• Am Donnerstagabend ging es in der Talkrunde von Maybrit Illner im ZDF um die aktuelle Corona-Lage und die Beschlüsse der Politik.
  • Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery forderte die Politik endlich zum entschlossenen Handeln auf. Der Mediziner kritisierte die anwesenden Katrin Göring-Eckardt und Helge Braun sowie das "Freiheitsgesäusel" der FDP.
  • Der Mediziner Christian Karagiannidis erinnerte an die Einhaltung der Maskenpflicht als wichtige Akutmaßnahme.
Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Stüwe dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Am Donnerstag trafen sich erstmals seit Oktober Bund und Länder bei einer Ministerpräsidentenkonferenz und einigten sich auf neue Corona-Regeln. Unter anderem wird ab einer bestimmten Hospitalisierungsgrenze künftig 2G gelten, eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen soll eingeführt werden.

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"Politik wieder im Alarmzustand - kommt der Lockdown für Ungeimpfte?", fragte Maybrit Illner am Donnerstagabend im ZDF und diskutierte mit ihren Gästen darüber, wie die vierte Welle der Corona-Pandemie gebrochen werden kann.

Diese Gäste diskutierten mit Maybrit Illner:

Helge Braun: Der geschäftsführende Kanzleramtsminister kandidiert für den Vorsitz der CDU. Braun wirkte ein wenig müde, zeigte sich aber zufrieden mit den Ergebnissen des Coronagipfels. "Das war wahnsinnig überfällig", sagte er mit Blick auf die Ministerpräsidentenkonferenz: "Heute sind wir einen wichtigen Schritt weitergekommen, um die Lage in den Griff zu bekommen."

Katrin Göring-Eckardt: Als "granatenmäßig-krass" bezeichnete die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag den Anstieg der Infektionszahlen. Göring-Eckardt forderte, dass die Impf- und Booster-Kampagne nun mit Vollgas angeschoben werden müsse: "Wir müssen faktisch jetzt jeden Tag eine Million Menschen impfen, damit wir nicht in so eine Art Dauerwelle kommen, die sich noch über den Januar und Februar hinauszieht."

Frank Ulrich Montgomery: Der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebunds hatte kürzlich von einer "Tyrannei der Ungeimpften" gesprochen und damit für viel Aufsehen gesorgt. Der Mediziner beharrte auf seinem Standpunkt. "Es ist doch keine Tyrannei, wenn ich jemand die Folgen seines Handelns selber tragen lasse", sagte er mit Blick auf mögliche Einschränkungen für Ungeimpfte: "Die Ungeimpften grenzen sich selbst aus, weil sie nicht bereit sind, die grundsätzlichen solidarischen Akte für ihre Mitmenschen zu tun." Lange habe man es mit Zuckerbrot probiert. Das habe nicht funktioniert. Nun ist wohl die Peitsche an der Reihe.

Giovanni di Lorenzo: Der Chefredakteur der "Zeit" sah eine Teilschuld für die aktuelle Lage auch bei der Bevölkerung. "Es gibt in weiten Teilen der Bevölkerung einen Widerstand auch gegen vernünftige Maßnahmen, die schon beschlossen worden sind", sagte der Journalist: "In Italien, einem Land, das als notorisch chaotisch gilt, sind die Leute derzeit sehr viel disziplinierter als wir hier." Di Lorenzo berichtete von einem General der Gebirgsjäger, der in Italien für die Impfkampagne zuständig sei. In Deutschland vermisse er in der Politik eine solche Entschlossenheit.

Hendrick Streeck: "Ich kenne keinen Experten, der nicht gesagt hat, dass der Herbst oder Winter nochmal kritisch wird", sagte der Direktor des Instituts für Virologie an der Universität in Bonn. Streeck hätte sich im Sommer eine gelungene Impfwerbung und vor allem Impfaufklärung gewünscht, um unentschlossenen Menschen die Angst vor der Impfung zu nehmen. Insgesamt hielt sich der Virologe in der Talkrunde am Donnerstag aber ziemlich zurück.

Christian Karagiannidis: Der Lungenfacharzt und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) erlebt die Auswirkungen der Pandemie an vorderster Front. "Wir haben in den Kliniken eine große Routine gewonnen, unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verhalten sich hochprofessionell", sagte der Mediziner. Echte Impfgegner seien ihm im Krankenhausalltag bisher nicht begegnet, erzählte er, die meisten hätten eher aus Nachlässigkeit die Impfung versäumt. Weshalb auch Karagiannidis eine bessere Aufklärung und Forcierung der Impfkampagne durch die Politik forderte.

Wer bei Maybrit Illner Klartext redete:

Während es im Studio recht gemächlich zuging, thronte der zugeschaltete Frank Ulrich Montgomery auf einem großen Bildschirm über der Runde und las aus dieser erhöhten Position den anderen Gästen die Leviten.

"Ihr habt komplett versagt. Wir haben euch das vor Wochen schon als Kassandren gesagt", sagte er direkt in Richtung von Göring-Eckardt und Braun: "Sie schulden den Bürgern jetzt den Respekt, zu handeln." Montgomery zählte mögliche Maßnahmen wie verstärkte Booster-Impfungen oder Forcierung der Erstimpfungen auf.

Kontaktbeschränkungen, bis hin zum Lockdown für Ungeimpfte und im schlimmsten Fall sogar für alle Menschen, wollte er nicht ausschließen. "Die Hütte brennt. Und mir ist völlig egal, auf welchem Rechtskonstrukt der Werkzeugkasten aufgebaut ist. Wir müssen endlich etwas tun", stellte der Weltärztepräsident klar.

Die Impfstoffe gegen COVID-19 bezeichnete er als "die sichersten, die wir jemals hatten" und bekam dafür Zuspruch aus der Runde. "Aber wo ist die Impfstruktur? Wir haben viel, viel Zeit vertan. Israel hat bereits 95 Prozent der Bevölkerung geboostert. Und wir reden hier jetzt, was wir machen -wollen", sagte Montgomery.

Er sei der großen Hoffnung, dass sich "das Freiheitsgesäusel der FDP, die uns eine Freiheit zum Leben verspricht, die in Wirklichkeit eine Freiheit zu Krankheit und Tod ist, nicht durchsetzt. Die Politik muss jetzt Führung zeigen. Man muss vorangehen und nicht immer abwarten, was die Umfragezahlen sagen", erklärte Montgomery abschließend.

Die Forderung des Abends bei Maybrit Illner:

Lungenfacharzt Karagiannidis sprach sich natürlich auch für mehr Booster-Impfungen und mehr Erstimpfungen aus. Um die Lage aber kurzfristig zu verbessern, hatte er eine simple Forderung. Die Bevölkerung müsse sich diszipliniert an die Maßnahmen halten, "dazu gehört ganz besonders das Maskentragen in Innenräumen."

So schlug sich Maybrit Illner:

Die Talkmasterin konfrontierte ihre Gäste mit ihren alten, längst überholten Aussagen in kurzen Einspielern. Etwa Helge Braun, der gesagt hatte, dass die Maßnahmen aufgehoben würden, wenn alle Menschen ein Impfangebot bekommen hätten. Was natürlich nicht realisiert werden konnte. Damit sorgte Illner für den einen oder anderen unangenehmen Moment, insgesamt schaffte sie es aber auch nicht, für mehr Schwung in der Runde zu sorgen.

Fazit:

Insgesamt war es eine ruhige Talkrunde, in der es wenig Neues zu erfahren gab. Der Höhepunkt der Show war der entschlossene Auftritt von Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery. Die Ausgangsfrage, ob nun ein Lockdown für Ungeimpfte kommt, wurde nicht beantwortet. Auch wenn dies niemand ausschließen wollte.

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