Was tun gegen steigende Mieten? Auf keinen Fall mehr Regulierung, findet das FDP-geführte Justizministerium. Die SPD-Politikerin Zanda Martens hält das für falsch. Im Interview mit unserer Redaktion sagt sie, warum der Staat jetzt aktiv werden muss: vor allem bei den umstrittenen Indexmieten.

Ein Interview

Der Start der Ampelkoalition im Dezember 2021 war mit viel Hoffnung verbunden – gerade in der Wohnungspolitik. Mehr Neubau sollte den Markt entspannen. Doch dann kam der Krieg in der Ukraine. Und das ehrgeizige Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr ist in weite Ferne gerückt. Die Folge: Die Mieten steigen weiter.

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SPD und Grüne würden gerne stärker in den Markt eingreifen. Doch die FDP bremst – selbst bei den Dingen, die im Koalitionsvertrag vereinbart sind. Das sagt zumindest die SPD-Mietrechtsexpertin Zanda Martens im Interview mit unserer Redaktion. Die Blockadehaltung der Liberalen sei "ein Skandal".

Frau Martens, beim Neubau kommt Deutschland nicht voran und die Mieten steigen immer weiter. Wie unzufrieden sind Sie mit der Wohnungspolitik Ihrer eigenen Koalition?

Zanda Martens: Es stimmt, dass wir bei neuen Wohnungen nicht da sind, wo wir sein wollen. Vor allem preiswerter Wohnraum fehlt. Das hat Gründe: Bauen wird immer teurer, Fachkräfte fehlen, die Genehmigungsverfahren sind lang und – Stichwort Bürokratie – Baustandards je nach Bundesland verschieden. Der Wohnungsmangel führt dazu, dass die Mieten, die ohnehin schon hoch sind, weiter steigen.

Und wie wollen Sie das Problem lösen?

Wir müssen beim Wohnungsbau in die Gänge kommen. Eine Möglichkeit wäre, die steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten für Neubauten auszuweiten. Das wäre ein starker Anreiz, mehr zu bauen. So hat es auch Bauministerin Klara Geywitz vorgeschlagen. Was mir aber am wichtigsten ist: Beim Neubau müssen wir uns vor allem auf die Unternehmen konzentrieren, die preiswerten Wohnraum schaffen: also Genossenschaften und städtische Wohnungsbaugesellschaften. Wir brauchen nicht irgendwelche Wohnungen, sondern solche, die sich auch Menschen mit durchschnittlichen Einkommen oder einer kleinen Rente leisten können.

SPD-Politikerin Zanda Martens: "Mieterschutz ist mit der FDP nicht einfach"

Bei den Mieten im Bestand wollte die Ampel Druck aus dem Markt nehmen. Im Koalitionsvertrag heißt es, dass die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen – also der maximal mögliche Anstieg der Mieten innerhalb von drei Jahren – in Regionen mit angespanntem Wohnungsmarkt von 15 auf elf Prozent sinken soll. Wann kommt die Umsetzung?

Das ist eine Frage, die wir regelmäßig an Bundesjustizminister Marco Buschmann stellen. Er ist dafür verantwortlich und wäre jetzt am Zug. Mieterschutz ist mit der FDP nicht einfach, aber im Koalitionsvertrag konnten wir uns auf ein paar konkrete Dinge einigen: die Verlängerung der Mietpreisbremse, die Absenkung der Kappungsgrenze und die Mietspiegel-Pflicht für Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern. Juristisch wäre das alles leicht umzusetzen, die entsprechenden Gesetzesparagrafen gibt es bereits – man müsste bloß die Zahlen anpassen. Nur: Passiert ist seitdem nichts. Wir werden von Quartal zu Quartal vom Justizministerium vertröstet. Aus meiner Sicht ist das ein Skandal.

Wäre es an der Zeit, dass der Kanzler ein Machtwort spricht?

Es kann nicht die Lösung sein, dass der Kanzler ständig die Minister ermahnen muss, den Koalitionsvertrag abzuarbeiten. Ich bin mir sicher: Olaf Scholz macht Druck. Am Ende ist es aber so, dass sich alle im Kabinett einig sein müssen. Ausgerechnet beim Thema Mietrecht verkennt der Justizminister offensichtlich die hohe Bedeutung für Millionen Mieter im Mieterland Deutschland und hat es nicht zu seiner Priorität gemacht. Daher werden wir weiter auf ihn einwirken. Auch von außen, in Zusammenarbeit mit Mieterorganisationen.

Ein weiteres Streitthema in der Koalition ist der Umgang mit Indexmieten. Ist die Miete indexiert, steigt sie jährlich mit der Inflationsrate. Justizminister Marco Buschmann hat klargemacht, dass er daran trotz hoher Preissteigerungen nichts ändern will.

Als Politiker dürfen wir nicht die Augen vor der Lebensrealität verschließen und bloß den Koalitionsvertrag abarbeiten. Als wir die Ampel verhandelt haben, konnte niemand davon ausgehen, dass es diese Vielzahl an Krisen gibt, dass in Europa wieder ein Krieg ausbricht und die Inflation explodiert. Das trifft Mieter mit Indexverträgen besonders. Insofern besteht hier dringender Handlungsbedarf.

Minister Buschmann argumentiert, dass sich Investitionen in den Wohnungsbau nur lohnen, wenn am Ende damit auch genug Geld verdient wird.

Es ist der falsche Anreiz, den derzeit stockenden Wohnungsbau mit immer höheren Mieten attraktiver zu machen. Es will aber auch niemand Indexmieten verbieten. Sie haben schließlich Vorteile: Für Mieter und Vermieter ist so transparent, nach welchen Kriterien die Miete wie steigt. Nur: Was nicht sein darf, ist, dass die Miete – wie zuletzt – einfach mal um zehn Prozent im Jahr anzieht. Einmal erhöht, bleibt sie hoch und puscht den gesamten örtlichen Mietspiegel für alle Mieter nach oben. Daher brauchen wir Regulierung.

Wie könnte die aussehen?

Möglich wäre es, den Index zu verändern. Das heißt: Nicht mehr die Inflation bestimmt die Steigerung, sondern beispielsweise die allgemeine Entwicklung der Nettokaltmieten. Damit wäre die Explosion der Mietkosten abgefedert. Und das wäre für alle Seiten angemessen.

"Wir brauchen keine Luxuswohnungen, wir brauchen mehr geförderten Wohnraum."

Zanda Martens, SPD-Bundestagsabgeordnete



Gehört zur Wahrheit nicht: Auch eine sozialdemokratisch geführte Regierung ändert nichts daran, dass in Deutschlands Städten bald nur noch Gutverdiener eine Wohnung finden?

Ohne die SPD wäre die Situation wahrscheinlich noch schlimmer. Wir müssen aber anerkennen: Es kommen gerade viele Krisen und Herausforderungen zusammen. Und in dieser historisch einmaligen Situation steigen die Preise. Daher ist es so wichtig, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Wir brauchen keine Luxuswohnungen, wir brauchen mehr geförderten Wohnraum, also Vorfahrt für Genossenschaften und kommunale Unternehmen.

Und das ist mit der FDP möglich?

Die FDP sagt: So wenig Staat wie möglich. Aber das führt in eine Sackgasse. Wir sehen bei den Mieten, wie der Markt regelt. Er regelt, ja. Aber so, dass am Ende Wohnen zum Luxus wird. Insofern muss die Politik eingreifen, wenn der Markt zu Ergebnissen führt, die nicht akzeptabel sind. Hier darf sich der Staat nicht aus der Verantwortung stehlen.

Zur Person: Zanda Martens wurde in Liepāja (Lettland) geboren und hat in Bremen promoviert. Die Juristin hat als Gewerkschaftssekretärin für Verdi und die IG Metall gearbeitet und wurde 2021 für die SPD in den Deutschen Bundestag gewählt. Dort ist sie Mitglied im Rechtsausschuss.
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