Durchhalten und diszipliniert sein, dann kommen wir einigermaßen gut durch den Winter. So lautet verkürzt die Botschaft der jüngsten Ausgabe zur Corona-Pandemie bei "maybrit illner". Über Donald Trumps Verhalten während seiner Erkrankung gibt es am Abend keine zwei Meinungen, über die Corona-App schon.

Christian Vock
Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Vock dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Donald Trump ist corona-positiv und inszeniert sich bei seiner Rückkehr ins Weiße Haus als Superheld. Botschaft: Alles halb so wild. Gleichzeitig steigen die Neuinfektionen weltweit und auch in Deutschland. Was tun? Welche Strategie bringt uns durch Herbst und Winter?

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Maybrit Illner nimmt die Erkrankung Donald Trumps zum Anlass für einen Corona-Rundumschlag und fragt: "Keine Angst vor Corona – hat Trump Recht?"

Mit diesen Gästen diskutierte Maybrit Illner:

  • Ute Lemper, Jazz-Sängerin in New York (zugeschaltet)
  • Elmar Theveßen, Leiter des ZDF-Studios in Washington (zugeschaltet)
  • Helge Braun (CDU), Kanzleramtsminister
  • Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz
  • Isabella Eckerle, Virologin an der Universität Genf (zugeschaltet)
  • Patrick Larscheid, Amtsarzt in Berlin-Reinickendorf
  • Julian Nida-Rümelin, Philosoph

Darüber diskutierte die Runde bei "maybrit illner": Donald Trump

Unterschiedliche Ansichten über Trumps Verhalten gibt es in der Runde nicht, lediglich der Grad der Empörung variiert. So meint Malu Dreyer über Trumps Aussage, das Virus dürfe nicht unser Leben dominieren: "Was Trump macht, ist brandgefährlich und absolut verantwortungslos." Julian Nida-Rümelin sieht bei Trump vor allem egozentrisches Verhalten: "Demokratie lebt von Wahrheit und Wahrhaftigkeit. Trump ist die Reinform des Politikers, der seine ganz persönlichen Interessen auf dieser Grundlage praktiziert."

Isabella Eckerle sieht sich über den wahren Gesundheitszustand Trump immer noch im Unklaren: "Aus medizinischer Sicht stimmt diese Geschichte hinten und vorne nicht. Normalerweise ist ein Patient nach so einem Cocktail auch nicht nach drei Tagen aus der Klink." Das sieht auch Patrick Larscheid so: "Keiner weiß, wie krank er war."

"Viele Amerikaner sagen: Es kann nicht stimmen, was Donald Trump da behauptet", berichtet der aus den USA zugeschaltete Elmar Theveßen und sieht für Trump eher negative Auswirkungen auf dessen Wahlkampf: "Ich glaube, es nutzt Trump politisch nicht. Er hat die Chance verpasst, die Wirtschaft zum großen Thema im Wahlkampf zu machen."

Infektionen

"Wir haben im Moment die paradoxe Situation, dass wir durch unsere Bemühungen die Pandemie im Vergleich zu anderen Ländern auf ein erträgliches Maß reduzieren konnten", stellt Patrick Larscheid fest. Dieser Erfolge habe aber Gründe: "Wir sehen derzeit weniger tödliche Verläufe und es gibt gleichzeitig den Vorwurf, dass es dann ja nicht so schlimm sein kann. Aber es ist nicht so schlimm, weil wir etwas dafür tun."

Wie ist die steigende Anzahl an Neuinfektionen bei gleichzeitig vergleichsweise niedrigen Toten einzuschätzen? Hier sieht Helge Braun keine Entwarnung, im Gegenteil. Bei einigen Hotspots gelinge die Nachverfolgbarkeit nicht mehr, was aber wichtig für die Eindämmung sei. Dann könnten die Zahlen sehr schnell ansteigen "und dann ist es nur eine Frage von Wochen, bis wir auch eine Anzahl an Infektionen haben, die dann das Gesundheitswesen stark belasten und wo die Zahl der Krankenhauseinweisungen und der Toten wieder deutlich steigt".

Hohe Infektionszahlen haben laut Braun, aber nicht nur Auswirkungen auf die Patienten und das Gesundheitssystem, das sehe man in anderen Ländern: "Das macht auch massive wirtschaftliche Probleme." Isabella Eckert hat noch einen zusätzlichen Einwand: "Auch wenn wir noch genug Intensivbetten haben. In dem Moment, in dem jemand auf der Intensivstation liegt, ist er auch schwer krank. Da gibt es weitere Risiken."

Malu Dreyer will wie Braun einen zweiten Lockdown unbedingt verhindern: "Wir dürfen nicht noch einmal Kitas und Schulen schließen." Damit das nicht geschehe, will die Ministerpräsidentin so gut es geht auf die Einsicht der Menschen setzen, sieht hier aber auch Grenzen: "Wir müssen unbedingt auf die Eigenverantwortung setzen, aber wir haben nun mal auch diesen kleinen Teil in der Bevölkerung, der es im Moment nicht so ganz begriffen hat."

Corona-App

Hier verteidigen Malu Dreyer und Helge Braun den hohen Datenschutz der App: „ "Unsere App erfüllt auch mit diesem extrem hohen Datenschutzniveau, das wir jetzt eingebaut haben, komplett die Funktionen, die wir brauchen", erklärt Braun und fährt fort: "Jetzt sollten sich wirklich alle die App herunterladen und dann hilft sie uns wirklich, weil man ernsthaft alle diejenigen, mit denen man einen epidemiologisch relevanten Kontakt hatte, warnen kann, wenn man selber positiv ist.“

Anders sieht es Patrick Larscheid: "Sie hilft uns überhaupt nicht. Sie ist in unserem Alltag vollkommen bedeutungslos, weil, und das haben Sie ja selber gesagt, es eine sehr deutsche App ist. Sie macht den Datenschutz glücklich, aber sie liefert leider gar keine Daten und uns interessieren nur Daten."

Der Schlagabtausch des Abends:

Ein klassisches hitziges Wortgefecht gibt es an diesem Abend nicht – dafür sind alle Beteiligten zu besonnen. Das heißt aber nicht, dass keine unterschiedlichen Meinungen gibt. Julian Nida-Rümelin etwa verweist bei der Eindämmung der Pandemie auf einen von einer Studie empfohlenen Strategiewechsel: "Wir haben auf lokale Risiken Wert gelegt und jetzt müssen wir schauen: Wer ist wirklich gefährdet?", erklärt Nida-Rümelin mit Blick auf die Menschen unter 35 Jahren, die laut Studien eine geringere Todeswahrscheinlichkeit durch COVID-19 haben.

Die Konzentration auf den Schutz älterer Menschen sieht Patrick Larscheid kritisch: "Mich irritiert die Haltung ein bisschen, dass man sagt: Wenn es die Jungen nicht so schwer trifft, dann lass es die doch haben, dann wird es auch nicht so viele Tote geben. (…) Es ist ein großer Denkfehler drin: Das sind ja auch alles potenzielle Überträger und zwar für Leute, die auf den Schutz angewiesen sind."

Nida-Rümelin versteht die Appelle an die Jugend, sich zusammenzureißen, sieht aber auch hier ein Problem: "Wenn wir, mal angenommen, im März keinen Impfstoff haben: Wie gehen wir weiter damit um? Wollen wir einer ganzen Generation sagen: Die nächsten zwei Jahre keine Partys, kein Umarmen, kein Knutschen?

Wirklich? Das wird nicht funktionieren. Dann brauchen wir eine Strategie, die beides bewältigt. (…) Wenn es jetzt nicht kommt mit dem Impfstoff, dann müssen wir über einen solchen Strategiewechsel nachdenken, weil wir sonst die Ökonomie und das soziale Leben und das Bildungssystem mit einem zweiten Lockdown beschädigen."

Das Fazit:

"Keine Angst vor Corona – hat Trump Recht?" Der Titel der jüngsten "maybrit illner"-Ausgabe kann nur von wenigen als nicht rhetorisch aufgefasst werden. Dementsprechend war der Trump-Bezug nur so etwas wie ein kleiner tagesaktueller Anker. Ansonsten wurde am Donnerstagabend viel darüber diskutiert, was man so oder so ähnlich hier oder an anderer Stelle schon einmal über die beste Corona-Strategie gehört hat.

Trotzdem gibt es aus der Runde, insbesondere von Helge Braun, Hoffnung, dass es nach dem Winter besser werde, auch weil ein Impfstoff nahe sei. Man müsse dafür aber noch ein bisschen durchhalten, so Braun: "Es gibt wirklich keinen Grund, ängstlich oder verzagt zu sein. Es geht jetzt nur darum, diszipliniert zu sein."

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