Viele international bekannte Politiker und Promis rücken durch die Enthüllungen der "Panama Papers" ins Zwielicht. Mit welchen Konsequenzen ist jetzt zu rechnen? Führen Spuren auch nach Deutschland? NDR-Journalist Jan Lukas Strozyk war an den Recherchen beteiligt und sprach mit unserer Redaktion.

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Die Enthüllungen der Panama Papers sorgen weltweit für Aufregung. Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt NDR-Journalist Jan Lukas Strozyk, der an den Recherchen beteiligt war, welche Enthüllungen noch zu erwarten sind, warum die Briefkasten-Firmen ausgerechnet in Panama entstanden und welch dubiosen Machenschaften wohl verschleiert werden sollen.

Herr Strozyk, eine spektakuläre Recherche liegt hinter Ihnen. Wie begann alles?

Jan Lukas Strozyk: Eine anonyme Quelle hat sich an die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) gewandt. Die Kollegen haben sich dann dazu entschieden, als sie früh abgesehen haben, welche weitreichend internationalen Folgen die Geschichte haben würde, dass mit den Partnern des Internationalen Konsortiums investigativer Journalisten (ICIJ) zu teilen. Das ICIJ hat dann die Koordination übernommen. 109 Medien sind mit in die Recherche gegangen.

Aber die ursprüngliche Quelle wandte sich an die SZ?

Ja.

Ist dann daraus zu schließen, dass es sich um eine Quelle aus Deutschland handelt?

Dazu kann ich nichts sagen.

Es sind prominente Namen aus Politik und Sport darunter. Oft werden die spektakulärsten Enthüllungen noch etwas zurück gehalten – auch in diesem Fall?

Die Partnermedien bewerten die Geschichten unterschiedlich. So viel kann ich verraten: Wir werden noch Geschichten mit einem Bezug nach Deutschland haben. Es sind keine großen deutschen Politiker darunter, dafür aber viele deutsche Banken. Jürgen Mossak, einer der Gründer dieser Kanzlei (panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca, Anm) ist selber auch Deutscher und in jungen Jahren nach Panama ausgewandert. Ob noch Knaller-Geschichten darunter sind, muss man selber bewerten. Wir werden zumindest noch einiges veröffentlichen.

Die beschuldigten Personen und Firmen/Kreditinstitute werden sich sicher zur Wehr setzen. Fußball-Star Lionel Messi ließ bereits ankündigen, gegen das Recherchenetzwerk klagen zu wollen.

Wir haben extrem darauf geachtet, im Vorfeld mit den Leuten zu reden, die beschuldigt werden, und sie mit den Vorwürfen zu konfrontieren. Sie hatten die Möglichkeit, Stellung zu beziehen und uns ihre Sicht zu erläutern. Danach haben wir abgewogen, ob wir einen Namen nennen oder nicht. Ob da was kommt, kann ich nicht absehen. Ich weiß aber, dass wir sauber gearbeitet haben.

Und wie war die Reaktion der beschuldigten Personen?

Es gab viele, die nicht nur dementiert haben. Es gab durchaus auch prominente Namen, über die man gerne berichtet hätte, die dann im Gespräch aber entkräften konnten, dass da etwas Verwerfliches passiert wäre.

Aber was ist mit denen, die sich mutmaßlich etwas zuschulden kommen lassen haben? Reden wir von vertuschtem Drogengeld oder hauptsächlich von massiver Steuerhinterziehung?

Zuerst einmal reden wir von 214.000 Briefkastenfirmen. Das ist eine unglaubliche Zahl. Wir haben viele Fälle gesehen, in denen es mutmaßlich um Steuerhinterziehung geht. In anderen Fällen drängt sich der Verdacht auf, dass man diese Firmen genutzt hat, um Sanktionen zu umgehen. Und es ist wohl eine Möglichkeit, um Familien-Vermögen so zu sortieren, wie man es gerne hätte, zum Beispiel beim Thema Erbrecht. Vielleicht lebte aber auch jemand gerade in Scheidung und wollte nicht, dass für den früheren Ehepartner so viel hängen bleibt. Auch diese Fälle haben wir gesehen.

Interessant. Und weiter?

Was wir eben auch gesehen haben, ist das Horten mutmaßlich illegaler Gelder. Ob das jetzt Drogengeschäfte sind, Hehlereien etc., dazu eignet sich das eben auch, weil sich die Geldflüsse verschleiern lassen.

Nun hat diese Kanzlei ihren Sitz in Panama. Warum gingen die Beschuldigten ausgerechnet dorthin?

Panama hat eine lange Vergangenheit als ein Ort, wo man einfach und unbürokratisch eine Firma gründen kann. Das zieht solche Leute an. Andere Orte sind aber auch oft vertreten, zum Beispiel die britischen Jungferninseln. Es sind die Seychellen und Samoa vertreten. Die Leute gehen da hin, wo für sie die Bedingungen passen. Panama bietet den Vorteil, dass die Währung an den amerikanischen Dollar gebunden ist. Und die Nähe zu Südamerika, wo viele Geschäfte laufen. Von einem abgeschiedenen Staat im Pazifik kommt man da natürlich schlechter hin.

Auch die Fifa soll verstrickt sein. Dabei gab sich der Fußball-Weltverband zuletzt geläutert. Ist jetzt alles wieder über den Haufen geworfen?

Es sind in erster Linie Leute, die nicht zum ersten Mal auffallen. Das sind Herren wie Michel Platini und Jerome Valcke. Es überrascht nicht, dass ihre Namen da mit dabei sind. Die Leute, die wir recherchiert haben, waren zum Teil schon vorher gebrandmarkt. Ich kann natürlich nicht voraussehen, wie die Fifa damit umgeht, aber ich denke nicht, dass sie nun in ihren Grundfesten erschüttert ist.

Und was ist mit den deutschen Banken? Wir erinnern uns an TV-Werbespots, die bei den Leuten eigentlich wieder verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen sollten.

Viele deutsche Banken haben mitgemacht. Aber wir sehen auch, dass gerade das Geschäft mit deutschen Kunden in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist. Ich würde nicht sagen, dass es die Läuterung ist, die die Banken uns gern verkaufen würden. Aber das Geschäft mit deutschen Banken geht zurück.

Es liegen aber mutmaßlich Straftatbestände vor. Inwiefern haben die Beschuldigten auf Grundlage Ihrer Recherchen nun mit Strafverfolgung zu rechnen?

Ich glaube nicht, dass sie sich zu sicher fühlen dürfen. Wenn deutsche oder US-amerikanische Behörden so etwas mitbekommen, werden die dem auch nachgehen. Im Zweifelsfall haben die Beschuldigten eben doch noch eine Kontounterlage zu Hause oder sich einen Brief mitgenommen oder die Behörden finden sonst irgendwas.

Es sind also noch spektakuläre Ergebnisse zu erwarten?

Die Leute, die solche Ermittlungen anstoßen können, werden sich das jetzt zumindest hoffentlich angucken und sagen, das interessiert uns. Wir geben aber, außer über unsere Berichterstattungen, keine Informationen an Behörden weiter.

Und über informelle außenpolitische Kanäle die Behörden aus Panama unter Druck setzen?

Sie werden sich an ihre Gesetze halten und die sind relativ freundlich gegenüber diesen Firmen. Es ist sehr, sehr schwierig, bei ihnen an Informationen zu kommen, selbst wenn Verdachtsfälle vorliegen. In Zukunft wird der Druck sicher erheblich sein. Ich wage aber zu bezweifeln, ob das auch die Fälle betrifft, die zurückliegen. Da sind die Gesetze doch recht eindeutig.

Der Journalist Jan Lukas Strozyk arbeitet für das Ressort Investigation des Norddeutschen Rundfunkes (NDR). Strozyk absolvierte seine Ausbildung an der Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg. Vor seiner Zeit beim NDR arbeitete er für die "Financial Times Deutschland" und "Spiegel Online".
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