• Mann und Frau, Ost und West, Reformflügel und eher Linksaußen – das Spitzenduo der Linkspartei aus Janine Wissler und Dietmar Bartsch soll die breite der Partei ansprechen.
  • Während die 39-Jährige Wissler erst seit diesem Jahr Parteivorsitzende ist und radikale Reformen fordert, bringt der 63-jährige Bartsch politische Routine mit und gilt als moderater Reformer.
  • Was muss man über das Duo wissen muss.

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Der Einzug in den Bundestag ist für die Linkspartei im diesjährigen Wahljahr keine ausgemachte Sache. Umfrageinstitute sehen die Linken derzeit bei sechs bis acht Prozent – bei der letzten Bundestagswahl holte sie noch 9,2 Prozent. Das Spitzenduo aus Janine Wissler und Dietmar Bartsch soll es nun richten und Generationen verbinden.

Wer sind die beiden genau, wofür stehen sie?

Diemtar Bartsch: Routine und Erfahrung

Er war Bundesschatzmeister und Wahlkampfleiter der PDS, Oppositionsführer der Linken und ist jahrelanger Bundestagsabgeordneter sowie Co-Vorsitzender der Linksfraktion: Der 63-jährige Dietmar Bartsch steht im Spitzenduo für Routine und Erfahrung.

Zugegeben: In der Reihe der populärsten Linkspolitiker muss sich Bartsch wohl hinter Größen wie Lafontaine, Gysi und Wagenknecht anstellen, dennoch könnte es ihm gelingen, die Linken aus ihrem Umfrage-Tief zu holen: Denn Bartsch, geboren in Stralsund und studierter Wirtschaftswissenschaftler, gilt als der moderate Reformer innerhalb der Linken und zeigt sich offen für ein grün-rot-rotes Bündnis.

Mehrere Krisen überstanden

Bartsch leistete Grundwehrdienst im Fallschirmjägerbataillon der Nationalen Volksarmee und arbeitete für das Zentralorgan junge Welt der kommunistischen Jugend FDJ. Er promovierte an der Russischen Akademie für Gesellschaftswissenschaften – zugehörig zum Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und war Geschäftsführer bei der linken Tageszeitung "Neues Deutschland".

Gekriselt hat es in seiner politischen Karriere bereits mehrmals: Als die PDS mit ihm als Wahlkampfleiter an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte, als Gregor Gysi ihn öffentlich der Illoyalität gegenüber Oskar Lafontaine bezichtigte oder als er 2012 die Kampfkandidatur um den Parteivorsitz gegen Bernd Riexinger verlor.

Moderat und pragmatisch

Aber der Pragmatiker Bartsch bewies langen Atem, ist inzwischen ein erfahrener Parteistratege der gezeigt hat, dass er mit den unterschiedlichsten Personen in der Linkspartei zusammenarbeiten kann – zuletzt im Fraktionsvorsitz mit Sahra Wagenknecht und Amira Mohamed Ali.

Er versteht die Linkspartei als "Anwältin der wahren Leistungsträger", will sich stark machen für Krankenschwestern, Paketboten und Kassiererinnen. Sein Kurs in der Linkspartei: Nicht ideologisch und radikal, sondern moderat und pragmatisch. Anders sieht es bei seiner Partnerin Wissler aus.

Janine Wissler: schneller Aufstieg

Die 39-Jährge Hessin ist seit 2021 gemeinsam mit Susanne Henning-Wellsow Parteivorsitzende. Trotz ihrer vergleichsweisen jungen Jahre bringt auch Wissler einiges an politischer Erfahrung mit: Sie sitzt seit 2008 im hessischen Landtag, ist seit 2009 dort Fraktionsvorsitzende und Sprecherin unter anderem für Energiepolitik, Verkehrspolitik und Wirtschaftspolitik. In der Vergangenheit kandidierte sie bereits zwei Mal bei den Oberbürgermeisterwahlen in Frankfurt, wo sie auch Vorsitzende des Kreisverbandes ist.

Die Tochter eines Baumarkt-Verkaufsleiters und einer Versicherungsangestellten studierte Politikwissenschaften in Frankfurt am Main und gründete 2004 aus Protest gegen die Agenda 2010 die hessische WASG mit. 2007 schloss sich die WASG gemeinsam mit der PDS zur heutigen Linkspartei zusammen. Wisslers politischer Aufstieg ging dann schnell: Sie wurde Mitglied im Bundesvorstand und im hessischen Landesvorstand.

Umstritten in der Partei

Auch wenn sie auf dem Parteitag 81,4 Prozent der Stimmen bekam, unumstritten ist sie in der Linkspartei nicht: Denn bis zu ihrer Bewerbung für den Parteivorsitz zählte Wissler zum Unterstützerkreis des trotzkistischen Netzwerks "Marx21" und war Mitglied bei der sozialistischen Linken – beides Gruppierungen am linken Rand der Partei, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

Auch wenn Wissler ihre Mitgliedschaften offiziell beendet hat, sie hält nicht hinter dem Berg damit, dass sie nicht viel vom Parlamentarismus hält. Kapitalismus gilt ihr als "unmenschliches, grausames System", das Ziel einer klassenlosen Gesellschaft ist aus Wisslers Sicht "nicht über Parlamente oder Regierungen zu erreichen" – sondern durch Revolutionen.

Beim Kongress "Marx is Muss" sagte Wissler entsprechend: "Wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, dass wir die Gesellschaft aus den Angeln heben können über Anträge und Reden im Parlament."

"Vergleichsweise konstruktiv"

Zu ihren politischen Forderungen zählen neben einem Nato-Austritt, der Auflösung des Verfassungsschutzes und dem Stopp von Rüstungsexporten auch eine Vermögensabgabe, die Verstaatlichung von Krankenhäusern und Immobilienkonzernen sowie die Überwindung von Hartz-IV.

Trotz alledem gilt die Hessin bei anderen Landtagsfraktionen als "vergleichsweise konstruktiv", außerdem als charmant und zuverlässig. Wissler ist gut vernetzt und zählt zu den besten Rednerinnen im Parlament, ist Mitglied der globalisierungskritischen NGO "Attac" und der Gewerkschaft Verdi. Im Zusammenhang mit dem hessischen Polizeiskandal war Wissler von rechtsextremistischen Morddrohungen betroffen.

Kann das Duo harmonieren?

Kann das Duo aus Wissler und Bartsch harmonieren? Zumindest Bartsch hat seine Kooperationsfähigkeit mit ungleichen Partnern bereits unter Beweis gestellt – denn auch dem Doppel mit Sahra Wagenknecht wurden nur geringe Erfolgsaussichten bescheinigt. Das Bündnis funktionierte besser als gedacht. Wie es mit Wissler ausgehen wird, muss sich nun zeigen.

An ihrer Bühnen-Performance müssen die beiden Linkspolitiker definitiv noch arbeiten: Bei einem gemeinsamen Presseauftritt verließen Bartsch und Wissler ohne sich umzudrehen die Bühne in entgegengesetzten Richtungen – sie nach rechts, er nach links. Den kosmetischen Fehler nicht zum Sinnbild werden zu lassen, hat das Duo nun selbst in der Hand.

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