Die ÖVP ist bei den Nationalratswahlen 2019 als klare Siegerin hervorgegangen. Die Konservativen erreichten mehr als 37 Prozent der Wählerstimmen – ein Ergebnis, von dem die Union hierzulande derzeit nur träumen kann. Was können die Konservativen in Deutschland von ihren österreichischen Verwandten unter Sebastian Kurz lernen?

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Sebastian Kurz hat mit seiner ÖVP bei den Nationalratswahlen 2019 ein Rekordergebnis erzielt: Laut den letzten Hochrechnungen inklusive Wahlkartenprognose gaben 37,1 Prozent der österreichischen Wähler der konservativen Partei ihre Stimme – ein Plus von 5,6 Punkten.

Die jüngsten Skandale – angefangen bei der "Ibiza-Affäre", die die Neuwahlen überhaupt erst ausgelöst hatte – haben dem jungen Altkanzler nicht geschadet. Eher im Gegenteil.

Die Union kann da nur neidisch über die Grenze nach Österreich blicken. Seit Monaten befinden sich die deutschen Konservativen im Sinkflug: Bei der Bundestagswahl 2013 erreichte die CDU/CSU 41,5 Prozent der Stimmen, vier Jahre später waren es nur noch 32,9 Prozent.

An diesem Trend konnte auch Annegret Kramp-Karrenbauer nichts ändern, die seit Dezember 2018 an der Spitze der Christdemokraten steht. In aktuellen Umfragen liegt die Union bei lediglich 27 Prozent.

Ganz anders die Entwicklung in Österreich: Seit Sebastian Kurz 2017 die Führung der Partei übernahm, geht es mit den Konservativen in Österreich bergauf.

Was kann sich die CDU von Kurz' ÖVP abschauen?

Generell habe Kurz die Partei weniger verändert, als gemeinhin geglaubt wird, erläutert Politikwissenschaftler Prof. Dr. Peter Filzmaier unserer Redaktion. Vor allem habe Kurz das Image der ÖVP nach außen verändert.

"Es gelang ihm, der sehr alten und traditionellen Partei ÖVP das Image einer neuen Bewegung zu geben, wobei das hauptsächlich auf ihm als Person, einem jungen Team und Quereinsteigern in Ministerämtern bis Juni beruhte", sagt Filzmaier.

Da Letztgenannte nicht aus der Politik stammten, hätten sie auch keine Verpflichtungen gegenüber ÖVP-Landesgruppen und Teilorganisationen, etwa dem Österreichischen Wirtschafts- oder Bauernbund, "was Kurz' Macht ja geschwächt hätte".

Neuer Name, neue Farbe – und hocheffektive Kommunikation

Unterstrichen wird das modernisierte Image von einer neuen Parteifarbe (Türkis statt Schwarz), einem neuen Parteinamen (Neue Volkspartei) und neuen Kommunikationsformen.

"Kurz war der erste Parteichef, der nicht nur die Kommunikation extrem professionalisiert hat, sondern um viel Geld eine hocheffektive Social-Media-Kommunikation betreibt", erläutert Filzmaier.

Dass soziale Netzwerke wichtig sind für die Außendarstellung der Partei, hat auch die Union begriffen. Laut einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Europawahl 2019 gab etwa die CDU auf Bundesebene von allen Parteien am meisten für Werbung auf Facebook und Instagram aus (300.921 Euro, zusammen mit der CSU sogar 361.739 Euro).

Doch mehr Geld heißt nicht automatisch mehr Erfolg, wie ein Vergleich mit der AfD zeigt. Die Rechtspopulisten gaben im Vergleich deutlich weniger für Werbung auf Social-Media-Kanälen aus (21.035 Euro) und erzielten, zusammen mit Die Partei, dennoch die größte Reichweite und die meisten Interaktionen.

Was macht die ÖVP anders? Die österreichische Volkspartei setzt bei ihrer Social-Media-Strategie fast ausschließlich auf Instagram; auf Facebook etwa fand bei der Europawahl 2019 nahezu kein Wahlkampf statt. Außerdem liegt der Fokus klar auf den Kanälen von Parteichef Sebastian Kurz – selbst bei der Europawahl, bei der der 33 Jahre junge Altkanzler gar nicht selbst zur Wahl stand.

Kurz und die neue ÖVP: Mehr Handlungsspielraum durch Zusatzkompetenzen

Was Politologe Filzmaier der deutschen Union neben einem neuen Image und einer effektiveren Kommunikation außerdem empfiehlt: "Sebastian Kurz erhielt als Bundesparteivorsitzender einige Zusatzkompetenzen gegenüber den Länderorganisationen, was sicherlich auch für die CDU interessant ist, weil sich hier oft Konflikte zwischen CDU-Ministerpräsidenten und der Bundesparteispitze ereignen."

Kurz habe diese Maßnahme mehr Handlungsspielraum verschafft, etwa bei der Auswahl der Kandidaten für den Wahlkampf. Überschätzen sollte man das aber nicht: "Im Bundesparteivorstand könnten die Teilorganisationen ihm diese Kompetenzen ja auch wieder wegnehmen."

Prof. Dr. Peter Filzmaier ist Professor für Demokratiestudien und Politikforschung an der Donau-Universität Krems. Er analysiert zudem regelmäßig politische Entwicklungen für den ORF.

Verwendete Quellen:

  • Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung: "Wie funktioniert Social-Media-Wahlkampf?"
  • Schriftliches Interview mit Politologe Prof. Dr. Peter Filzmaier
  • Material von dpa

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