• Zu wenige junge Menschen müssen immer mehr Rentner finanzieren.
  • Die kommende millionenfache Verrentung der Babyboomer destabilisiert das Rentensystem.
  • Die Politik diskutiert darüber, ob das Renteneintrittsalter angehoben werden soll.

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Rentendiskussionen kamen in den vergangenen Jahren so verlässlich wieder wie das Weihnachtsfest. Im Jahr 2007 hatte die Große Koalition die "Rente mit 67" beschlossen. Der damalige Arbeitsminister: Olaf Scholz. 2014 führte Arbeitsministerin Andrea Nahles die "Rente mit 63" ein.

Im vergangenen Bundestagswahlkampf versprach die SPD, dass das Rentenniveau nicht weiter sinken und sich das Renteneintrittsalter nicht erhöhen soll. Doch wegen aktueller Debatten um Fachkräftemangel und die Folgen geburtenschwacher jüngerer Generationen für das Rentensystem sind genau darüber nun allerdings wieder Debatten entbrannt. Die Politik will, dass Menschen wieder später in Rente gehen.

Ein Drittel der jährlich neuen Rentner nehmen "Rente mit 63" in Anspruch

Doch wann gehen die Menschen derzeit eigentlich tatsächlich in den Ruhestand? Zum Jahresende 2021 lag das durchschnittliche Rentenalter der Menschen bei 64,1 Jahren. Das ergeben Zahlen der Deutschen Rentenversicherung. 31,3 Prozent der Neurentner im Jahr 2021 sind über die "Rente mit 63" in ihren Ruhestand eingetreten.

Das Alter, in dem die Menschen in Rente gegangen sind, hat sich immer weiter verschoben. Gingen im Jahr 1996 noch 49,9 Prozent der Menschen mit 60 Jahren in Rente, lag der Schwerpunkt im letzten Jahr bei den 63-64-Jährigen. 50,2 Prozent der Menschen gingen im Jahr 2021 in diesem Alter in Rente.

Das Verhältnis von Rentnern zu Arbeitnehmenden gerät derweil immer mehr in eine Schieflage. Im Jahr 1985 kamen auf 24 Rentner noch 100 Erwerbspersonen. Heute müssen 100 Menschen im arbeitsfähigen Alter 36 Rentner finanzieren, sagte eine Sprecherin der Deutschen Rentenversicherung. Wie also soll die Politik mit dieser Situation umgehen?

Politik diskutiert über die Anhebung des Renteneintrittsalters

In der Politik und unter Experten herrscht Uneinigkeit bei diesem Thema. "Mit einer weiteren Anhebung der Regelaltersgrenze ließe sich das zahlenmäßige Verhältnis von Rentnern zu Beitragszahlern stabilisieren und damit sowohl der Beitragssatzanstieg als auch der Rückgang des Rentenniveaus bremsen," sagt Jochen Pimpertz vom Institut der Deutschen Wirtschaft Köln. Damit dies umgesetzt werden könnte, müssten aber die "Anreize zum vorzeitigen Renteneintritt" beseitigt werden.

Damit meint Pimpertz die sogenannte "Rente mit 63". Zudem sei eine zusätzliche private Altersvorsorge zwingend geboten, wenn die Menschen im Alter ihren Lebensstandard halten wollten. Dieser Meinung ist auch die CDU. "Für jedes Jahr länger leben einen Monat später in Rente", forderte diese Woche Unionsfraktionsvize Jens Spahn im Tagesspiegel.

Olaf Scholz

Olaf Scholz: Zu viele gehen vorzeitig in Rente

Kanzler Olaf Scholz findet, zu viele Arbeitnehmer in Deutschland gehen vorzeitig in Rente. Dazu kommt ein beständiger Arbeitskräftemangel. Außerdem sieht der SPD-Politiker "Steigerungspotenzial" beim Anteil von Frauen am Arbeitsmarkt.

Diese Forderungen sieht der Sozialverband VdK Rheinland-Pfalz kritisch. "Jede Erhöhung der Regelaltersgrenze, bedeutet eine Rentenkürzung für diejenigen, die eh schon am wenigsten aus dem System herausbekommen," erklärt Moritz Ehl, Sozialrechtsexperte des Verbands. Geringverdienende könnten sich keine Riester-Rente leisten, und Gutverdienende könnten Ausgleichszahlungen für die Rentenabschläge zahlen. "Eine Erhöhung um einzelne Monate löst die Grundprobleme im Rentenbereich ohnehin nicht", sagt Ehl.

Vielmehr sieht der Sozialverband die Anhebung des Eintrittsalters als "Scheinlösung". Dies sei vielmehr eine Frage der Berufsgruppen. Insbesondere Menschen, die auf dem Bau, am Fließband und in der Pflege arbeiteten, würden nicht nur weniger verdienen, sondern hätten auch eine geringere Lebenserwartung, so der Sozialrechtsexperte.

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Experte: Bessere Kinderbetreuung und Pflegeangebote zur Stabilisierung der Rente

Hinzu kommt für das deutsche Rentensystem ein weiteres Problem: In den nächsten 15 Jahren werden 12,9 Millionen Erwerbspersonen das Renteneintrittsalter überschreiten. "Dies entspricht knapp 30 % der heute dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Erwerbspersonen", warnte das Statistische Bundesamt bereits in diesem Sommer.

Auf lange Sicht müssten sich daher die Grundlagen des Rentensystems ändern, fordert der VdK. So sollten alle Erwerbstätigen in die Rentenversicherung einzahlen, was die Rentenversicherung "auf breitere Füße stellen" würde. Auch wenn mehr Frauen und Zugewanderte in besser bezahlte Positionen kämen, könnte das die Situation rund um die Rente entspannen, meint der VdK. Dies wiederum gelänge nicht ohne eine bessere Finanzierung von Angeboten in der Kinderbetreuung und der Pflege.

Der für diese Reformen zuständige Bundesarbeitsminister Hubertus Heil forderte kürzlich in der Bild am Sonntag, dass sich nicht das gesetzliche, sondern das tatsächliche Renteneintrittsalter ändern müsse. Doch wie genau das aussehen und für wen dies in welchem Maße gelten soll, hat er bisher nicht gesagt. Dies dürfte noch für viele hitzige Diskussionen sorgen.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Moritz Ehl, Sozialrechtsexperte beim Sozialverband VdK Rheinland-Pfalz
  • Gespräch mit Dr. Jochen Pimpertz, Leiter der Forschungsgruppe Staat, Steuern und Soziale Sicherung am Institut der Deutschen Wirtschaft Köln.
  • Gespräch mit Sabine Kraatz, Sprecherin der Deutschen Rentenversicherung
  • Tagesspiegel.de: Spahn zu Rentendebatte: "Für jedes Jahr länger leben einen Monat später in Rente"
  • Bild.de: Rente erst mit 70? Ampel und Experten wollen, dass wir länger arbeiten
  • Destatis.de: 12,9 Millionen Erwerbspersonen erreichen in den nächsten 15 Jahren das gesetzliche Rentenalter
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