• Am Wochenende sahen sich die Grünen mit dem Vorwurf konfrontiert, sie seien für ein Verbot von Einfamilienhäusern.
  • Am Montag stellte Grünen-Parteichef Robert Habeck klar: "Das Einfamilienhaus gehört zum Ensemble der Wohnmöglichkeiten in Deutschland".
  • Doch die Debatte schwelt weiter.

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Grünen-Parteichef Robert Habeck hat Vorwürfe zurückgewiesen, seine Partei wolle den Neubau von Einfamilienhäusern pauschal verbieten. "Das Einfamilienhaus gehört zum Ensemble der Wohnmöglichkeiten in Deutschland", sagte Habeck am Montag in Berlin.

Es "ist für viele Menschen Teil ihres Lebens, ihrer Lebenspläne und ihrer Wünsche und wird auch in Zukunft es bleiben." Was wo gebaut werde, entschieden die Kommunen vor Ort. Bereits am Sonntagabend hatte ein Fraktionssprecher gesagt: "Die Behauptungen sind falsch".

Hofreiter-Interview löst Debatte aus: Habeck sieht darin heraufziehenden Wahlkampf

Auslöser der Diskussion war ein "Spiegel"-Interview mit Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Darin hatte er gesagt: "Einparteienhäuser verbrauchen viel Fläche, viele Baustoffe, viel Energie, sie sorgen für Zersiedlung und damit auch für noch mehr Verkehr."

Die Aussagen hatten für Aufsehen gesorgt, schnell war von einem Eigenheim-Verbot die Rede - obwohl eine solche Äußerung nie gefallen war. Im Gegenteil. Denn im selben Interview hatte Hofreiter auch gesagt: "Natürlich wollen die Grünen nicht die eigenen vier Wände verbieten."

Grüner Bezirksamts-Leiter findet Debatte "etwas irre"

Michael Werner-Boelz leitet das Bezirksamt Hamburg-Nord und ist Grünen-Mitglied. Er finde die die Debatte "ehrlich gesagt etwas irre". "Sie hat null Realitätsbezug", wie der 54-Jährige in einem Interview mit der "taz" erklärt. In den Bebauungsplänen seines Bezirks - wie auch größtenteils in anderen Metropolen - kämen bereits seit Längerem kaum mehr Einfamilienhäuser vor. "Wir wollen in neu auszuweisenden Baugebieten auf Geschosswohnungsbau setzen", sagt Werner-Boelz.

Der Grund: Wegen des ungebrochenen Zuzugs nach München, Berlin oder eben Hamburg werden die Flächen für Neubauten knapp. "Ich muss also mit begrenzten Ressourcen für bezahlbaren Wohnraum sorgen", betont Werner-Boelz. Einfamilienhäuser würden da einfach nicht funktionieren - anders als auf dem Land.

Habeck kritisierte deshalb die Debatte um Hofreiters Äußerungen und sagte, er würde sich "mehr Differenziertheit" wünschen. Den Wirbel führte der Grünen-Parteichef auch auf den aufziehenden Wahlkampf zurück. Denn mehrere Parteien nutzten das Interview für Attacken auf die Öko-Partei.

SPD wirft Grünen Doppelmoral vor

So warf der bau- und wohnungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Daniel Föst, den Grünen vor, den Menschen "den Traum vom Eigenheim madig zu machen". Man solle mehr Menschen den Weg ins Eigenheim ebnen, anstatt "Bürgerinnen und Bürger in DDR-Plattenbauten zu pferchen".

Die SPD warf den Grünen eine Doppelmoral vor: Um eine Stadt "attraktiv zu halten, muss man den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen auch die unterschiedlichen Wohnmöglichkeiten geben", sagte Parteichef Norbert Walter-Borjans. Dazu müssten auch Angebote an jene zählen, die in einem Einfamilienhaus wohnen wollten. Er fügte mit Blick auf die Grünen hinzu: "Diese Grundhaltung - das eine verbiete ich und das andere lasse ich zu - ist nicht meine."

Auch der stellvertretende Bundesvorsitzende Kevin Kühnert kritisierte die Grünen deswegen: "Wie so oft frage ich mich aber, wie Reden und Handeln bei den Grünen übereinstimmt. Wenn man ins grün regierte Baden-Württemberg schaut, gab es da in den letzten Jahren zu Hunderten Ausnahmegenehmigung aus dem Baugesetzbuch, gerade in ländlichen Regionen", sagte er in einem ARD-Interview.

Scharfe Kritik an den Grünen - vor allem vom möglichen Koalitionspartner CDU

Kritik kam auch vom möglichen künftigen Koalitionspartner der Grünen, der CDU. Bereits am Freitag äußerte sich der thüringische CDU-Landesvorsitzende Christian Hirte in der "Bild": "Anton Hofreiter zeigt wieder einmal exemplarisch für die Grünen deren gestörtes Verhältnis zum Eigentum und der Lebensrealität im ländlichen Raum." Der Hamburger Landesvorsitzende Christoph Ploß forderte am Montag, seine Partei müsse nach der Bundestagswahl "alles daran setzen, bürgerliche Mehrheiten ohne eine Beteiligung der Grünen zu erreichen". Die Grünen wollten "die Freiheit von immer mehr Bürgern einschränken - ich bin nicht bereit, das hinzunehmen".

Allerdings bekommen die Grünen von einigen christdemokratischen Kommunalpolitikern auch Rückendeckung. "Ich habe Verständnis für Hofreiters Sicht auf die zunehmende Zersiedlung. Das ist nicht nur problematisch für Umwelt und Klima, sondern auch für die älter werdende Gesellschaft", sagte etwa die Leipziger CDU-Stadträtin und Bundestagskandidatin Jessica Heller dem "Spiegel".

Zuspruch von der Linkspartei

Zuspruch für seine Aussage erhielt Hofreiter indes von der Linkspartei: "Man muss den Flächenverbrauch reduzieren, aus sozialen Gründen und aus Gründen des Klimaschutzes", sagte Parteichef Bernd Riexinger den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. "Deshalb können wir mit den Einfamilienhäusern nicht so weitermachen wie bisher." Stattdessen müssten Grundstücke so bebaut werden, dass mehr Wohnungen entstünden, "vor allem mehr bezahlbare Wohnungen".

Die Linken-Kovorsitzende Katja Kipping äußerte sich zurückhaltender. "Der Kampf für die sozial-ökologische Wende beginnt nicht mit dem Kampf gegen Einfamilienhäuser", sagte sie. Hier müsse "man an die Quelle rangehen - das heißt an die Konzerne, die für einen Großteil der CO2-Emissionen verantwortlich sind". (mgb/mf/dpa/afp)

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