Menschen können sich wegen dieser Dinger bald nichts mehr merken. Das dachte man vor ein paar hundert Jahren über Bücher. Heute stehen Smartphones in der Kritik. Zu Recht? Ja, sagt der Psychiater und Autor Manfred Spitzer bei "Hart, aber fair". Smartphones machten süchtig und krank, daher sollten sie am besten erst ab 18 benutzt werden. Immerhin ein Gast zweifelt Spitzers Thesen an.

Eine Kritik

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Frank Plasberg ist süchtig. Sagt der Moderator selbst. In einem kurzen Videoclip erzählte der Moderator vor ein paar Tagen auf Twitter, wie er einmal Entzugserscheinungen bekam, als er plötzlich auf sein Handy verzichten musste.

Wenn schon ein Erwachsener wie Plasberg Probleme damit hat, auf sein Smartphone zu verzichten, wie sieht es dann bei Kindern aus? Braucht es ein Handyverbot an Schulen? Darüber und über noch viel mehr wollte Plasberg sprechen.

Mit diesen Gästen sprach Frank Plasberg:

  • Manfred Spitzer, Ärztlicher Leiter der Psychiatrischen Universitätsklinik Ulm
  • Thomas Heinze, Schauspieler und Vater
  • Yvonne Gebauer (FDP), NRW-Ministerin für Bildung und Schule
  • Anne-Sophie Briest, Schauspielerin, betreibt zwei Kitas
  • Jöran Muuß-Merholz, Erziehungswissenschaftler und Medienpädagoge

Darüber wurde bei "Hart, aber fair" gesprochen:

"Schulverweis fürs Handy - wie gefährlich sind Smartphones?" fragt Plasberg ebenso reißerisch wie undifferenziert, schließlich sind Smartphones an sich natürlich ungefährlich.

Was Plasberg aber meint, ist die Frage, inwieweit ein zu häufiger, zu langer oder zu unkritischer Gebrauch Menschen, Gruppen oder der Gesellschaft schaden kann.

Dementsprechend vielfältig waren auch die einzelnen Aspekte. Man könnte auch sagen, dass es ein wenig durcheinander zuging.

Zunächst widmete man sich der vermeintlichen oder tatsächlichen Abhängigkeit von Smartphones. Hier hob vor allem Manfred Spitzer den mahnenden Zeigefinger, denn seiner Meinung nach machen Smartphones durchaus süchtig: "Sucht ist ein ernsthaftes Problem."

Davon abgesehen verursache oder begünstige Smartphonenutzung Krankheiten wie Demenz oder Diabetes, so Spitzer. Smartphones ja, aber erst ab 18, plädiert der Psychiater daher.

Anne-Sophie Briest und Thomas Heinze sehen das nicht so rigoros, für sie gehören Smartphones zum Alltag – allerdings in Verbindung mit dem Erlernen eines verantwortungsvollen Umgangs damit.

Beim verantwortungsvollen Umgang kommt dann auch der Digitalisierungsstand deutscher Schulen ins Spiel. Hier gebe es Rückstand, der aber in den kommenden Jahren aufgeholt werde, wie NRW-Bildungsministerin Gebauer verspricht.

Das waren die Erkenntnisse bei "Hart aber fair"

Glaubt man den Ausführungen Spitzers, dann hätte die Diskussion eigentlich nach dessen erstem Statement vorbei sein müssen. Smartphones machen süchtig und krank, in Kinderhände gehören sie deshalb schon gleich gar nicht.

Die Entwicklung ging für Spitzer zu schnell, so dass keine Technikfolgen-Abschätzung durchgeführt werden konnte. Sein Fazit: "Wer elektronische Medien zu viel nutzt, zerschießt sich seine Bildung und das macht ihn risikoanfälliger für Demenz."

Zum Beleg seiner Aussagen zitiert Spitzer aus einigen Studien, ansonsten bleibt es den Rest des Abends in puncto wissenschaftlicher Erkenntnisse erschreckend mau. Fast jeder in der Runde darf auf Anfrage erzählen, wie er oder sie es denn zu Hause mit dem Smartphone hält. Das sind ganz nette Anekdoten – mehr aber auch nicht.

Negativer Höhepunkt dieser anekdotischen Evidenz ist dann die Geschichte von Professor Spitzer. Als ihm eine Mutter nach einem Vortrag erzählte, ihr Sohn habe sie in die Hand gebissen, weil sie ihm das Handy wegnehmen wollte, antwortete Spitzer: "Das ist ein ziemlich klares Zeichen für Sucht." Oder eben für alles mögliche andere.

Das Rededuell des Abends

Von einem richtigen Rededuell kann man nicht sprechen, aber immerhin gelingt es Jöran Muuß-Merholz zwar als Einzigem, aber dafür gleich mehrfach, den Thesen Spitzers zu widersprechen.

Als Spitzer über die Gesundheitsrisiken von Smartphones behauptet: "Wenn man das alles zusammenzählt, ist Rauchen fast ein Klacks. Dazu stehe ich, weil es die Datenlage hergibt", lässt Muuß-Merholz das so nicht stehen.

"Ich bin jetzt ein bisschen misstrauisch, weil ich die letzten Bücher von Herrn Spitzer gelesen habe und geguckt habe, was andere Wissenschaftler dazu gesagt haben. Und bei den zitierten Studien kommt heraus, dass das sehr selektiv ausgesucht ist. Herr Spitzer hat eine Meinung und sucht sich dann die Studien und die Thesenbelege dazu, die genau das unterstützen. Wenn man sich diese Studien dann ansieht, ist das nicht immer ganz eins zu eins, was Herr Spitzer sagt", erklärt Muuß-Merholz; Spitzers Thesen werden in der Tat nicht von all seinen Kollegen geteilt.

So schlug sich Frank Plasberg

Am Anfang ist es ein bisschen eine Wild-West-Debatte ohne erkennbaren Plan. Das Problem: In der Mitte und am Schluss auch. Jeder darf ein bisschen aus seinem Smartphone-Erfahrungsschatz plaudern, am Ende wird sogar noch Anne-Sophie Briests Tochter, eine 15-jährige Youtuberin, dazugeschaltet, die davon erzählen darf, dass sie ihr Abi lieber online machen wolle.

Das meiste davon bleibt ohne größeren Erkenntnisgewinn, genauso wie eine völlig unnötige, weil aussagelose Passantenumfrage, ob man einen Nachmittag lang einer WDR-Redakteurin sein Handy überlassen würde.

Auch Plasberg scheint den Abend über lieber an einem launigen Spruch interessiert zu sein als an einer ernsthaften Diskussion.

Das Fazit

Ganz viel Bauchgefühl, ganz viel Oberflächlichkeit. Der ganzen Runde hätten deutlich mehr Stimmen aus der Wissenschaft und Pädagogik gut getan, was am Ende auch Muuß-Meerholz kritisiert: "Wir haben hier keinen Lehrer oder Schüler in der Runde sitzen, was ich anprangere. Tatsächlich passiert in Schulen aber sehr viel Positives."

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