Mit einer Plattform will die Bundesregierung den Wiederaufbau der Ukraine unterstützen. Auch wenn der Krieg ständig für neue Zerstörungen sorgt, sei das dringend nötig, sagt Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze: "Wer an eine bessere Zukunft glaubt, der hält auch in diesen schwierigen Zeiten besser durch."

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Die zerstörte Brücke von Irpin war vor einem Jahr ein prägendes Bild des Krieges in der Ukraine. Inzwischen ist der Wiederaufbau in vollem Gange. Das Umspannwerk von Odessa wurde schon mehrfach von russischen Angriffen getroffen – doch die Ukrainer haben es jedes Mal repariert. Das sind zwei Beispiele, die zeigen: Zum Krieg in der Ukraine gehört schon jetzt ihr Wiederaufbau. Auch wenn niemand weiß, wie lange Russland die Angriffe auf das Nachbarland noch fortsetzen wird.

Die Hilfsbereitschaft in Deutschland sei weiterhin groß, sagt Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) am Montag bei der Vorstellung einer neuen Plattform der Bundesregierung. Dort sollen sich Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft, aber auch Vereine, Initiativen und andere gesellschaftliche Akteure vernetzen und Ansprechpartner finden.

Svenja Schulze kündigt weitere 25 Millionen Euro Unterstützung an

"Oft scheitert es daran, dass man nicht weiß, an wen man sich mit einer guten Idee wenden kann", sagt Schulze. Auf der Online-Plattform soll das nun möglich sein. Denkbar sei vieles: Ein Frauenverein bietet psychologische Hilfen für ukrainische Kriegswitwen an. Oder die Mitarbeitenden eines deutschen Wasserwerks beraten ihre ukrainischen Kollegen vor Ort bei der Reparatur der Anlagen. Die Ministerin kündigt am Montag zudem an, dass die Bundesregierung Partnerschaften zwischen Kommunen, Kliniken und Wasserwerken in Deutschland und der Ukraine mit zusätzlichen 25 Millionen Euro unterstützen wird.

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Schulze kennt natürlich die Frage, die in diesem Zusammenhang am häufigsten auftaucht: Ist ein Wiederaufbau sinnvoll, wenn der Krieg noch tobt? Ist das Geld sinnvoll angelegt, wenn noch jeden Tag Zerstörungen angerichtet werden? Ihre Antwort ist ein klares Ja: Der Wiederaufbau sei schon jetzt nötig, um die Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen: mit Wasser, Elektrizität, Nahrung, aber auch mit psychologischer Unterstützung. Er biete den Ukrainerinnen und Ukrainern aber auch eine Perspektive: "Wer an eine bessere Zukunft glaubt, wer daran arbeitet, der hält auch in diesen schwierigen Zeiten besser durch."

Oleksii Makeiev: Deutschland sollte ukrainische Waren kaufen

Auch der Botschafter der Ukraine in Deutschland, Oleksii Makeiev, betont: Wenn eine russische Rakete die Stromversorgung lahmlegt, kann man mit Reparaturen nicht warten. Dann sei es wichtig, die Versorgung sofort wiederherzustellen. "Der Wiederaufbau beginnt nicht erst wenn wir den Krieg gewonnen haben, der Wiederaufbau beginnt jetzt", sagt Makeiev. "Wir haben keine Zeit zu verlieren."

Wie die Ukraine und die verbündeten Staaten, deren Wirtschaft und Gesellschaften derzeit den Wiederaufbau schultern – das sei eine "Meisterleistung", sagt der Botschafter auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit der Ministerin.

Er wünscht sich allerdings nicht nur Spenden: Die deutsche Wirtschaft könne die Ukraine vor allem unterstützen, indem sie ukrainische Waren kaufe. Mit Einzelhandelsketten sei man bereits im Gespräch: Wie wäre es zum Beispiel in Supermärkten nicht nur mit einer italienischen oder asiatischen Ecke, sondern auch mit einem ukrainischen Regal mit Hönig, Öl und Säften aus dem kriegsgeschundenen Land? "Das schafft Arbeitsplätze und das wird unsere Wirtschaft unterstützen", sagt Makeiev.

Wiederaufbau: Weltbank schätzt Bedarf auf 411 Milliarden Dollar

Der Wiederaufbau der Ukraine sei eine Aufgabe für Generation, hat Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, gerade in einem Interview mit dem "Tagesspiegel" gesagt. Schätzungen der Weltbank zufolge wird er nach jetzigem Stand 411 Milliarden US-Dollar (rund 383 Milliarden Euro) kosten. Doch das ist nur eine Momentaufnahme: "Wir wünschen uns alle, dass Russland sofort aufhört, die Ukraine zu beschießen – das tun sie aber nicht", sagt Svenja Schulze am Montag. Deswegen werde auch weiterhin Infrastruktur zerstört. Eine endgültige Summe werde erst feststehen, wenn der Krieg vorbei ist.

Ukraine verspricht Kampf gegen Korruption

Eine heikle Angelegenheit bleibt das Thema Korruption: Einem Index von "Transparency International" zufolge belegte die Ukraine im vergangenen Jahr den 116. Rang von 180 untersuchten Ländern und gehörte damit zu den korruptesten Staaten Europas. Allerdings hat der Krieg auch neue Anreize für Staatsangestellte geschaffen, Geld in die eigenen Taschen zu leiten. Die Ukraine geht inzwischen verstärkt dagegen vor: Im vergangenen Januar hat Präsident Wolodymyr Selenskyj mehrere Gouverneure und Vize-Minister wegen Korruptionsvorwürfen entlassen.

Botschafter Makeiev sagt am Montag, sein Land nehme das Thema ernst. Man werde unter anderem ein neues "Aufsichtsinstrument" aufbauen. "Transparenz muss gewährleistet werden."

Svenja Schulze stellt sich hinter ihren Gast: Der frühere sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) ist als Beauftragter der Bundesregierung vor Ort, um ukrainische Behörden bei der Verwaltungsmodernisierung zu unterstützen. Insgesamt sieht die Ministerin die Bereitschaft, das Thema ernst zu nehmen: "Die Ukraine hat die jüngsten Vorfälle selber aufgedeckt und sofort Konsequenzen gezogen."

Verwendete Quellen:

  • bmz.de: Bundesregierung verlängert Berufung von Georg Milbradt als Sonderbeauftragter für Verwaltungsmodernisierung in der Ukraine
  • tagesspiegel.de: Deutschlands Ukraine-Koordinator: "Der Wiederaufbau ist eine Aufgabe für Generationen"
  • Transparency International Deutschland: Korruptionswahrnehmungsindex 2022
  • ukraine-wiederaufbauen.de
  • Weltbank: Updated Ukraine Recovery and Reconstruction Needs Assessment
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