Wohnraum ist in Deutschland vielerorts knapp. Und doch stehen viele Wohnungen leer, oft Jahre oder gar Jahrzehnte lang. Immer mehr Kommunen wollen das nicht länger hinnehmen und rücken unwilligen Eigentümern mit neuen Vorschriften und teils empfindlichen Bußgeldern zu Leibe.

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Dominik Geißler hat das Problem im wahrsten Sinn des Wortes vor Augen. Er muss nur aus dem Fenster seines Büros schauen. Gleich schräg gegenüber dem Rathaus, sagt der Oberbürgermeister von Landau in der Pfalz am Telefon, stehe ein Haus seit Langem leer, einfach, weil die Eigentümerin es so will. Es ist bei Weitem nicht das einzige in der 47.000-Einwohner-Stadt zwischen Karlsruhe und Kaiserslautern – und das, obwohl Wohnfläche dort Mangelware ist. Eine Unverschämtheit, findet der CDU-Mann.

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Im vergangenen Jahr habe er immer wieder versucht, die Eigentümer offensichtlicher und prominenter Leerstände in persönlichen Gesprächen dazu zu bewegen, ihre Immobilien auf den Markt zu bringen, erzählt Geißler. "Meistens wurde ich vertröstet. Wenn ich dann nach ein paar Monaten nachgefragt habe, hieß es wieder: 'Ja, wir kümmern uns.' Aber passiert ist nichts."

"Jede leer stehende Wohnung ist eine zu viel."

Dominik Geißler (CDU), Bürgermeister der Stadt Landau

Leerstand trotz Wohnungsnot – das Phänomen gibt es in vielen deutschen Städten. Es zu beziffern ist nicht ganz leicht, da leer stehender Wohnraum nicht systematisch erfasst wird. Das Forschungs- und Beratungsinstitut Empirica schätzt auf Basis eigener Zahlenreihen, der Ergebnisse der Volkszählung Zensus und der Angaben großer Immobilieneigentümer, dass im Jahr 2022 in deutschen Städten durchschnittlich 2,8 Prozent der Geschosswohnungen leer standen. Bauliche Ruinen blieben außen vor, gemeint sind nur Objekte, die sofort bewohnbar wären oder deren Mängel binnen eines halben Jahres behoben werden könnten.

Dementsprechend geht Bürgermeister Geißler davon aus, dass in Landau rund 800 Wohnungen leer stehen. Zum Vergleich: Auf dem Portal ImmoScout24 zum Mieten oder Kaufen angeboten werden rund 150.

Der Landauer Oberbürgermeister Dominik Geißler (CDU) im Rathaus. © dpa/Uwe Anspach

So soll es nicht weitergehen. "Angesichts des sehr angespannten Wohnungsmarkts hier ist jede leer stehende Wohnung eine zu viel", sagt Geißler. Der Landauer Stadtrat will deshalb in seiner nächsten Sitzung eine sogenannte Zweckentfremdungssatzung beschließen. Sie verpflichtet Eigentümer, Leerstand zu melden. Unter gewissen Umständen kann dieser genehmigt werden – wenn nicht, muss die Wohnung zurück auf den Markt. Wer sich nicht kümmert, wird mit einem Bußgeld bestraft. Das Gesetz erlaubt bis zu 500.000 Euro.

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Hamburg verhängt Rekordstrafe gegen unwilligen Eigentümer

Viele Städte mit besonders angespanntem Wohnungsmarkt haben solche Satzungen schon seit mehreren Jahren, darunter Berlin, Hamburg, Stuttgart und München. Wie die Süddeutsche Zeitung bilanziert, gelang es den Wohnraum-Ermittlern in München 2022, 450 Wohnungen wieder ihrem ursprünglichen Zweck zuzuführen – nachdem sie Strafen in Höhe von insgesamt einer Million Euro verhängt und weiterer 1,4 Millionen angedroht hatten. Die Stadt Hamburg machte vergangenes Jahr von sich reden, als sie wegen jahrelangen Leerstands dutzender Wohnungen eine Strafe in sechsstelliger Höhe verhängte – ein landesweiter Rekord.

Vilim Brezina vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumplanung beobachtet, dass immer mehr Städte diesen Kampf aufnehmen. "Die Idee der Zweckentfremdungssatzung ist nicht neu, erlebt aber gerade eine Renaissance", sagt der Experte im Gespräch mit unserer Redaktion.

Mainz mit erster Bilanz zufrieden

Mainz hat vor rund eineinhalb Jahren eine solche Satzung eingeführt. Wohnraum länger als sechs Monate leer stehen zu lassen, ihn gewerblich zu nutzen oder ohne Genehmigung länger als zwölf Wochen im Jahr an Urlauber zu vermieten, ist seither verboten.

Zwei eigens eingestellte Mitarbeiter durchforsten Plattformen wie Airbnb, nehmen Hinweise von Bürgern entgegen und überprüfen die Fälle. Auf 270 kamen sie nach Auskunft der Behörde bislang. In fünf Fällen verhängten sie Bußgelder – zwischen 3.000 und 10.000 Euro – und erreichten, dass die Immobilien wieder zur Vermietung angeboten werden. Fünf weitere Verfahren laufen. Jens Brucker, stellvertretender Leiter des Bauamts, ist zufrieden. "Weil man nicht rückwirkend bestrafen kann, konnten wir die Satzung zu Beginn auf viele Leerstände nicht anwenden. Aber je länger die Satzung gilt, desto mehr Fälle wird es geben", sagt er.

Ein zäher Kampf

Dass das Ringen um den vielerorts so dringend benötigten Wohnraum für die Kommunen oft hart ist, weiß auch Stadtplaner Brezina. "Sie müssen nicht nur von Leerständen erfahren, sondern auch belastbare Beweise vorlegen, dass ein Objekt schon lange leersteht."

Immer wieder ziehen Fälle Gerichtsverfahren nach sich: 127-mal war das in München 2021 der Fall, wobei die Stadt nur 24 Verfahren verlor. Zweckentfremdungssatzungen können aus Brezinas Sicht folglich schon aufgrund des Aufwands nur ein Baustein im Kampf gegen die Wohnungsnot sein, neben Neubau, Aufstockung, Umnutzung und Anreizen, eine große Wohnung gegen eine kleinere zu tauschen.

Unterstützung für Willige, Zwang für Unwillige

Landaus Oberbürgermeister Geißler betont, dass er nicht auf Streit aus sei, sondern auf Wohnraum. Er hat zwei Gruppen von Eigentümern ausgemacht: Auf der einen Seite Privatpersonen, die Einliegerwohnungen im Eigenheim oder eine Wohnung als Geldanlage haben. Viele von ihnen, gerade ältere, seien mit Vermietung oder Verkauf schlichtweg überfordert, könnten nötige Sanierungen nicht stemmen oder hätten Angst, sich schlechte Mieter ans Bein zu binden. Ihnen will er unter die Arme greifen, mit Beratungsangeboten, aber auch, indem die Stadt als Käufer oder Mieter auftritt und die Immobilien dann weiterveräußert oder -vermietet.

Was ihn ärgert, ist die zweite Gruppe: große Investoren und wohlhabende Familien, die viele Wohnungen und Häuser gerade auch in der Innenstadt besäßen. "Die haben so viel Geld, dass sie nicht vermieten müssen", sagt Geißler. Da will er ran.

Verwendete Quellen:

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