• Laut einer exklusiven Umfrage für unsere Redaktion wünschen sich nur 38 Prozent der Deutschen, dass die Linke wieder in den Bundestag einzieht.
  • Hohe Zustimmungswerte erhält die Partei aber bei jungen Menschen und Studierenden.
  • Die Linke hofft nach der Wahl auf eine Regierungsbeteiligung an der Seite von SPD und Grünen.
Eine Analyse

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Ein bisschen ist es wie auf dem Kinderspielplatz: Grünen-Mädchen Annalena und SPD-Junge Olaf spielen zunehmend fröhlich im Sandkasten, keiner tut dem anderen weh, die Sonne scheint. Etwas abseits stehen die Linke-Zwillinge Janine und Dietmar. Sie haben sich jahrelang nur mit sich selbst beschäftigt, würden nun aber allzu gern mit Annalena und Olaf spielen. Dass sie sich für die viel besseren Spielgefährten halten als den FDP-Jungen Christian, interessiert Annalena und Olaf allerdings wenig bis gar nicht.

Nun ist der Bundestag freilich kein Sandkasten, aber bestimmte Gesetze gelten trotzdem für beide. Wer jahrelang als Querulant auftritt und nur über andere meckert, dann aber ganz plötzlich um die Ecke kommt, weil bald eine wichtige Geburtstagsparty respektive Bundestagswahl ansteht, der hat es schwer. Die Linke bekommt das gerade zu spüren.

So sehr sie SPD und Grünen auch Avancen für ein gemeinsames Bündnis nach der Wahl macht - selbst in den linken Flügeln der beiden Parteien bleibt die Reaktion kühl. "Weniger Parteien in einer Regierung sind besser als viele", sagte der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, bei einem Wahlkampfauftritt. Er werbe dafür, "mit der SPD zusammen Regierungsverantwortung" zu übernehmen.

Doch nicht nur seitens der potenziellen Koalitionspartner bläst der Linke der Wind ins Gesicht. Dass die Partei überhaupt wieder in den Bundestag einzieht, ist bei Umfragewerten um die sechs Prozent längst keine ausgemachte Sache. Noch problematischer für die Spitzenkandidaten Janine Wissler und Dietmar Bartsch sind die Ergebnisse einer repräsentativen Exklusiv-Umfrage der Meinungsforscher von Civey für unsere Redaktion.

"Wünschen Sie sich, dass die Linke bei der Bundestagswahl über die Fünf-Prozent-Hürde kommt?", hat Civey 5.004 Menschen gefragt. Das Ergebnis: 55 Prozent der Befragten würden die Partei nicht vermissen, nur 38 Prozent hoffen auf den Wiedereinzug in den Bundestag.

Erst am Montag hatte die Linke ein "Sofortprogramm" präsentiert, in dem sie ihre Kernforderungen für die kommende Legislatur zusammengetragen hat. "Es gibt in diesem Land eine Mehrheit, die Ungleichheit und Armut nicht länger hinnehmen will", heißt es dort etwa. Man könne nicht noch einmal vier Jahre so weitermachen, sagte Linke-Chefin Janine Wissler im ZDF-"Morgenmagazin".

Dass es in Deutschland tatsächlich eine Mehrheit für einen Politikwechsel geben könnte, lässt sich aus den Wahlprognosen herauslesen. Aber: Womöglich halten die Menschen eine Beteiligung der Linke an diesem Wandel gar nicht für notwendig.

Hohe Zustimmungswerte bekommt sie in der Civey-Umfrage bloß bei den eigenen Wählerinnen und Wählern. Nur etwas mehr als die Hälfte von SPD- und Grünen-Sympathisanten hofft auch, dass es die Linke in den Bundestag schafft.

Bestätigen kann die Exklusiv-Umfrage die Vermutung, dass die Linke weiterhin im Osten des Landes beliebter ist als im Westen. 44 Prozent der Befragten in den neuen Bundesländern würden sie gern weiterhin im Bundestag sehen, in den alten Bundesländern sind es nur 36 Prozent.

Eine gute Nachricht hält die Erhebung für die Verantwortlichen im Berliner Karl-Liebknecht Haus aber auch bereit: Junge Menschen begeistern sich am meisten für die Politik der Linke.

Bei den 18- bis 29-Jährigen hofft die Hälfte, dass die Partei die Fünf-Prozent-Hürde überspringt - der beste Wert aller Altersgruppen. Unter Studierenden liegt der Zustimmungswert sogar bei 63 Prozent.

Spannend ist auch der Blick auf berufliche Stellung und Wohnort der Linke-Anhänger. Er befeuert eine parteiinterne Debatte, die Sahra Wagenknecht mit ihrem Buch "Die Selbstgerechten" losgetreten hatte. Die Linke, findet Wagenknecht - ebenso wie Parteigründer Oskar Lafontaine -, habe ihre eigentliche Zielgruppe aus den Augen verloren. Sie kümmere sich zu wenig um prekär Beschäftigte sowie gesellschaftlich Abgehängte und fokussiere sich zu sehr auf ordentlich situierte Menschen in Großstädten.

Die Civey-Umfrage zeigt nun, dass die Zustimmungswerte der Partei tatsächlich mit der Bevölkerungsdichte am Wohnort der Befragten steigen. Anders gesagt: Städter wählen eher links als Menschen auf dem Land.

Überraschend und zugleich Bestätigung für manche von Wagenknechts Thesen ist, dass die Partei bei Angestellten und sogar leitenden Angestellten höhere Zustimmungswerte erhält als bei ihrer eigentlichen Kernklientel, den Arbeitern.

Was all das für die Linke bedeutet? Mit Sicherheit, dass die Partei in den kommenden Wochen einen Weg finden muss, um den Wählerinnen und Wählern zu zeigen, dass sie in der Bundespolitik gebraucht wird. Denn sonst stellt sich nach dem 26. September womöglich gar nicht die Frage, ob die Zwillinge Janine und Dietmar mit Annalena und Olaf im Sandkasten um Schäufelchen und Eimerchen rangeln dürfen.

Informationen zur Methode: Für die repräsentative Umfrage hat das Meinungsforschungsinstitut Civey die Antworten von 5.004 Teilnehmern berücksichtigt. Das Gesamtergebnis ist repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren. Alle Teilnehmer haben unter anderem Daten wie Alter, Geschlecht und Wohnort angegeben und wurden registriert und verifiziert. Civey korrigiert Verzerrungen durch ein mehrstufiges Gewichtungsverfahren. Der Befragungszeitraum war der 3. bis 6. September 2021.
Der statistische Fehler der Ergebnisse beträgt 2,5 Prozentpunkte. Zusätzliche Informationen zur Methode finden Sie auf Civey.com und im Civey-Whitepaper.
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