• Das EU-Parlament hat sich dafür ausgesprochen, den Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 zu verbieten.
  • Bevor eine solche Regelung in Kraft treten könnte, muss das Parlament aber noch mit den EU-Staaten darüber verhandeln.
  • Die an der Bundesregierung beteiligten Parteien reagieren unterschiedlich - die Grünen positiv, die FDP negativ.

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Verbrenner-Verbot ab 2035? Was das Europäische Parlament am Mittwoch beschlossen hat, bedeutet nicht, dass man ab 2035 kein Auto mit Verbrennungsmotor mehr fahren darf. Außerdem sind die Abgeordneten nicht allein für die Gesetzgebung in der EU zuständig, weshalb die Entscheidung unmittelbar erst einmal keine Folgen hat. Ein Überblick:

Was hat das Europaparlament entschieden?

Das EU-Parlament hat sich dafür ausgesprochen, den Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 zu verbieten. Bevor eine solche Regelung in Kraft treten könnte, muss das Parlament aber noch mit den EU-Staaten darüber verhandeln. Die Abgeordneten sprachen sich des Weiteren dafür aus, dass klimafreundliche synthetische Kraftstoffe nicht positiv auf die neuen CO2-Flottengrenzwerte angerechnet werden sollen. Die sogenannten Flottengrenzwerte besagen, wie viel CO2 die von Herstellern neu gebauten Autos und Transporter ausstoßen dürfen. Damit könnte ein klassischer Verbrenner klimaneutral betrieben werden.

Laut einem Bericht der Europäischen Umweltagentur war der Verkehr im Jahr 2019 für rund ein Viertel der gesamten CO2-Emissionen der EU verantwortlich. Davon entfielen knapp 72 Prozent auf den Straßenverkehr. Der Verkehr ist der einzige Bereich, in dem der Treibhausgasausstoß in den letzten drei Jahrzehnten zugenommen hat - zwischen 1990 und 2019 um 33,5 Prozent.

Was sagt die Bundesregierung?

Die Bundesregierung muss nach Ansicht von Finanzminister Christian Lindner (FDP) auf Änderungen dringen. Der Beschluss des Europäischen Parlaments widerspreche dem Geist des Koalitionsvertrags von SPD, Grünen und FDP, sagte Lindner der Deutschen Presse-Agentur (dpa): "Wir wollten ausdrücklich eine Zukunftsoption für klimafreundliche Flüssigkraftstoffe in neuen Verbrennungsmotoren." Deshalb müsse die gesamte Bundesregierung nun "Änderungen für Technologieoffenheit anstreben", sonst sei eine Zustimmung Deutschlands nicht vorstellbar.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sprach sich gegen das Verkaufsverbot aus. Er sagte am Donnerstag auf dpa-Anfrage, die Entscheidung "findet nicht unsere Zustimmung. Das Aus bedeutet für die Bürgerinnen und Bürger einen harten Schritt." Am Verbrennungsmotor würden viele Arbeitsplätze hängen. "Wir wollen, dass auch nach 2035 Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor neu zugelassen werden können, wenn diese nachweisbar nur mit E-Fuels betankbar sind", so Wissing.

Das steht im Widerspruch zu dem, was Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) im März gesagt hatte. Sie hatte sich im Namen der Bundesregierung ausdrücklich hinter die im vergangenen Jahr verschärften Klimaziele der EU-Kommission gestellt. Das bedeute, mit Verbrennermotoren bei Pkw und Transportern bis 2035 abzuschließen, sagte sie damals vor einem Treffen mit ihren EU-Amtskolleginnen und -kollegen. Zudem teilte sie mit Blick auf synthetische Kraftstoffe mit: "Mit E-Fuels betriebene Verbrennungsmotoren sind nach 2035 nur außerhalb der CO2-Flottengrenzwerte eine Option."

Das zum Geschäftsbereich des Bundesumweltministeriums gehörende Umweltbundesamt hält das Verkaufsverbot für notwendig, um die Klimaziele im Verkehrsbereich erreichen zu können. Falls nach 2035 noch Autos mit Verbrennungsmotor auf den Markt gebracht würden, könne bis 2045 die Klimaneutralität nicht geschafft werden, sagte Präsident Dirk Messner. Ein Verbot löse Innovationsdynamiken in der Automobilindustrie aus. "Ich bin mir ziemlich sicher, wir werden schon vor 2035 keine Verbrennermotoren auf dem Markt mehr sehen, weil jetzt ist das Ende des Verbrennungsmotors eingeleitet und Automobilunternehmen werden sich jetzt darauf konzentrieren, die Zukunft zu bedienen und sich auf die Zukunft zu orientieren", so Messner.

Was sagt die Autoindustrie?

Die EU sollte sich nach Ansicht der deutschen Automobilindustrie noch nicht auf 2035 als Datum festlegen. In weiten Teilen Europas gebe es "keine ausreichende Ladeinfrastruktur" für Elektroautos, sagte die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, am Mittwoch. "Die Kosten der Verbraucher werden dadurch erhöht, das Verbrauchervertrauen aufs Spiel gesetzt", so die frühere CDU-Politikerin, die von 2005 bis 2008 Staatsministerin im Bundeskanzleramt war. Die Europäische Union hätte ihr zufolge zudem synthetische Kraftstoffe in ihre Klimastrategie einbeziehen sollen, sagte Müller am Donnerstag im "Morgenmagazin" der ARD. Diese Kraftstoffe seien wichtig, damit die Autos, die bereits im Markt sind, weniger klimaschädlich betrieben werden könnten.

Kritiker wenden ein, die Technologie stecke noch in den Kinderschuhen und zudem sei der Einsatz von E-Fuels bei Pkw ineffizient im Vergleich zum Elektroantrieb. Auch Verkehrsminister Wissing betonte zuletzt, synthetische Kraftstoffe werde man vor allem für den Flugverkehr brauchen. Auf absehbare Zeit werden es nicht genug E-Fuels geben, um die jetzt zugelassenen Pkw damit zu betreiben.

Der VW-Konzern hält das vom EU-Parlament angestrebte Verbot grundsätzlich für einen durchsetzbaren Schritt. Es sei ein "ambitioniertes, aber erreichbares Ziel", so das Unternehmen. Man habe einen solchen Beschluss schon erwartet: "Die Wende zur Elektromobilität ist unumkehrbar. Sie ist die ökologisch, technologisch und wirtschaftlich einzig sinnvolle Möglichkeit, um Verbrennungsmotoren schnellstmöglich zu ersetzen." Aus Sicht des Konzerns signalisieren die politischen Pläne auf EU-Ebene nun "Planungssicherheit für die Unternehmen und Verbraucher".

Zurzeit laufen auch noch intensive Verhandlungen über neue Regeln für den Ausstoß schädlicher Stickoxide (NOx) - mehrere Autobauer hatten in diesem Zusammenhang vor technisch unrealistischen Standards oder hohen Folgekosten für die Kunden gewarnt. Volkswagen forderte, dass parallel zur wachsenden E-Modellpalette das Verkehrssystem rasch umgebaut werden müsse: "Wichtig ist jetzt, dass die politischen Ziele auch durch entsprechende politische Maßnahmen in allen Mitgliedstaaten unterlegt werden. Dazu gehören eine ausreichende Versorgung mit Batteriezellen, ein viel schnellerer Ausbau der Ladeinfrastruktur und eine beschleunigte Energiewende."

Was sagen Umweltorganisationen und Gewerkschaften?

Die Gewerkschaft IG Metall pocht bei einem möglichen Verkaufsverbot ab 2035 auf Unterstützung für betroffene Mitarbeitende in der Autoindustrie. "Alle Beschäftigten brauchen eine Perspektive", sagte Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall, am Donnerstag. Das alles müsse in den anstehenden Verhandlungen ins Zentrum rücken. "Die Abstimmung zum Verbrenner-Aus ist eine Selbstverpflichtung der Politik auf allen Ebenen", so Hofmann. Weiter sagte er: "Wir brauchen einen europaweiten Ausbau der Ladeinfrastruktur und der erneuerbaren Energien, eine Lösung der Lieferketten- und Rohstoffprobleme der Elektromobilität, umfangreiche politische Unterstützung beim Umbau der Industrie sowie beim Aufbau neuer Wertschöpfung und Beschäftigung."

Umweltorganisationen begrüßten das Votum des EU-Parlaments größtenteils. "Heute wurde vom Europäischen Parlament ein klares Signal Richtung Antriebswechsel gesetzt", so Jens Hilgenberg, Leiter Verkehrspolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), am Mittwoch. Der Verbrennungsmotor sei ein Auslaufmodell, das müsse nun allen Beteiligten klar sein. Vom Naturschutzbund (Nabu) heißt es: "Das EU-Verbrenner-Aus 2035 ist ein großer Schritt und Arbeitsauftrag zugleich." Die Bundesregierung müsse nun dringend Maßnahmen ergreifen, damit das Ziel erreicht werde.

Der Deutschen Umwelthilfe (DUH) geht die Maßnahme nicht weit genug, sie fordert ein Verbrenner-Aus schon ab 2030. Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch erklärte am Mittwoch: "Die eskalierende Klimakrise lässt uns nicht die Zeit, noch weitere 13 Jahre Millionen neue Verbrenner-Autos auf Europas Straßen zu spülen, die dann wiederum 15 Jahre oder noch länger auf klimaschädlichen Sprit angewiesen sind."

Die Klimaschutzbewegung Fridays for Future sieht den Beschluss des EU-Parlaments als einen Erfolg ihrer Arbeit. Aber das angepeilte Jahr 2035 sei "zehn Jahre zu spät", um das Ziel zu erreichen, die Erderhitzung wie 2015 auf der UN-Klimakonferenz in Paris vereinbart auf 1,5 Grad zu begrenzen, schrieb die Bewegung auf Twitter. "Klar ist: Eine Verkehrswende schaffen wir nicht, indem E-Autos auf die Straße kommen - sondern Menschen", hieß es. (dpa/okb)

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