Die umstrittene Wahlrechtsreform der Ampel hat es durch den Bundestag geschafft. Damit wird das Parlament verkleinert.

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Der Bundestag hat eine Wahlrechtsreform beschlossen, die das Parlament verkleinern und dauerhaft auf 630 Abgeordnete begrenzen soll. Der Entwurf von SPD, Grünen und FDP erreichte am Freitag in Berlin die erforderliche einfache Mehrheit.

Die Union und die Linkspartei sehen sich durch die Reform benachteiligt und haben jeweils eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht angekündigt.

Heftiger Schlagabtausch vor Abstimmung

Politiker der Opposition hatten den Ampel-Fraktionen in der abschließenden Debatte zur geplanten Verkleinerung des Bundestages vorgeworfen, sie hätten sich ein Wahlrecht zum eigenen Machterhalt maßgeschneidert.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, der Plan ziele darauf ab, die Linke aus dem Parlament zu drängen und "das Existenzrecht der CSU" infrage zu stellen. "Sie machen hier eine Reform für sich selbst", um den "Machtanspruch der Ampel" zu zementieren, kritisierte er.

Dobrindt bezeichnete die Reform als "Akt der Respektlosigkeit" gegenüber den Wählerinnen und Wählern und der Demokratie. Denn es könne dazu führen, dass in den Wahlkreisen direkt gewählte Abgeordnete nicht mehr ins Parlament einzögen.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Linken, Jan Korte, sagte, die Reform sei "der größte Anschlag" auf das Wahlrecht als Grundpfeiler der Demokratie "seit Jahrzehnten". Profitieren würden die Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP.

Dagegen sollten die CSU und die Linke "politisch eliminiert" werden. Die Reform sei "vergleichbar mit den Tricksereien der Trump-Republikaner", sagte Korte und kündigte den Gang vor das Bundesverfassungsgericht an: "Wir werden uns in Karlsruhe sehen."

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Ampel-Vertreter verteidigen Wahlrechtsreform

Sebastian Hartmann (SPD) sagte am Freitag vor der Abstimmung, Ziel des Vorhabens sei "ein einfaches, nachvollziehbares Wahlrecht". Der Obmann der SPD in der Wahlrechtskommission verteidigte das Vorhaben. Die Reform sei überfällig.

Die Abschaffung der Grundmandatsklausel sei eine "klare Systementscheidung" und stärke den Gedanken des Verhältniswahlrechts. Aus Sicht der Ampel stehe der Vorschlag fest in der deutschen Verfassungstradition.

Der Bundestag müsse zeigen, dass er nicht nur von den Bürgern Reformbereitschaft erwarte, sondern selbst auch dazu in der Lage sei, sagte der FDP-Politiker Konstantin Kuhle. Überhang- und Ausgleichsmandate hätten dazu geführt, dass der Bundestag von Jahr zu Jahr größer werde.

Künftig könnten nur so viele Abgeordnete ins Parlament einziehen, wie es Zweitstimmen gebe. Damit sorge das neue Wahlrecht "für Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit". Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann betonte ihrerseits, der Vorschlag sei "fair und verfassungsgemäß".

Bundestag soll dauerhaft auf 630 Mandate verkleinert werden

Mit der Reform soll der auf 736 Abgeordnete angewachsene Bundestag ab der nächsten Wahl dauerhaft auf 630 Mandate verkleinert werden. Erreicht werden soll die Verkleinerung, indem auf Überhang- und Ausgleichsmandate ganz verzichtet wird.

Diese sorgten bislang für eine Aufblähung des Bundestages. Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei über Direktmandate mehr Sitze im Bundestag erringt als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustünden.

Sie darf diese Sitze behalten. Die anderen Parteien erhalten dafür Ausgleichsmandate. Nach den neuen Regeln könnte es künftig vorkommen, dass ein Bewerber seinen Wahlkreis zwar direkt gewinnt, aber trotzdem nicht in den Bundestag einzieht. Das erzürnt vor allem die CSU.

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Künftig soll im Bundestag eine strikte Fünf-Prozent-Klausel gelten

Zudem soll eine strikte Fünf-Prozent-Klausel gelten. Die Grundmandatsklausel entfällt. Sie sorgt bisher dafür, dass Parteien auch dann in der Stärke ihres Zweitstimmenergebnisses in den Bundestag einzogen, wenn sie unter fünf Prozent lagen, aber mindestens drei Direktmandate gewannen. Davon profitierte 2021 die Linkspartei. Wird die Klausel gestrichen, könnte das, je nach Wahlergebnis, künftig auch Konsequenzen für die CSU haben.

Friedrich Merz wollte Abstimmung kurzfristig verschieben

Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) hatte in letzter Minute an die Fraktionen der Ampel-Parteien appelliert, die Abstimmung über die Wahlrechtsreform um zwei Wochen zu verschieben. Als Begründung führte er bei der abschließenden Debatte die erst vor wenigen Tagen vorgelegten, erheblichen Änderungen an dem von SPD, Grünen und FDP formulierten Gesetzentwurf an.

"Einer solchen Beschädigung des Vertrauens in unsere Demokratie werden wir zu keinem Zeitpunkt zustimmen", sagte Merz. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich lehnte diesen Vorschlag ab.

Ursprünglich wollte die Ampel das Parlament sogar wieder auf die Sollgröße von 598 Abgeordneten reduzieren. Nachdem die Union diesen Vorschlag abgelehnt hatte, der die Streichung der Grundmandatsklausel noch nicht vorsah, präsentierte die Ampel die neue Variante.

Das sei das Werk der SPD, die sich davon einen Vorteil erhoffe, nach dem Motto "erst die Partei, dann das öffentliche Wohl", sagte Albrecht Glaser (AfD). Der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, warf der Ampel "Arroganz" vor. Während seiner Rede applaudierten mehrere Abgeordnete der Union. (dpa/AFP/ank)

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