Maybrit Illner diskutierte am Donnerstagabend die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels mit ihren Studiogästen. Dabei ging es um fehlendes Geld, überforderte Kommunen und sichere Herkunftsländer. Vielen Diskussionsteilnehmern war Ratlosigkeit ins Gesicht geschrieben. Europapolitiker Manfred Weber verriet, welche deutsche Tatsache in der EU immer wieder für Verwunderung sorgt.

Eine Kritik
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Deutschland zählt über 1 Million Menschen aus der Ukraine und schon allein in diesem Jahr kamen über 100.000 Asylbewerber. Die Städte und Gemeinden wollen mehr Geld – doch beim Flüchtlingsgipfel haben Bund und Länder mehr vertagt als beschlossen. Der Bund hat zugesagt, 1 Milliarde Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen.

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Das ist das Thema bei "Illner"

Maybrit Illner überschrieb ihre Sendung vom Donnerstagabend (10.) mit dem Titel: "Zu viele Menschen, zu wenig Geld". Zum Thema machte sie die Ergebnisse des Treffens von Bund und Ländern zum Thema Flüchtlingspolitik. Denn trotz des Gipfels geht der Streit um ein neues Finanzierungssystem weiter – Klarheit soll es erst im November geben. Was hilft den Kommunen bis dahin?

Das sind die Gäste

Omid Nouripour (Grüne): Der Grünen-Vorsitzende befand: "Es ist notwendig für die Kommunen, dass es Planungssicherheit gibt." Der November sei zu spät, um für Klarheit zu sorgen. Es gehe nicht nur ums Geld und die Länder müssten noch einiges in puncto Digitalisierung leisten. Viele fühlten sich nicht von der Zahl der Flüchtlinge überfordert, sondern von der Dauer, die die Menschen blieben.

Stephan Weil (SPD): Der niedersächsische Ministerpräsident gab zu: "Ich bin nicht zufrieden mit dem Ergebnis insgesamt". Man habe aber mit der 1 Milliarde ein Etappenziel erreicht. "Meine Befürchtung ist, die Zahlen in diesem Jahr werden weiter steigen", so Weil. Man könne sich das Problem nicht nur mit der "normalen fiskalischen Logik" anschauen, sondern müsse auch das Klima in der Gesellschaft im Blick haben.

Manfred Weber (EVP): "Auf der europäischen Ebene sind viele überrascht, warum Deutschland jedem Flüchtling, der kommt, gleich Hartz-IV-Standard gibt. Die Höhe, die Deutschland gewährt, ist beispiellos in der Europäischen Union", sagte der Europapolitiker. Das sei für Deutschland ein Problem, weil es für die Flüchtlinge attraktiver sei, nach Deutschland zu kommen.

Mariam Lau: "Wir nähern uns jetzt in vielem dem an, was Horst Seehofer mal gefordert hat", sagte die Journalistin. Im Koalitionsvertrag stehe, die Zahl der irregulären Migration müsse sinken und man spreche über Verfahren an den Außengrenzen. Eine Hoffnung sei, dass bis zum Herbst viele ukrainische Flüchtlinge wieder zurückgegangen seien. Außerdem könne man durch die Anerkennung von Georgien und Moldau viele Menschen, die sich aktuell in aussichtslosen Verfahren befinden würden, wieder zurückbringen. "Die Zeiten, in denen man Geld auf Probleme werfen konnte, sind einfach vorbei", so Lau.

Birgit Glorius: Die Migrationsexpertin sagte: "Wir sind jetzt sicherlich in einer absoluten Ausnahmesituation." Inzwischen sei ein "kumulativer Punkt der Überlastung" erreicht, den man nicht mit Geld heilen könne. Trotzdem brauche es Geld, welches nachhaltig gesichert sei. Die Debatte drehe sich zu stark um die Abschottung Europas.

Heiko Teggatz: Der Vorsitzende der Deutsche Polizeigewerkschaft klagte: "Jeder, der nicht Gefahr laufen möchte, von der Bundespolizei zurückgewiesen zu werden an der Grenze, der geht um Passau um den Grenzstein und kommt auf der tschechischen Seite nach Deutschland. Dann ist uns die Befugnis genommen." Denn nach Österreich dürfe man direkt zurückschieben, nach Tschechien nicht. Man müsse den Migrationsdruck nehmen, bevor man sich Gedanken mache, wie man mit denjenigen umgehe, die hier sind.

Das ist der Moment des Abends bei "Illner"

Ministerpräsident Weil verglich die aktuelle Situation mit der von 2015/16: "Wir haben eine bessere Situation als 2015/16 und eine schlechtere", sagte er. Damals sei die Situation auf dem Wohnungsmarkt entspannt gewesen. "Das ist definitiv jetzt nicht der Fall. Deshalb ist es für die Kommunen so schwierig, Unterkünfte überhaupt zu organisieren", so Weil. Besser sei, dass des einen eklatanten Arbeitskräftemangel gebe. Die Aufnahme in den Arbeitsmarkt mache das zum Beispiel für Ukrainer wesentlich leichter.

"Wenn jetzt der zweite Ast bei den Asylanträgen stark wächst in diesem Jahr, dann kommen wir wirklich in Probleme, fürchte ich", sagte Weil weiter. Das sei mit nationalen Mitteln nicht zu verhindern, "da müssen wir auf Europa setzen", forderte er.

Das ist das Rede-Duell des Abends

"Das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten halte ich für extrem überschätzt", sagte Nouripour und führte aus: Ich würde nicht grundsätzlich sagen, Staaten, die in die Europäische Union wollen und einen Kandidatenstatus bekommen, muss man als sichere Herkunftsstaaten einstufen." Denn dann würde etwa die Türkei dazukommen, wo der Abbau der Rechtsstaatlichkeit in den letzten Jahren greifbar gewesen sei.

Da leitete Weber ein: "Es sind in der Türkei 4 Millionen Flüchtlinge untergebracht. Wenn man sich dann hinstellt und sagt: Weil die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei nicht gewährleistet ist, darf man keine Flüchtlinge zurückschicken." Nouripour unterbrach ihn: "Wollen Sie auch nach Afghanistan abschieben?"

Weber konterte: "Ich höre nur von den Grünen ´Das bringt wenig, das bringt wenig, das bringt wenig`." Damit war der Streit nicht beendet – Weber und Nouripour zankten als Nächstes über den EU-Türkei-Deal.

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So hat sich Maybrit Illner geschlagen

Maybrit Illner stellte inhaltlich gute Fragen, aber die Debatte sprang zu oft von dem kleinen Rahmen der Kommunen auf die große Ebene der EU umher. So wollte Illner von SPD-Mann Weil wissen: "Haben Sie schlecht für die Kommunen verhandelt?" und "warum und wie wichtig ist es, dass in den Kommunen die Arbeit funktioniert?".

Dann ging es um sichere Herkunftsländer und Hot-Spot-Zentren an den Außengrenzen. Ein wenig mehr roter Faden hätte der Moderation gutgetan.

Das ist das Ergebnis bei "Illner"

Die Besetzung der Runde war nicht ideal. Um etwas mehr Debatte anzukurbeln, hätte ein Oppositionspolitiker Not getan. Weil merkte man an, dass er als Ministerpräsident und SPD-Politiker etwas zwischen den Stühlen von Land und Bundesregierung saß.

Im Ergebnis war die Sendung zu wenig lösungsorientiert. Immer wieder wurde festgehalten, dass man mit Geld nicht alle Probleme lösen kann und die Hilfe von der EU gebraucht wird. Eine Frage wie "Sind die 1,1 Mio. Ukrainer das Problem?" hätte man getrost durch: "Wie kann man die Kommunen konkret entlasten?" ersetzt werden können.

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