Lewis Hamilton hat in der Türkei mit einem Sieg standesgemäß seinen siebten WM-Titel eingefahren. Dabei hat der Engländer auch von der Vorarbeit profitiert, die Michael Schumacher einst geleistet hat.

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Nach gut 20 Runden weist Lewis Hamilton beim Großen Preis der Türkei bereits ein deutliches Polster auf Teamkollege Valtteri Bottas auf, der als einziger den vorzeitigen siebten WM-Titel von Hamilton hätte verhindern können.

Der Engländer hätte sich im weiteren Rennverlauf - im übertragenen Sinne - zurücklehnen und dem Treiben um sich herum einfach zuschauen können. Doch so tickt Lewis Hamilton nicht.

Stattdessen macht er Position um Position gut und profitiert am Ende von seinem herausragenden Reifenmanagement, das ihm erlaubt, seine in Runde acht aufgezogenen Pneus bis zum Rennende zu fahren.

Natürlich profitiert Hamilton auch davon, dass der prognostizierte Starkregen für die Schlussrunde doch nicht niederprasselt. Aber am Ende fährt Hamilton seinen 94. Sieg ein und untermauerte damit seinen siebten Weltmeistertitel noch einmal auf besondere Art und Weise.

Vettel zollt Hamilton Respekt: "Extrem gut gefahren"

"Ich war mir recht sicher, dass Lewis auf den Reifen nicht draußenbleiben kann, aber er hat es geschafft. Er ist einfach extrem gut gefahren", erkennt auch der drittplatzierte Sebastian Vettel die besondere Leistung Hamiltons an.

Der Deutsche ist auch der erste Gratulant, nachdem die Autos von der Auslaufrunde zurück in die Boxengasse rollen. Zuvor wurde Hamilton am Boxenfunk bereits von Emotionen übermannt.

Nachdem er Michael Schumacher in allen statistisch relevanten Kategorien bereits überholt hatte, zieht Hamilton in der Türkei nun auch bei der Anzahl der WM-Titel mit dem Rekordweltmeister gleich. Diese Marke schien lange Zeit unerreichbar - auch wenn Schumacher stets betonte, dass Rekorde dafür da seien, um gebrochen zu werden.

Dass dies Hamilton eines Tages gelingen könnte, zeichnete sich bei seinem Einstieg in die Formel 1 im Jahr 2007 noch nicht direkt ab: Zwar erhielt Hamilton, der vom mächtigen McLaren-Teamchef Ron Dennis im Alter von zehn Jahren entdeckt wurde, gleich ein Cockpit bei Topteam McLaren, duellierte sich dort aber mit Doppelweltmeister Fernando Alonso.

Dramatischer erster WM-Titel 2008

Überraschend deutlich verwies Hamilton in seiner Debütsaison den Spanier gleich einmal auf den zweiten Platz im teaminternen Duell. Sogar der WM-Titel war drin, doch ein Boxenstopp-Patzer in China war mitentscheidend dafür, dass Kimi Räikkönen stattdessen den Titel holte. Im Folgejahr schaffte Hamilton, nun mit Heikki Kovalainen an seiner Seite die klare Nummer eins im Team, seinen ersten WM-Titel.

Dabei war die Entscheidung 2008 eine der spektakulärsten Sportmomente überhaupt. Erst in der letzten Runde beim Abschlussrennen in Brasilien gelang dem McLaren-Piloten das entscheidende Überholmanöver, das ihn zum Titelträger machte.

Wer danach einen Lauf von Hamilton erwartet hatte, wurde enttäuscht. Vier Jahre lang schwächelte McLaren und ließ damit auch einem der größten Motorsport-Talente keine Chance, im Titelkampf mitzumischen.

In der Zwischenzeit kehrte aber Mercedes zurück in die Formel 1 und übernahm das Überraschungsteam "Brawn GP", das 2009 mit Jenson Button sensationell Weltmeister wurde.

Schumacher hilft Mercedes bei Aufbau

Die große Hoffnung des schwäbischen Automobilherstellers: Mit den deutschen Piloten Nico Rosberg und Ruhestands-Rückkehrer Michael Schumacher sollte direkt an die glanzvolle Zeit der "Silberpfeile" angeknüpft werden.

Dieses Ziel wurde jedoch nicht auf Anhieb erreicht, aber vor allem Schumacher war es, der mit seiner Erfahrung und Akribie das Team in der Entwicklung des Boliden deutlich voranbrachte.

"Michael hat zur Organisation und Struktur beigetragen, die zum Erfolg von Mercedes führten", benannte Ross Brawn, der den Deutschen bei all seinen sieben WM-Titeln begleitet hatte, im Jahr 2016 Schumachers Verdienste. Er hat maßgeblich zur Schaffung der Systeme, die zum Erfolg führen, beigetragen", sagte Brawn weiter.

2012 beendete Schumacher aber endgültig seine Karriere und Mercedes holte Hamilton als Nachfolger der Formel-1-Legende ins Team. Mit dem jungen Engländer und Rosberg fuhren nun zwei gleichaltrige Jugendfreunde für ein- und dasselbe Team. Mussten sie sich 2013 noch Vettel und Aerodynamikwunder "Red Bull" geschlagen geben, profitierten sie ab dem darauffolgenden Jahr von der Regeländerung hin zu einem Hybridmotor.

Nur Rosberg durchbricht Hamiltons Titel-Lauf

Hamilton triumphierte 2014 und 2015, während Rosberg 2016, in einem zum "Psycho-Duell" geratenen Fight mit Hamilton den Titel holte und anschließend seine Karriere beendete. Damit war die Bahn endgültig frei für Hamilton, der seither alle WM-Titel in der Formel 1 gewonnen hatte.

Hamilton profitierte natürlich von einem perfekt funktionierenden Team mit Toto Wolff an der Spitze und seinen herausragenden fahrerischen Qualitäten, gepaart mit einem enormen strategischen Geschick, das er nun in der Türkei einmal mehr unter Beweis gestellt hat.

Doch den Ursprung dieses unglaublichen Erfolges hat auch Hamilton nicht vergessen. "Ganz klar, Michael ist ein siebenmaliger Weltmeister, er war hier eine absolute Führungsfigur bei Mercedes während seiner Zeit mit dem Team", schwärmte Hamilton vor zwei Jahren von Schumacher

Gemeinsam mit Leuten wie Ross Brawn und Norbert Haug, dem ehemaligen Mercedes-Motorsportchef, sei er Teil eines Teams gewesen, welches das Fundament gelegt habe "für den Erfolg, den wir heute genießen dürfen".

Ein Erfolg, der sogar die brutale Dominanz von Schumacher und Ferrari zu Beginn der 2000er-Jahre noch in den Schatten stellt.

Hamilton engagiert sich auch außerhalb der Rennstrecke

So gibt es in diesem Augenblick nur wenig Argumente dagegen, dass Hamilton auch im kommenden Jahr - sollte es zu einer Einigung mit Mercedes kommen - den Weltmeistertitel einfahren kann.

Das Reglement bleibt, coronabedingt, das gleiche, Teamkollege Bottas ist über eine komplette Saison hinweg keine Gefahr und die teamexternen Konkurrenten wie Max Verstappen sitzen in deutlich unterlegenen Autos.

Daher verwundert es auch nicht, dass Hamilton in der Vergangenheit immer wieder und seit dieser Saison verstärkt seine Popularität nutzt, um seine Stimme gegen Rassismus und Ungleicheit in der Gesellschaft zu erheben. Immer wieder forderte er eine Stellungnahme von der Formel 1 zu den "Black Lives Matter"-Protesten in den USA und nahm auch seine Fahrerkollegen in die Pflicht, sich für das Thema mehr zu engagieren.

Außerdem wolle er in Zukunft als Beispiel dafür dienen, dass junge Talente, unabhängig von ihrer Herkunft oder Hautfarbe, eine Chance im Motorsport erhalten sollen, erklärte Hamilton in den sozialen Medien nach seinem siebten WM-Titel.

Nein, Zurücklehnen und Ausruhen ist wahrlich nicht Hamiltons Stärke.

Verwendete Quellen:

  • TV-Übertragung Sky Großer Preis der Türkei am 15.11.2020
  • Dw.com: Lewis Hamilton – Rekordjäger im Schongang
  • Focus.de: Lewis Hamilton: Welchen Anteil die Führungsfigur Schumacher an meinem Erfolg hat
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