Asylverfahren, Seenotrettung, die Situation auf dem Mittelmeer und die Integration von Flüchtlingen: Es war ein scheinbares Riesenprogramm, das Dunja Hayali in der Auftaktfolge ihres Politmagazins besprechen wollte. Dass sie sich dabei nicht verhob, lag vor allem am klugen Konzept – und an Hayali selbst. Highlight des Abends war eine Meinungsverschiedenheit von CSU-Mann Peter Ramsauer und einem Zuschauer.

Christian Vock
Eine Kritik

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Sie ist wieder da. Genau genommen war Dunja Hayali nie weg, arbeitet die Journalistin doch seit vielen Jahren unter anderem für das "ZDF Morgenmagazin".

Wenn man also von einer Rückkehr spricht, dann bezieht sich das auf Hayalis Rolle als Polit-Talkerin. Einst als Sommervertretung für Maybrit Illner angetreten, hat sie seit 2017 ihre eigene Talkrunde mit ihrem Namen, die nun einmal im Monat ausgestrahlt wird.

So funktioniert "Dunja Hayali":

Was bei "Dunja Hayali" gleich auffällt, ist die Offenheit. Im Zentrum des Studios steht eine halbrunde Couch, auf der Hayali mit ihren Gästen spricht, die direkt nebeneinander sitzen. Das schafft trotz mancher inhaltlicher Ferne Nähe zwischen den Kontrahenten.

Offenheit herrscht auch im Umgang mit den Zuschauern. Als am Mittwochabend ein Zuschauer über die Äußerung von CSU-Vertreter Peter Ramsauer zum Unionsstreit lachte, sprach dieser den Zuschauer direkt an: "Wer hat denn da gerade gelacht? Mit Ihnen rede ich nachher nochmal. Ein Gelächter ist als solches schon lächerlich."

Hayali fackelte nicht lange und eilte mit dem Mikrofon in die Sitzreihen, um einen gleichberechtigten Austausch zu ermöglichen.

Am Augenfälligsten ist bei "Dunja Hayali" aber die Art, wie die Themen angegangen werden. "Dunja Hayali" ist ein Talkmagazin, "bei dem nicht über, sondern mit den Menschen gesprochen wird", heißt es über den Ansatz der Sendung.

Und das spürt man. Hayali macht keine Faktenchecks am Computer, sie geht stattdessen raus, sieht sich an, worüber sie später mit ihren Gästen spricht. Zu denen gehören, auch das ist anders, auch diejenigen, die direkt betroffen sind, wie zum Beispiel ein Mann, der vor acht Jahren nach Deutschland geflohen ist.

Das waren die Themen bei "Dunja Hayali"

Bleibt alles anders – das gilt bei "Dunja Hayali" auch für die Art, wie sie die Themen bespricht. Einen großen inhaltlichen Komplex, wie bei der Auftaktfolge das Oberthema "Flüchtlingspolitik", teilt Hayali in kleine Unterthemen auf, tauscht für jedes dieser Themen auch die Gäste aus.

Über die Ankerzentren, die ab August für ein beschleunigtes Asylverfahren sorgen sollen, sprach Hayali zum Beispiel mit der Spitzenkandidatin der Grünen bei der bayerischen Landtagswahl, Katharina Schulze und dem ehemaligen Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU).

Für die Frage, wie man verhindert, dass immer wieder Menschen im Mittelmeer bei der Flucht ertrinken, lud sich die Moderatorin den stellvertretenden Chefredakteur der "Bild", Nikolaus Blome, Tanred Stöbe von den Ärzten ohne Grenzen, den Vorsitzenden der Denkfabrik Europäische Stabilitätsinitiative, Gerald Knaus und Sohrab Kohistan ein, dessen Vater und Geschwister bei der Flucht starben.

Letztes Thema des Abends war dann die Frage, wie es um die Integration der Geflüchteten in die Gesellschaft bestellt ist.

Dazu waren die sächsische Staatsministerin für Gleichstellung und Integration, Petra Köpping (SPD) und der Geschäftsführer einer Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiative in Leipzig, Wolfgang Osterkamp, eingeladen.

Das waren die Erkenntnisse des Abends:

Auf den ersten Blick mag der Erkenntnisgehalt der Auftaktsendung dünn ausfallen, doch der Eindruck täuscht. Vergleicht man die Talkrunde mit ihren Kollegen "Illner", "Will" und Co. wirkt "Dunja Hayali", was die Erkenntnisse für den Zuschauer anbelangt, nicht weniger gehaltvoll, dafür aber strukturierter.

Bei den Ankerzentren bleibt vom gezeigten Beispiel im mittelfränkischen Zirndorf hängen, dass sich im Vergleich zur jetzigen Praxis nicht viel ändern wird.

Manches läuft dort gut, wie die räumliche Nähe, manches nicht so gut, wie der Unterricht für die Kinder und wieder anderes lässt sich auch durch Ankerzentren nicht ändern, wie zum Beispiel die lange Bearbeitungszeit der Fälle.

Bei der Frage, wie man es schafft, dass weniger Menschen ihr Leben bei der Flucht riskieren, variierten die Lösungsstrategien zwischen Pragmatismus und dem Wunsch, gar nicht erst Fluchtursachen zu haben.

Konkreter wurde es dann beim Stand der Integration in Deutschland. Hier war schnell der gemeinsame Nenner gefunden: "Das Erklären hat zu spät angefangen", urteilte Staatsministerin Köpping darüber, wie Integration besser hätte gelingen können.

Saleh Mandozai, der einst aus Afghanistan geflohen ist und nun eine Ausbildung bei einem Buchhandelsunternehmen macht, hätte das sicher geholfen: "Wenn ich rausgehe, fühle ich mich ganz fremd. Die Leute sind sauer auf mich und ich weiß nicht, warum", erklärte der Flüchtling in einem Einspieler seine Situation.

So hat sich Dunja Hayali geschlagen:

Gut. Hayali war freundlich, aber bestimmt. Sie hakte nach, wenn sich einer ihrer Gäste wand, an der Frage vorbei antwortete oder schlicht falsch lag – und das vollkommen unvoreingenommen. Der Politikshow gewordene Gegenentwurf zum Diskussionsstil des jüngsten Unionsstreits.

Ob es eine gute Wahl ist, ein großes Oberthema in kleinen Themen mit verschiedenen Gästen zu diskutieren, darüber kann man streiten. In der Auftaktfolge funktionierte es gut.

Zwar ist die Zeit für ein einzelnes Thema knapp, es hat aber den Vorteil, dass man für jeden Aspekt einen Experten hat, der nicht als Generalist auf alles eine Antwort haben muss. Fazit: Eine durchaus gelungene Auftaktfolge.

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