Hygieneregeln einhalten, Abstand halten, Maske auf – medizinisch ist klar, wie man durch die Pandemie kommt. Am Donnerstagabend ging es bei "maybrit illner" dann auch viel mehr um die richtige Ansprache und die Einbeziehung des Parlaments. Da blieb für die Frage, wie es um einen Impfstoff steht, leider viel zu wenig Zeit.

Christian Vock
Eine Kritik
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Die Zahl der Corona-Neuinfektionen klettert von Rekord zu Rekord. Vor einer Woche fragte Maybrit Illner an gleicher Stelle dementsprechend: "Corona-Chaos – gerät die Pandemie außer Kontrolle?"

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In dieser Woche hat sich an der Gefährlichkeit der Lage in Deutschland im Wesentlichen nicht viel geändert und so ist bei "maybrit illner" am Donnerstagabend die Frage die gleiche, nur ein wenig anders formuliert: "Risikogebiet Deutschland – Schaffen wir die Corona-Wende?"

Mit diesen Gästen diskutierte Maybrit Illner:

  • Peter Tschentscher (SPD), Erster Bürgermeister von Hamburg
  • Christian Lindner (FDP), Parteivorsitzender
  • Jagoda Marinić, Schriftstellerin
  • Georg Mascolo, Journalist
  • Susanne Herold, Infektiologin (zugeschaltet)
  • Stefan Oschmann, Vorsitzender der Geschäftsleitung des Pharmakonzerns Merck (zugeschaltet)

Darüber diskutierte die Runde bei "maybrit illner":

"Alle müssen verstehen: Es ist jetzt ernst. Und es nützt nichts, immer schärfere Regeln zu machen, wenn schon die alten nicht eingehalten werden. Wir brauchen jetzt Disziplin, dazu gehören allerdings auch Kontrolle und Sanktionen." Peter Tschentscher beginnt mit einer Lagebeschreibung, einer Handlungsempfehlung und dem Ausdruck seiner Sorge, wenn er auf die Menschen blickt, denen entweder die Gesundheit anderer egal ist oder die grundsätzlich an der Wissenschaft zweifeln.

Über die ersten beiden Punkte Tschentschers sollte an diesem Abend bei "maybrit illner" nicht allzu viel gestritten werden. Über den Weg, wie man die Menschen, auch die notorischen Wissenschaftsverweigerer, am besten mitnimmt, aber schon. Jagoda Marinić will den Ernst der Lage nicht herunter reden, für sie muss aber gerade deshalb die Vermittlung stimmen: "Es bereitet mir Sorge, wenn es in dieser Ansprache noch einmal 18 Monate gehen soll. Ich glaube, dass das nicht funktionieren wird."

In einer Demokratie müsse es auch Widerrede geben, so Marinić. Am Anfange sei man in einer Schockstarre gewesen. "Jetzt in dieser zweiten Welle geht’s glaube ich darum, zu verstehen: Diese Krise wird ein gewisser Normalzustand." Marinić geht es nun darum, die Bevölkerung mitzunehmen zu einem Krisenmanagement: "Wir haben dieses Virus, wir haben Regeln, die helfen und wir müssen vielleicht noch besser auf die Wissenschaftler hören."

Ähnlich sieht es Georg Mascolo. Der Journalist glaubt, dass man die Geschlossenheit zwischen Politik und Bürgern aufrechterhalten und in manchen Bereichen sogar "zurückerobern" müsse. Das sei aber zunehmend schwierig, denn selbst die WHO mache bereits auf das Phänomen der "pandemischen Erschöpfung" aufmerksam: "Man ist es im Grunde leid."

Diese Pandemie-Müdigkeit lasse sich aber nach Mascolo nicht mit Druck überwinden: "Ich glaube nicht daran, dass sich Prävention im Kern mit Repression durchsetzen lässt." Man müsse auf Überzeugung setzen, aber auch auf staatliche Mittel bei denen, "die es überhaupt nicht begreifen wollen".

Bereits Marinić fordert, dass man das Parlament zurück ins Spiel bringen müsse: "Ich möchte, dass eine Krise mit einem Parlament gemeistert wird, dass breit diskutiert und nicht gesagt wird, da gibt es keine Widerrede."

Peter Tschentscher verteidigt sich an anderer Stelle, dass die Parlamente sehr wohl einbezogen würden, sieht aber auch bei Regierungen das Gebot, schnell und konsequent handeln zu können. Christian Lindner will das nicht stehen lassen, sieht sich als Parlamentarier übergangen: "Der Deutsche Bundestag wird über die Medien und über Podcasts informiert."

Der Schlagabtausch des Abends:

Natürlich wird auch in der Runde miteinander diskutiert, aber im Grunde herrscht zu viel Einigkeit in den grundlegenden Positionen, als dass es einen richtigen Schlagabtausch geben kann. Stattdessen richtet sich die Kritik viel mehr an Menschen, die gar nicht mit am Tisch sitzen: "Mir ist die 'Wir schaffen das'-Merkel lieber als die Unheil-Merkel", bemerkt Jagoda Marinić etwa in Hinblick auf die veränderte Rhetorik der Kanzlerin in der Pandemie.

Christian Lindner sieht bei Tschentschers Ministerpräsidentenkollegen Optimierungsbedarf in der Wortwahl: "Sie, Herr Tschentscher, sind ein vornehmer Mann. Andere Regierungschefs sprechen davon, 'es sollten die Zügel angezogen werden'. Was ist das alleine für ein Vokabular gegenüber dem Souverän, den Bürgerinnen und Bürgern, dass 'Zügel angezogen werden sollen'? Die Menschen in Deutschland sind Grundrechtsträger. Da muss sich der Staat rechtfertigen, wenn er in Freiheiten eingreift", macht sich Lindner mit Blick auf Äußerungen des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder Luft.

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So schlug sich Maybrit Illner:

Im Prinzip ist es eine Diskussion, die man so oder so ähnlich bereits sehr oft geführt hat, mit dem Konsens: Abstand halten, Masken aufsetzen, Kontakte verringern und Hygienemaßnahmen wie Händewaschen durchführen. Dass über die richtige Vermittlungsstrategie und über eine Pandemie-Müdigkeit diskutiert wird, bringt die Diskussion erst wirklich auf den Stand des Herbstes.

Umso spannender wäre es gewesen, hätte man mehr Informationen aus den Reihen der Wissenschaft bekommen. Die zugeschaltete Infektiologin Susanne Herold sieht man allzu oft in dem Bemühen, sich selbst in die Diskussion einzubringen, statt nur auf den Zuruf von Illner zu warten.

Stefan Oschmann vom Pharmariesen Merck bleiben sogar nur ganz wenige Minuten am Schluss, um in aller Eile ein paar Wasserstandsmeldungen zu Impfstoff- und Medikamentenentwicklung abgeben zu dürfen. Wie man dann mit diesen Ergebnissen umgehen soll, darauf kann Georg Mascolo nur noch mit mehreren Fragen und der Prognose hinweisen: "Da steht eine der großen Gerechtigkeitsfragen an."

Das Fazit:

Der Neuigkeitswert bleibt am Donnerstagabend hinter den Erwartungen zurück und so beschreibt Susanne Herold die aktuelle Lage ganz treffend: "Wir waren in der ersten Welle alle in Schockstarre. Die Situation ist jetzt eine andere: Wir sind in der Phase der Pandemiemüdigkeit. Eigentlich müssten wir aber so agieren wie damals." Sprich: Zähne zusammenbeißen und Hygiene- und Abstandsregeln weiter einhalten, auch, wenn man pandemiemüde ist.

Dann, so viel ist den Aussagen von Stefan Oschmann immerhin zu entnehmen, könne man im kommenden Jahr mit Ergebnissen aus der Impfstoff- und Medikamentenforschung rechnen. Was das konkret bedeutet und wie groß die Hoffnungen sein dürfen, dafür reicht die Zeit nicht.

Peter Tschentscher blickte mit seinem Schlusswort trotzdem hoffnungsvoll auf 2021: "Wir können sehr sicher sein, dass wir im nächsten Frühjahr in einer besseren Lage sind."

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