Viele Verbraucher müssen beim Einkauf von Lebensmitteln auf den Preis achten. Die Händler werben deshalb oft mit Tiefpreisen - gefährden damit jedoch die Existenz von Landwirten. Seit Monaten demonstrieren Bauern für mehr Wertschätzung und faire Preise für ihre Produkte. Beim Lebensmittel-Gipfel im Kanzleramt will Angela Merkel das Problem mit Händlern und Betroffenen angehen. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

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Gepökelter Krustenbraten um die Hälfte heruntergesetzt, zwei Kilogramm Hähnchenschenkel für 3,99 Euro: Im Konkurrenzkampf um die Kunden locken Supermärkte regelmäßig auch mit Schnäppchenaktionen für Lebensmittel.

Das bringt vor allem die Landwirte auf die Palme, die seit Monaten in der ganzen Republik protestieren - gegen zusätzliche Auflagen und Kosten beim Umwelt- und Tierschutz, aber auch für mehr Wertschätzung für sich und ihre Produkte.

Die Politik hat die Klagen der Bauern vernommen. Am Montag will Kanzlerin Angela Merkel (CDU) deshalb mit Vertretern des Einzelhandels sprechen. Wie die Bundesregierung bereits im Vorfeld klarmachte, sei das Ziel, künftig "angemessene" Preise für die Produkte der Landwirte zu sichern.

Thema des Treffens (10:00 Uhr), an dem Agrarministerin Julia Klöckner und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (beide CDU) teilnehmen, sollen außerdem Neuregelungen bei Lieferkonditionen des Handels sein.

Wie ist das Verhältnis zwischen Handel und Produzenten?

Die führenden Händler - Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe mit Lidl - kontrollieren nach Angaben des Bundeskartellamts zusammen mehr als 85 Prozent des Lebensmittelmarktes in Deutschland. Das gibt den "großen Vier" eine gewaltige Einkaufsmacht. Wer bei ihnen nicht gelistet ist, hat es schwer.

Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) spricht denn auch von einem Verhältnis wie bei David gegen Goliath: "So fühlen sich aktuell Erzeuger, wenn sie mit dem Handel verhandeln - Augenhöhe ist nicht gegeben." Und das schlage sich auch in den Preisen nieder.

Wie geht der Handel mit Lieferanten um?

Bei Preisverhandlungen wird oft mit harten Bandagen gekämpft. Das kann bis zum vorübergehenden Boykott bestimmter Produkte gehen, um Lieferanten unter Druck zu setzen. Das bekamen in den vergangenen Jahren sogar bekannte große Markenhersteller wie Nestlé oder Coca-Cola zu spüren.

Dabei sind ihre Produkte für den Handel deutlich schwerer zu ersetzen als Angebote von Bauern und anderen kleineren Anbietern. "Ein Preisdruck des Handels zulasten von Tierschutz- und Umweltstandards ist nicht im Interesse der Verbraucher", sagt auch der Chef der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), Klaus Müller.

Wie sind die Bauern davon betroffen?

Klöckner warnt vor Dauertiefstpreisen. Wertschätzung für Produkte und Erzeuger könne beim Verbraucher nicht entstehen, wenn Fleisch, Obst und Gemüse teils verramscht würden. "Im Gegenteil: Man gewöhnt sich daran, der Handel erzieht sich seine Verbraucher."

Leidtragende am Ende der Kette seien die Bauern, denen weniger bleibe, selbst wenn sie höhere Standards liefern müssten. Von einem Euro, den Verbraucher für Nahrung zahlen, kommen beim Erzeuger im Schnitt noch knapp 21 Cent an, wie das bundeseigene Thünen-Institut nach Daten für 2018 ermittelte. Vor 20 Jahren waren es mehr als 25 Cent.

Für "faire" Preise stehe auch der Handel ethisch und moralisch in der Pflicht, betont Klöckner.

Was sagt der Handel zu den Vorwürfen?

Die Branche fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Der Handelsverband Deutschland (HDE) betonte: "Lebensmittel werden hier nicht verschleudert." Deutschland liege bei Lebensmittelpreisen rund zwei Prozentpunkte über dem Schnitt der einst 28 EU-Staaten.

Zudem gebe es "globale Preisabhängigkeiten", die man in Deutschland nicht steuern könne. Rewe-Chef Lionel Souque erinnert daran, dass viele beim Einkauf auf jeden Cent schauen müssten.

"In Deutschland leben rund 13 Millionen Menschen in Armut oder an der Armutsgrenze. Günstige Lebensmittelpreise ermöglichen diesen Menschen eine gesunde und sichere Ernährung." Das wolle der Handel weiter sicherstellen.

Warum setzten Supermärkte auf Aktionen mit Billigpreisen?

Trotz aller Debatten zeigt sich: Viele Kunden lieben Schnäppchen. Für fast zwei Drittel (65 Prozent) der Bundesbürger sind Sonderangebote beim Einkaufen wichtig, wie das Marktforschungsunternehmen Nielsen in seiner Studie "Consumers 2019" berichtete.

Im harten Wettbewerb kann sich kein Händler leisten, diese Erwartungen zu enttäuschen und sein "Preis-Image" zu gefährden. Wie empfindlich viele Verbraucher beim Preis sind, erlebte erst vor einigen Monaten Lidl.

Der Discounter wollte nur noch Bananen mit Fairtrade-Siegel verkaufen, das sollte 10 bis 20 Cent pro Kilo mehr kosten. Doch die Verbraucher spielten nicht mit und kauften bei der Konkurrenz. Am Ende musste Lidl zurückrudern.

Werden Lebensmittel jetzt teurer?

Das lässt sich vorab noch nicht sagen. Es ist unwahrscheinlich, dass bei dem Gipfel eine direkte Lösung für alle sich aufdrängenden Probleme erarbeitet werden kann. In einem Statement im Vorfeld des Treffens in Berlin betonte Agrarministerin Klöckner allerdings, dass die Preise für Lebensmittel in letzter Konsequenz steigen müssten, um faire Verhältnisse für Bauern und eine Wertschätzung für Lebensmittel zu erreichen.

Wenn die Händler stetig auf Tiefstpreise setzen, dürfe man sich nicht wundern, dass Verbraucherinnen und Verbraucher sich an die Billigprodukte gewöhnen. Am Ende bade dies aber der Erzeuger aus, heißt es in dem Papier.

Landwirte müssten laut dem Statement von Klöckner immer höhere Standards einhalten und sehen sich deshalb mit steigenden Produktionskosten konfrontiert. Diese höheren Lieferstandards seinen aber nur mit höheren Erzeuger- und Verbrauchspreisen möglich.

Welche Probleme gibt es noch?

Ansprechen will die Politik auch umstrittene Handelspraktiken. Ein Gemüsebauer bekomme schon mal frühmorgens ein Fax, dass es statt 30 am Vorabend bestellter Paletten Kopfsalat nur noch 15 Paletten sein sollen, erläuterte Klöckner. "Dann kann er die anderen 15 Paletten wegschmeißen."

Um so etwas zu unterbinden, solle eine entsprechende EU-Richtlinie "eins zu eins" umgesetzt werden. Verbraucherschützer Müller fordert unter anderem verbindliche Kennzeichnungen, wenn Lebensmittel nach höheren Standards produziert werden.

"Ein Preisdruck des Handels zulasten von Tierschutz- und Umweltstandards ist nicht im Interesse der Verbraucher." Viele Kunden seien laut Müller bereit, für höhere Standards mehr zu bezahlen. "Aktuell können sie die Qualität eines Produktes aber kaum erkennen, schon gar nicht am Preis." (dpa/thp)

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