• Die Bundesregierung hat den Weg für die Lieferung von Leopard-Panzern freigemacht. Rufe aus der Ukraine nach den Kampfpanzern kamen bereits seit Monaten.
  • Können die Panzer die Ukraine in die Lage versetzen, wieder in die Offensive zu kommen? Oder handelt es sich nur um einen Tropfen auf den heißen Stein?
  • Militärexperte Gustav Gressel schätzt die Lage ein und erklärt auch, warum – anders als bei den Kampfpanzern – die Debatte über Kampfjets an Deutschland größtenteils vorbeigehen dürfte.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Marie Illner sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Der Entscheidung gingen lange Diskussionen voraus, nun aber steht fest: Deutschland wird den ukrainischen Streitkräften Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 zur Verfügung stellen. "Diese Entscheidung folgt unserer bekannten Linie, die Ukraine nach Kräften zu unterstützen. Wir handeln international eng abgestimmt und koordiniert", sagte der Bundeskanzler am vergangenen Mittwoch (25. Januar) in Berlin.

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Ziel sei es, rasch zwei Panzer-Bataillone mit Leopard-2-Panzern zusammenzustellen. Das heißt konkret: 14 Panzer aus Beständen der Bundeswehr. Geschehen soll das innerhalb der nächsten drei Monate, später soll ein zweites Bataillon aus älteren Leopard-Panzern geliefert werden.

Hinzu kommen weitere Panzer europäischer Partner. Dafür erteilte die Bundesregierung anderen Staaten die Genehmigung zur Lieferung eigener Leopard-Panzer. Die Unterstützung soll auch in Form von Ausbildung, Logistik, Munition und Wartung der Systeme erfolgen.

Anfrage schon eine Woche nach Kriegsbeginn

Polen, Finnland und die Niederlande haben ihre Bereitschaft, Kampfpanzer zu liefern, bereits signalisiert. Großbritannien hat die Lieferung von 14 Challenger-Panzern bereits zugesagt. Von einem Alleingang Deutschlands kann nicht die Rede sein: Die Entscheidung erfolgt im Gleichschritt mit den USA, die kurz nach der deutschen Leopard-Zusage ihre eigenen Lieferpläne konkret machten: 31 Kampfpanzer des Typs M1 Abrams sollen in die Ukraine gehen.

Die Forderung nach Kampfpanzern westlicher Bauart kam schon seit Monaten aus der Ukraine. Bereits eine Woche nach Kriegsbeginn ging die erste offizielle Anfrage aus Kiew bei der Bundesregierung ein. Es stellt sich die Frage: Wie groß wird der Einfluss der Leopard-Panzer sein? Handelt es sich um einen Gamechanger oder doch nur um einen Tropfen auf den heißen Stein?

Leopard-Panzer: "Raubtier auf Ketten"

Der Leopard-Panzer wird von der Bundeswehr selbst seit 1979 in verschiedenen Varianten genutzt, er gilt als "Raubtier auf Ketten". Eine Besatzung besteht aus vier Soldaten, mit einer 120-Millimeter-Kanone kann der Leopard Ziele in einer Entfernung bis zu fünf Kilometer treffen.

Bis Ende März soll die Ukraine in die Lage versetzt werden, die Leopard-Panzer einzusetzen. Die Ausbildung dauert mehrere Wochen.

Die Frontverläufe in der Ostukraine bewegen sich seit Wochen nur wenig. Die Leopard-Panzer sollen die Ukraine nun in die Lage versetzen, wieder in die Offensive zu kommen und Gelände zurückzuerobern.

Militärexperte Gressel ist skeptisch

Wie groß der Unterschied wirklich sein wird, hängt aus Sicht von Militärexperte Gustav Gressel stark davon ab, wie viele Leopard-Panzer tatsächlich geliefert werden. "Nach all den Wochen an Diskussion bin ich nicht so optimistisch, wie es in der öffentlichen Debatte rüberkommt", sagt er. Es sei ein großer Zirkus veranstaltet worden.

Es sei schwierig einzuschätzen, wie energisch Scholz die Umsetzung jetzt forciere. "Das muss alles organisiert werden, ständige Rücksprache mit der Industrie ist nötig", erinnert Gressel. Zwar scheine der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius im Vergleich zu seiner Vorgängerin Christine Lambrecht energischer und tatkräftiger zu sein, doch: "Nachdem das Vorhaben mit letzter Not über die Ziellinie geschoben wurde, ist fraglich, wie viel politische Energie jetzt investiert wird", meint Gressel.

Leopard-Panzer: Frage der Nachbeschaffung

"Es würde sich auch lohnen, noch den Panzer vom Typ Leopard 1 an die Ukraine zu liefern, anstatt ihn zu verschrotten oder herumstehen zu lassen", kommentiert Gressel. Denn die Ukraine betreibe den Gepard-Panzer, der auf demselben Fahrgestell basiert. "Im schlechtesten Fall würde der Leopard 1 also als Ersatzteillager dienen", so der Experte.

In Bezug auf den Leopard-Panzer stelle sich für die europäischen Armeen jedoch die Frage der Nachbeschaffung. "Die Panzer, die man abgibt, muss man ersetzen", sagt Gressel. Es würden auch aktive Panzer abgegeben werden, die nachbeschafft werden müssten. "Man bräuchte auch ein Bekenntnis, dass die Staaten, die aktuell den Leopard 2 verwenden, ihn auch weiterverwenden. Das ist keine ganz billige Entscheidung", meint der Experte.

Melnyk fordert Kampfjets

Aus Sicht von Andrij Melnyk, dem ukrainischen Vize-Außenminister und ehemaligem Botschafter in Deutschland, reicht die westliche Zusage nicht aus. Er forderte auf Twitter eine "Kampfjet-Koalition". "Mit F-16 und F-35, Eurofighter und Tornado, Rafale und Gripen und allem, was geliefert werden kann, um die Ukraine zu retten", schrieb er.

Scholz erteilte der Forderung schnell eine Absage: "Dass es nicht um Kampfflugzeuge geht, habe ich ja sehr früh klargestellt und mache das auch hier", betonte Scholz am Mittwoch (25. Januar) im Bundestag. Als kurz nach Kriegsbeginn über Flugverbotszonen diskutiert worden sei, hätte er gemeinsam mit US-Präsident Joe Biden deutlich gemacht: "Das werden wir nicht tun. Und an dieser Haltung hat sich gar nichts geändert und wird sich auch nichts ändern", so Scholz. Man wolle eine Eskalation zu einer Auseinandersetzung zwischen der Nato und Russland vermeiden.

Auch die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann zeigte sich skeptisch. "Ich sehe das nicht mit den Flugzeugen, um das direkt zu sagen", sagte sie im Interview mit RTL/ntv. Die Lieferung von Flugzeugen bedeute ganz andere Herausforderungen und Risiken als die Lieferung von Panzern. "Wenn ein Panzer unter Umständen nicht richtig bedient wird, dann bleibt er stehen. Bei einem Flugzeug fällt es runter. Und eine Luftüberlegenheit zu bekommen, ist unwahrscheinlich", erklärte sie.

Experte: Forderung nach Kampfflugzeugen "nicht ganz aus der Luft gegriffen"

Experte Gressel allerdings meint: "Die Forderung nach Kampfflugzeugen ist nicht ganz aus der Luft gegriffen. Die Ukraine betreibt Kampfflugzeuge hauptsächlich der Typen Su-27 und MiG-29, dazu noch einige Su-24 und Su-25."

Es gebe dabei wenig, was der Westen nachliefern könne. "Die Polen haben zum Beispiel schon viele Raketen für die MiG-29 nachgeliefert, die Bulgaren haben Su-25 abgetreten", sagt Gressel. Teilweise seien Ersatzteile geliefert worden, mit denen die Ukraine Geräte habe instand setzen können.

"Aber auch hier stellt sich früher oder später die Frage der Nachfolge", meint er. Es gebe Gerüchte, dass bereits ein gewisses Training ukrainischer Piloten an westlichen Maschinen stattfinde. "Offiziell heißt es: Die Ukraine hat mehr Piloten als Maschinen und die Piloten sollen ihre Flugfähigkeit nicht verlernen", sagt er.

Deutschland nicht unter Zugzwang

Wenn die Debatte um Kampfjet-Lieferungen heißer werde, sieht er Deutschland aber nicht unter großem Zugzwang. "Es wird wahrscheinlich Flugzeuge betreffen, die jetzt ausgeschieden werden. Die meisten internationalen Partner, vor allem die USA, kaufen den Kampfjet F-35", sagt Gressel. Sie bekämen dadurch gebrauchte Flugzeuge frei.

Zu den Modellen, die Melnyk forderte, zählen F-16, Eurofighter und Tornados. Die Entscheidung über Flugzeuge werde früher oder später wohl kommen, an Deutschland aber vermutlich größtenteils vorbeigehen, schätzt Gressel."Deutschland hat niemals F16 oder F18 betrieben. Die Flugzeugmuster, die für so etwas in Frage kommen, stehen in Deutschland nicht zur Verfügung", meint Gressel.

Experte: "Geld bei Leopard-Panzern besser angelegt"

Die Tornados seien sehr alt, Italien und Großbritannien hätten sie schon ausgeschieden, sodass man keine Koalitionen zusammenbekomme. "Der Tornado hat nur eine sehr eingeschränkte Luftfähigkeit. Hier braucht die Ukraine Maschinen, die ein viel breiteres Aufgabenspektrum abdecken", sagt Gressel.

Eine Lieferung in die Ukraine würde außerdem sehr viel Geld kosten. "Dieses Geld wäre bei Leopard-Panzern besser angelegt. Das ist die deutsche Stärke und das macht einen Unterschied auf dem Schlachtfeld", meint er.

Über den Experten: Gustav Gressel ist Experte für Sicherheitspolitik, Militärstrategien und internationale Beziehungen. Er absolvierte eine Offiziersausbildung und studierte Politikwissenschaft an der Universität Salzburg. Schwerpunktmäßig befasst sich Gressel mit Osteuropa, Russland und der Außenpolitik bei Großmächten.

Verwendete Quellen:

  • Bundesregierung.de: Bundesregierung kündigt Lieferung von Leopard-2-Panzern an die Ukraine an
  • Tagesschau.de: Wie der "Leopard" in die Ukraine kommt
  • Twitter-Profil (Stand: 28. Januar) von Andrij Melnyk
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