Zum Tag der Deutschen Einheit dominieren Mahnungen und Nachdenklichkeit die Reden. Politiker rufen die Deutschen auf, ihre Stimme noch lauter gegen Rechtspopulismus und Fremdenhass zu erheben. Nach Bundeskanzlerin Angela Merkel ist die Einheit der Deutschen in Ost und West noch lange nicht vollendet.

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Am 28. Jahrestag der Wiedervereinigung haben Politiker die Deutschen aufgerufen, lauter ihre Stimme gegen Rechtspopulismus und Fremdenhass zu erheben.

Gleichzeitig plädierten Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Kanzlerin Angela Merkel und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (beide CDU) für mehr Dialog und gegenseitiges Zuhören, um Polarisierung und Gräben im Land zu überwinden.

Wolfgang Schäuble warb für Mut und Vertrauen

"Auch in Deutschland begegnet uns die populistische Anmaßung, wieder das "Volk" in Stellung zu bringen, gegen politische Gegner, gegen vermeintliche und tatsächliche Minderheiten, gegen die vom Volk Gewählten", sagte Schäuble am Mittwoch bei einem Festakt zum Tag der Deutschen Einheit in Berlin.

Niemand habe aber das Recht zu behaupten, er allein vertrete "das Volk". Obwohl es Deutschland zur Zeit gut gehe, dominiere der Pessimismus, beklagte Schäuble. Er warb für mehr Mut und Vertrauen in das Handlungsvermögen der Gesellschaft. "Selbstvertrauen, Gelassenheit, Zuversicht" bildeten den "Dreiklang eines zeitgemäßen Patriotismus".

Bundesratspräsident Michael Müller sagte bei dem Festakt: "Wir dürfen nicht zulassen, dass die Minderheit einer neuen Rechten die Deutungshoheit über das Erreichte an sich reißt und dabei die Grundwerte unserer Gesellschaft missachtet." Der SPD-Politiker fügte hinzu: "Dem müssen wir Einhalt gebieten". Es sei Zeit, offen und laut für unsere Grundwerte einzustehen. Diese seien Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Solidarität.

Nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist die Einheit der Deutschen in Ost und West noch lange nicht vollendet. Sie sei vielmehr "ein Prozess" und ein "langer Weg."

Wichtig sei, "einander zuzuhören, aufeinander zuzugehen, nicht nachzulassen", betonte die Kanzlerin. Dies gelte nicht nur für Politiker, sondern für alle Bürger. Merkel stellte fest: "Die Deutsche Einheit ist nicht beendet", sondern fordere die Menschen bis heute immer wieder heraus.

Mehr als 1.000 Rechtsextreme und Rechtspopulisten versammelten sich

In diesem Jahr richtete Berlin die zentralen Feierlichkeiten zum Einheitstag aus. Auf einem Bürgerfest rund um Brandenburger Tor und den Reichstag stellten sich die Bundesländer vor, es gab Konzerte und Diskussionsrunden. Am Mittwoch war es auf der zu Wochenbeginn eröffneten Festmeile deutlich voller als zuvor.

Steinmeier sagte am Rande der Feierlichkeiten: "Das Wichtigste ist, dass die Gesellschaft mit sich selbst ins Gespräch kommt." Es gelte, sie zusammenzuhalten.

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer forderte eine Kraftanstrengung der politischen Mitte gegen Rechtsextremisten und Populisten von Rechts und Links.

"Gerade Naziparolen dürfen keine Resonanz finden, egal ob sie in Chemnitz oder in Dortmund gegrölt werden", schrieb sie in einem Gastbeitrag für das Internetportal "t-online". "Und Menschen, die sich dagegen wehren wollen, müssen Rückhalt und Unterstützung aus der politischen Mitte erhalten und nicht vom extremen linken Rand."

Anlässlich der Feiern in Berlin versammelten sich laut Polizei mehr als 1.000 Rechtsextreme und Rechtspopulisten zu einer Demonstration. Auch linke Gruppen hatten Demos angemeldet. Zu allen Veranstaltungen gab es starke Sicherheitsvorkehrungen.

Die Polizei war mit rund 4.000 Beamten im Einsatz, Teile der Berliner Innenstadt waren abgesperrt, an den Eingängen zum Bürgerfest gab es strenge Kontrollen.

Brinkhaus möchte kritische Auseinandersetzung

Auch andernorts in Deutschland wurde an die Wiedervereinigung 1990 erinnert. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) sprach sich für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Einigungsprozess aus.

"Dies kann helfen, emotionale Wunden zu heilen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Viele Ostdeutsche seien nach 1990 nicht fair behandelt worden - dies sei lange nicht genügend beachtet worden. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) forderte mehr Respekt für die Leistungen der Ostdeutschen.

Kirchenvertreter mahnten ein stärkeres Miteinander an. "Die Mauer, die uns trennte, ist Geschichte. Dafür entstehen heute an anderer Stelle Fliehkräfte, die unsere Gesellschaft auseinander treiben wollen", sagte der evangelische Berliner Bischof Markus Dröge bei einem ökumenischen Gottesdienst.

"Einheit bedeutet deshalb heute nicht nur die Einheit von Ost und West, sondern auch die soziale Einheit unseres Landes. Nur wenn wir alle mitnehmen, sichern wir den sozialen Frieden in unserem Land."

Die zentralen Einheitsfeiern finden stets in dem Land statt, das den Bundesratspräsidenten stellt. 2019 ist Schleswig-Holstein an der Reihe. (ff/dpa)

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