rücken und musste beim Aussteigen gestützt werden.

Wolff: Duell ist noch ausgeglichen

Unfair, natürlich, denn Hamiltons Auto sprang in Baku deutlich mehr als das von Russell, außerdem war der Routinier als Vierter unmittelbar hinter seinem Stallrivalen. Für Wolff ist das Duell sowieso noch ausgeglichen, "und ich bin sehr nahe an den beiden dran. Manchmal ist der eine schneller, in der nächsten Session dann wieder der andere", so Wolff.

Surer glaubt, dass Hamiltons Zeit noch kommen wird. "In dem Moment, wo der Mercedes wieder siegfähig ist, kommt die Klasse von Lewis Hamilton zurück", so der Schweizer. "Er ist einer, der ein perfektes Auto noch perfekter machen kann. Im Moment ist das Auto nicht perfekt."

Alonso glaubt sogar, dass Hamilton das Duell mit Russell am Ende für sich entscheiden wird: "Sobald die Dinge kniffliger werden oder sich schwierige Situationen ergeben, hat Lewis mehr Erfahrung und vielleicht mehr Talent, um davon zu profitieren". So oder so: Am Saisonende wird abgerechnet. Und dann sprechen die Zahlen in jedem Fall eine deutliche Sprache.

Verwendete Quellen:

  • Pressekonferenzen
  • AvD Motor und Sport Magazin Sport1
  • Sky Sport: Kolumne Schumacher: Schumacher über Bouncing: "Man könnte die Sache lösen..."


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