• Der Ruf nach der Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine wird immer lauter.
  • Bundeskanzler Olaf Scholz aber lässt sich nicht von seiner Linie abbringen.
  • Vorwürfe der Opposition kontert er mit dem Verweis auf die Unterstützung der Wählerinnen und Wähler für seinen Kurs.

Mehr News zum Krieg in der Ukraine

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bleibt bei seiner politischen Linie und will sich nicht durch äußeren Druck zu einer schnellen Entscheidung in der Frage von Kampfpanzer-Lieferungen an die Ukraine drängen lassen. "Die vergangenen elf Monate haben gezeigt, dass es klug ist, sich nicht durch aufgeregte tägliche, ja manchmal stündliche Forderungen kirre machen zu lassen", sagte Scholz der "wochentaz", der am Samstag erscheinenden Wochenausgabe der "taz".

Führungsstärke bedeute da nicht, "auf der Barrikade zu stehen und 'Auf in den Kampf' zu rufen", sagte Scholz. "Führungsstärke bedeutet in dieser Situation, die eine Gefahr für den Frieden auf der ganzen Welt darstellt, die Nerven zu haben, das Richtige zu tun." Die "Notwendigkeit, alle zehn Minuten etwas sagen zu müssen", dürfe nicht dazu führen, Entscheidungen, "die mit Krieg und Frieden zusammenhängen", schlicht "mal so aus der Hand zu schütteln", so der frühere Bundesfinanzminister.

Scholz verwies darauf, dass viele Menschen "sich große Sorgen machen und hoffen, dass der Kanzler und seine Regierung die Nerven behalten". Er sehe sich in seinem Vorgehen in Übereinstimmung mit der Mehrheitsmeinung in Deutschland. "Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger findet das abgewogene Vorgehen der Regierung bei Waffenlieferungen richtig", sagte er und kritisierte die "lauten Kommentierungswelten".

Scholz warf den Medien vor, die Meinung der Bürgerinnen und Bürger bisweilen zu übersehen. "Was mich bedrückt: In der medialen Berichterstattung spiegelt sich das kaum wider, da scheint es ständig nur darum zu gehen, was als Nächstes geliefert werden kann", kritisierte der Kanzler. "Diese Verengung der politischen Debatte ist problematisch."

Strack-Zimmermann: Scholz muss über seinen Schatten springen

Die Opposition hingegen wirft Scholz "Starrsinn" vor: Johann Wadephul, stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion, sieht Scholz als Hindernis. "Alle wollen es. Finnland will liefern, Spanien schon länger, Polen ist jetzt in die Offensive gegangen und der starrsinnige Kanzler steht im Weg", sagte Wadephul am Freitag in der Sendung "Frühstart" von RTL/ntv.

Bundesjustizminister Marco Buschmann zeigte sich ebenfalls offen für eine Lieferung. "Meine persönliche Auffassung ist klar und die lautet: Das darf kein Tabu sein", sagte der FDP-Politiker der "Augsburger Allgemeine" (Samstag). Auch andere Ampel-Politiker drängten am Freitag abermals zu einer raschen Entscheidung. "Ich fände es wichtig, dass man sich jetzt alsbald darauf verständigt, wie die Partner mit der Frage Kampfpanzer umgehen", sagte etwa der SPD-Außenpolitiker Michael Roth, ein Parteikollege des Kanzlers, im Deutschlandfunk.

Die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte der Funke Mediengruppe, Deutschland müsse endlich die Exportgenehmigung für den Leopard erteilen und Scholz "sollte angesichts des Dramas in der Ukraine über seinen Schatten springen".

Lesen Sie auch: Aktuelle Entwicklungen im Krieg in der Ukraine finden Sie in unserem Live-Ticker

Polens Entscheidung setzt die Bundesregierung unter Druck

Die Ukraine fordert schon seit Längerem die Lieferung von Leopard-Panzern. Die Debatte nahm in dieser Woche Fahrt auf, weil der polnische Präsident Andrzej Duda erklärte, sein Land sei im Rahmen einer internationalen Koalition dazu bereit. Dafür wäre allerdings eine Genehmigung vom Herstellerland Deutschland nötig. Zudem steht die Frage im Raum, ob sich Deutschland an der Lieferkoalition beteiligt.

Justizminister Buschmann sieht keine rechtlichen Bedenken: "Die Ukraine befindet sich im Recht, weil sie einen Selbstverteidigungskrieg führt." Nach dem Völkerrecht dürfe Deutschland der Ukraine dafür Waffen liefern. "Wir werden dadurch nicht zur Kriegspartei. Egal, welche Qualität die Waffen haben", sagte Buschmann. "Die von Russland angegriffene Ukraine bemüht sich seit Monaten um weitere schwere Waffen."

Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) hatte mit Blick auf eine Lieferung der Panzer durch Polen gesagt, Berlin solle sich nicht in den Weg stellen, wenn andere Länder Entscheidungen zur Unterstützung Kiews träfen - unabhängig davon, welche Entscheidung Deutschland treffe.

Die Bundesregierung hat bislang noch keine Entscheidung getroffen. Eine formale Exportanfrage von Polen liegt ihr nach eigenen Angaben bisher nicht vor. "Es gibt keine Frage, auf die wir Nein sagen müssten, sondern wir sagen im Moment, dass wir uns in einem ständigen Austausch darüber befinden, was zu diesem Zeitpunkt das Richtige ist und wie wir die Ukraine unterstützen", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann.

Einen sehr engen Austausch gebe es vor allem mit den USA, mit Frankreich, mit Großbritannien, aber auch mit Polen und mit Spanien. Auf die Frage, was eine Weitergabe der Panzer aus deutscher Produktion ohne Zustimmung Deutschlands bedeuten würde, sagte sie, das wäre "rechtswidrig".

SPD-Fraktionsvize kündigt baldige Entscheidung an

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte im Radiosender Bayern 2, es liefen derzeit Abstimmungen "innerhalb der Bundesregierung und innerhalb der Verbündeten". Es werde "sehr zeitnah zu einer Entscheidung kommen", versicherte Wiese. Allerdings dürfe eine solche Entscheidung auch "nicht aus dem Bauch" heraus getroffen werden.

Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, ist überzeugt, dass Leopard-Panzer der Ukraine "entscheidend" helfen könnten. Bei der Unterstützung Kiews sei es richtig, "alles einzubringen, was wir können", sagte sie der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" laut Vorabmeldung vom Freitag.

Zurückhaltender blieb SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. "Offensichtlich haben wir in Deutschland die Besonderheit, uns nur auf ein Gerät zu beziehen, nämlich den Leopard", sagte er. "Das wundert mich etwas." Mützenich argumentierte, die bereits erfolgten Waffenlieferungen Deutschlands, die keine Kampfpanzer umfassten, hätten schon viel gebracht. Deutschland hat der Ukraine bisher neben anderen Waffen- und Luftabwehrsystemen die weniger schlagkräftigen Schützenpanzer vom Typ Marder zugesichert. Auch Scholz bekräftigte in dem "wochentaz"-Interview, dass Deutschland der Ukraine "besonders wirksame Waffen" liefere, etwa das Luftabwehrsystem Iris-T und demnächst auch Patriot-Abwehrraketen.

Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, forderte ebenfalls Kampfpanzer für Kiew. "Wir haben diplomatisch alles versucht", sagte er dem Nachrichtenmagazin "Focus". "Jetzt müssen wir Russland zur Einsicht bringen, und die einzige Sprache, die das russische Regime versteht, ist die der Härte." Raum für Verhandlungen gebe es erst, wenn Russland einsehe, dass es seine Ziele nicht erreiche. "So weit ist es leider noch nicht, weil Putin noch nicht verstanden hat, dass er auf der Verliererstraße ist", sagte Heusgen. (AFP/dpa/hau)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.