Einen Tag nach dem TV-Triell hat Frank Plasberg seine Gäste bei "Hart aber fair" zum Miet- und Wohnungstalk geladen. Dabei geriet der Moderator kurzzeitig aus der Fassung - aufgrund eines klassischen Missverständnisses. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sprach sich indes gegen Enteignungen und eine Neuauflage der Berliner Mietpreisbremse aus.

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Was ist das Thema?

Hinter Klimaschutz und Rente werden Wohnen und Miete in Wahlbefragungen als drittwichtigstes Thema genannt. Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist vielerorts angespannt, in vielen Großstädten sind die Mieten kaum noch bezahlbar.

Bei "Hart aber fair" von Frank Plasberg stritten die Gäste einen Tag nach dem Triell zwischen Olaf Scholz (SPD), Armin Laschet (CDU) und Annalena Baerbock (Grüne) über die richtigen Instrumente, um dem Problem Herr zu werden. Investitionen in den Wohnungsmarkt, Mietendeckel oder doch Enteignungen? Das Thema: "Wie bleibt das Wohnen bezahlbar?"

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Wer sind die Gäste?

  • Hubertus Heil: Für den Bundesminister für Arbeit und Soziales (SPD) ist es das Wichtigste, angesichts der schwierigen Lage auf dem Wohnmarkt das Angebot zu vergrößern. Heil will 400.000 neue Sozialwohnungen im Jahr bauen. Den Berliner Mietendeckel, der unter der Führung der SPD eingeführt wurde, würde Heil nicht noch einmal auflegen. Der war vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden und half den Mieterinnen und Mietern gar nicht, wie Plasberg vorrechnete. Und auch Enteignungen der großen Immobilienkonzerne wie Vonovia oder Deutsche Wohnen – darüber dürfen die Berliner in knapp zwei Wochen in einem Volksentscheid abstimmen – lehnte der SPD-Mann ab. "Enteignungen schaffen keinen neuen Wohnraum", sagte Heil.
  • Tilman Kuban: Auch der Bundesvorsitzende der Jungen Union will in den großen Städten mehr Wohnraum schaffen, beispielsweise durch den Ausbau von Dachgeschossen. Außerdem will er den ländlichen Raum, wo es viele leerstehende Wohnungen gibt, besser anbinden. Das Bauen will Kuban durch die Abschaffung der Grunderwerbssteuer fürs erste selbstgenutzte Eigenheim ankurbeln. Im Berliner Mietendeckel sieht der CDU-Politiker dagegen "ein Instrument, das nicht funktioniert".
  • Ricarda Lang: Die stellvertretende Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen beklagte, dass jene zwei Millionen Menschen, die sich ihre Miete nicht mehr leisten können, von der Großen Koalition im Stich gelassen worden seien. Da funktioniere die soziale Marktwirtschaft "überhaupt nicht. Da braucht man den Staat", so Langs These. Sie will den Mietanstieg auf 2,5 Prozent pro Jahr deckeln, worüber die Kommunen vor Ort entscheiden müssten, und eine Million neue Sozialwohnungen schaffen. Ob sie bei dem Volksentscheid in Berlin für oder gegen Enteignungen stimme? Das ließ Lang offen – sie wollte zwei Wochen vor der Bundestagswahl offenbar keine Wähler vor den Kopf stoßen.
  • Julie Kurz: Die ARD-Korrespondentin im Berliner Hauptstadtstudio berichtete über ihre Erfahrungen auf dem überteuerten Londoner Wohnmarkt, wo eine Wohnung in zentraler Lage schon mal 3.000 Euro kostet. Die Folge: Viele Menschen würden an die Randbezirke flüchten, kleine Läden dichtmachen. Doch die Kluft zu den Mieten in deutschen Städten verringert sich. "It's not that cheap anymore" (dt.: bei euch ist es nicht mehr so billig) würden die Londoner zum Beispiel über die Berliner Mieten sagen, so Kurz.
  • Rainer Hank: Der Publizist und Kolumnist der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, den Plasberg als "Godfather der Marktwirtschaft" vorstellte, hatte eine klare Idee, was gegen gestiegene Preise hilft: eine Steigerung des Angebots, d.h. "bauen, bauen, bauen". Hanks Schlussfolgerung: "Dann weiten wir das Angebot aus und Spekulanten haben keine Chance mehr."

Was war das Rededuell des Abends?

Nachdem Grünen-Frau Lang bei der Frage zu den Enteignungen der Immobilienkonzerne herumeierte, verlor Hank die Fassung. "Da ist so eine aggressive Stimmung in Berlin, da ist was aus dem Ruder gelaufen. Man sollte als Politiker doch versuchen, das rational zu bremsen, und nicht nochmal zwei Wochen drüber nachdenken", kritisierte der Journalist.

Was war der Moment des Abends?

Ein klassisches Missverständnis, bei dem Frank Plasberg beinahe die Fassung verlor. "Darf ich mal sagen, was wir machen wollen, Herr Plasberg, bevor wir hier weiter mit Unterstellungen arbeiten?", fragte Hubertus Heil den Moderator. Es ging gerade darum, dass der Berliner Mietendeckel unter einem SPD-Bürgermeister eingeführt wurde.

Plasberg dachte, Heil habe mit den "Unterstellungen" ihn selbst gemeint, setzte zu einer energischen Gegenrede an und sagte, er arbeite doch überhaupt nicht mit Unterstellungen. Dann zeigte Heil auf Kuban und sagte: "Er schon". Der CDU-Mann beteuerte: "Ich hab doch nur gesagt, dass war ein Regierender Bürgermeister der SPD. Das ist doch nicht falsch." Woraufhin Plasberg, nachdem alle Drei zehn Sekunden lang durcheinander geredet hatten, mahnte: "Füße ruhig halten, Füße ruhig halten!"

Wie hat sich Frank Plasberg geschlagen?

Gewohnt launig-humorvoll führte der Gastgeber durch seinen Montagstalk. "Sie machen den Luxusmaulwurf", sagte er über wohlhabende Londoner, die sich unterirdische Poolanlagen bauen lassen. Einmal bezog er ungewöhnlicherweise selbst Stellung, als er die hohe Grunderwerbsteuer in NRW "abstrus" nannte.

Allerdings konnte man Plasberg auch die eine oder andere verpasste Gelegenheit ankreiden, nachzuhaken. Beim gesamten Komplex "Eigenheim" hätte der Moderator auf die schlechte Ökobilanz solcher Häuser, durch die jedes Jahr unzählige Flächen versiegelt werden, eingehen können.

Was ist das Fazit?

Es war eine Diskussion, bei der vor allem bei einer Frage Einigkeit herrschte: dass in Deutschland mehr Wohnraum geschaffen werden muss. Ansonsten wurden die ideologischen Linien (Kuban, Hank, Heil im weitesten Sinne als Vertreter der Mitte – Lang mit Sympathien für den Mietendeckel) schnell deutlich. Eines fehlte in der wenig mitreißenden Diskussion: ein Vertreter der Linkspartei, der Kuban und Hank mehr aus der Reserve gelockt hätte.

Heil verkörperte am ehesten die ausgleichende Position zwischen marktwirtschaftlichen und linken Instrumenten. "Ich kann mit dieser ideologischen Debatte entweder Mietpreisbremse oder bauen nichts anfangen", sagte der Minister. Ja, man brauche mehr Wohnungsbau in Deutschland, aber das dauere. "In dieser Zeit brauchen wir keinen Deckel, aber in angespannten Lagen müssen wir vorübergehend eine Atempause für Mieter organisieren."

Wie lange es dauern wird, bis die Preisspirale auf dem Wohnungsmarkt in den kommenden Jahren tatsächlich gestoppt ist, wollte niemand prognostizieren. Für viele Millionen Mieter, bei denen das Geld nach Abzug der Miete heute kaum noch zum Überleben reicht, ist das nur schwer zu verdauen.

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