Hunderte Journalisten haben durch ein Datenleck 214.000 Briefkastenfirmen in Panama aufgedeckt. Tausende Personen - darunter Politiker, Sportler und Prominente - haben dort ihr Geld investiert. Das ist nicht per se illegal. Doch der Verdacht steht im Raum, dass mit Hilfe der Scheinfirmen Straftaten begangen wurden. Eine Regierung in Europa ist bereits darüber gestürzt. Wie es jetzt weitergeht.

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In koordinierten Berichten von Medien aus rund 80 Ländern wird zahlreichen Politikern, Sportlern und Prominenten vorgeworfen, ihr Geld in Offshorefirmen geparkt zu haben. Das ist an sich weder illegal noch moralisch verwerflich. Dennoch liegt der Verdacht nahe, dass mit Hilfe der Briefkastenfirmen in Panama Straftaten begangen wurden.

Welche Straftaten stehen im Raum?

Insgesamt wurden die Daten von 214.000 Briefkastenfirmen geleakt. Darunter dürften zahlreiche Firmen sein, die zur Steuerhinterziehung genutzt wurden. Zudem drängt sich der Verdacht auf, dass Länder mit Hilfe von Briefkastenfirmen Sanktionen umgangen haben. Außerdem ist es wahrscheinlich, dass in Panama auch illegale Gelder geparkt beziehungsweise gewaschen wurden.

Der an der Recherche beteiligte NDR-Journalist Jan Lukas Strozyk sagte im Gespräch mit unserer Redaktion: "Ich selbst kann mir nur die Indizien ansehen: Hat jemand großen Aufwand beim Verschleiern betrieben, hat jemand sich über verschachtelte Konstruktionen mehrfach abgesichert oder dergleichen? Ob das gegen Gesetze verstößt, muss letztlich ein Gericht entscheiden. Ein Branchenkenner, mit dem wir gesprochen haben, sagte uns aber, dass er davon ausgeht, dass bis zu 90 Prozent der Briefkastenfirmen entweder für illegale oder zumindest moralisch bedenkliche Zwecke genutzt werden."

Welche Konsequenzen hatten die "Panama Papers" bisher?

Die "Panama Papers" haben ein erstes hochrangiges politisches Opfer gefordert: Islands Regierungschef Sigmundir David Gunnlaugson ist von seinem Amt zurückgetreten. Zuvor war sein Name im Zusammenhang mit den Enthüllungen aufgetaucht.

Ein ähnliches politisches Beben ist in Deutschland nicht zu erwarten. Laut Strozyk hätten keine "großen deutschen Politiker" Briefkastenfirmen in Panama.

Dafür steht der neue Fifa-Präsident Gianni Infantino unter Druck. Die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) hat mit Verweis auf die "Panama Papers" berichtet, dass Infantino 2006 in seiner Funktion als Direktor der UEFA-Rechtsabteilung Verträge mit einer Briefkastenfirma gezeichnet haben soll, deren Eigentümer zwei der heutigen Angeklagten im Fifa-Skandal waren. Dabei ging es um Fernsehrechte.

Wo wird ermittelt?

In Frankreich, Spanien, Australien, Israel, den Niederlanden, Indien, der Schweiz und Panama selbst wird es Ermittlungen oder Prüfungen wegen möglicher Vergehen geben. In den meisten Fällen geht es um den Verdacht der Steuerhinterziehung.

In Deutschland dürfte nach den Enthüllungen die Finanzaufsicht Bafin tätig werden und prüfen, ob Banken mit den Briefkastenfirmen in Panama Beihilfe zu Straftaten geleistet haben. Bei einigen Instituten hätten die Aufseher schon Nachfragen gestellt, hieß es in Finanzkreisen. Eine Behördensprecherin hielt sich zu dem Thema aber bedeckt. In Österreich hat die dortige Finanzmarktaufsicht bereits die Überprüfung zweier Banken in Auftrag gegeben.

Wie die SZ berichtet, haben mindestens 28 deutsche Banken in den vergangenen Jahren die Dienste der betroffenen Kanzlei Mossack Fonseca genutzt. Insgesamt hätten allein die deutschen Banken bei dem Offshore-Dienstleister mehr als 1.200 Briefkastenfirmen gegründet oder diese für ihre Kunden verwaltet.

Wie laufen die Ermittlungen ab?

Laut SZ wird gegen Jürgen Mossack und Ramón Fonseca, die beiden Betreiber der Kanzlei in Panama Mossack Fonseca (Mossfon), bereits seit einem Jahr ermittelt. Es handelt sich um ein Verfahren wegen Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Finanzbehörden in Nordrhein-Westfalen hatten zuvor für knapp eine Million Euro eine CD mit geheimen Daten der Kanzlei gekauft.

Verglichen mit den jetzt geleakten "Panama Papers" handelte es sich dabei jedoch nur um eine kleine Enthüllung. Auf den Daten der CD waren jedoch viele Deutsche. In zahlreichen Fällen soll sich der Verdacht der Steuerhinterziehung bestätigt haben, berichtet die SZ. Die Ermittlungen laufen noch. Zudem liefen oder laufen in Nordrhein-Westfalen gegen mehrere Banken Verfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung.

Auch wegen der neuen Daten aus den "Panama Papers" werden die Ermittlungen wohl nicht allzu schnell abgeschlossen werden. Zudem werden die Steuerfahndungen nun erneut aktiv werden - und versuchen, selbst an die "Panama Papers"-Daten heranzukommen. Bislang haben die Medien diese nicht herausgegeben.

Was plant die deutsche Politik?

Justizminister Heiko Maas (SPD) kündigte eine Ergänzung des bestehenden Geldwäschegesetzes sowie ein "Transparenzregister" an: "Briefkastenfirmen, bei denen die wirtschaftlich Berechtigten anonym bleiben, darf es in Zukunft nicht mehr geben." Das wird aber nicht viel bringen, weil das Gesetz nur in Deutschland anwendbar wäre.

Zudem nimmt Maas deutsche Banken ins Visier und droht mit rechtlichen Konsequenzen, sollte sich zeigen, dass sie Beihilfe bei Straftaten geleistet haben. "Niemand wird sich dem nationalen Recht und auch den deutschen Fahndungsbehörden dauerhaft entziehen können", sagte er. "Wer sich da etwas zuschulden hat kommen lassen, der wird sich vor einem deutschen Gericht verantworten müssen."

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann will deutsche Banken, die systematisch Beihilfe zum Steuerbetrug betreiben, sogar die Lizenz entziehen. "Banken, die sich an der organisierten Steuerhinterziehung beteiligen, muss die Banklizenz entzogen werden." Ähnliches hatte zuvor bereits Linken-Chef Bernd Riexinger gefordert.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte: "Man wird bei den Fragen der Steuervermeidung immer wieder schauen, mit welchen Mitteln man das am besten bekämpfen kann." Für einige Banken in Deutschland hätten solche Praktiken auch schon Strafen nach sich gezogen - und "sicherlich wird man jeden Anlass nehmen, um zu schauen, ob das Strafrecht schon ausreichend ist".

Sind die "Panama Papers" vollständig ausgewertet?

Noch ist nicht jede Geschichte veröffentlicht, die sich aus dem 2,6 Terabyte umfassenden Material ergibt. Strozyk kündigte im Interview mit unserer Redaktion an, dass es "noch Geschichten mit einem Bezug nach Deutschland" geben wird. Zudem sagte er: "Wir arbeiten intensiv weiter mit den Daten und sehen bereits jetzt, dass sich auch durch die Veröffentlichungen wieder Menschen bei uns melden, die Tipps zu neuen Spuren haben oder alte Spuren mit neuen Hinweisen erweitern."

Der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, rechnet ebenfalls mit weiteren Enthüllungen. Neu sei, "dass es in einem kleinen Land wie Panama eine solche Zahl von Briefkastenfirmen gegeben hat", sagte er der "Passauer Neuen Presse". Daraus schließt er jedoch, dass es sich weltweit um ein Problem von erheblicher Dimension handelt, zumal es ja auch andere Steueroasen gebe. "Überall dort finden solche oder vergleichbare Dinge statt. Wir sehen bisher nur die Spitze des Eisbergs."

Mit Material der dpa
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