Höhere Sach- und Personalkosten, weniger Patienten: Viele Kliniken befinden sich in einer schwierigen finanziellen Lage. Verbandschef Gerald Gaß fordert schnelle Hilfen, um ein großes Krankenhaussterben 2024 noch abzuwenden. Doch Bund und Länder haben sich verhakt.

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Neues Jahr, neues Pech? Mit Blick auf 2024 dürfte in den Chefetagen und Belegschaften der Krankenhäuser gerade wenig Feierstimmung aufkommen. Nach der Wiedervereinigung gab es in Deutschland noch rund 2.400 Krankenhäuser, im vergangenen Jahr waren es dem Statistischen Bundesamt zufolge noch 1.893. Und im kommenden Jahr könnten weitere Häuser schließen. Das ist zumindest die Befürchtung der Branche.

"Die Situation ist sehr bedrohlich", sagt Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), im Gespräch mit unserer Redaktion. Das wisse man aus Jahresabschlüssen und Wirtschaftsplänen sowie aus aktuellen Befragungen und Berichten von Insolvenzrechtsanwälten. "Schon 2023 haben 80 Prozent der Krankenhäuser rote Zahlen geschrieben. Wir müssen befürchten, dass sich diese Situation im nächsten Jahr noch weiter verschlechtert", so Gaß.

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Teureres Material, teureres Personal

Für die verbliebenen Kliniken in Deutschland kommen derzeit alte und neue Probleme zusammen: Die Zahl der Patientinnen und Patienten ist nicht wieder auf das Niveau vor der Corona-Pandemie zurückgekehrt. Die Krankenhäuser sind für ihre Finanzierung bisher aber auf möglichst viele Patienten angewiesen.

Hinzu kommen gestiegene Kosten. Für Arzneimittel, Lebensmittel, Medizinprodukte, Energie, aber auch für das Personal. "Die Tarifabschlüsse für das kommende Jahr sind im Wesentlichen bekannt. Wir erwarten auch bei den Personalkosten eine Steigerung um etwa zehn Prozent", sagt Gaß.

Die Sorgen und Nöte der Branche sind in der Politik sehr wohl bekannt – allerdings haben sich Bund und Länder bei dem Thema verhakt: Für die Krankenhausplanung sind die Länder zuständig, für die Finanzierung aber der Bund. Beide Seiten geben sich gegenseitig die Schuld am Stillstand.

Auch Karl Lauterbach warnt vor "Krankenhaussterben"

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wollte den Krankenhäusern kurzfristig helfen, indem sie sechs Milliarden Euro Liquiditätshilfen für den Pflegebereich ausgezahlt bekommen. Das Problem: Lauterbach knüpfte diese Zahlung an die Zustimmung der Länder zu seinem "Qualitätsatlas": Er will eine Art Krankenhaus-Check im Internet veröffentlichen, mit dem sich Patientinnen und Patienten über Expertise und Ausstattung jeder Klinik informieren können.

Nur wenn die Länder dem Krankenhaustransparenzgesetz zustimmen, sollten also auch die Liquiditätshilfen fließen. Lauterbach warnte Ende November in Bundestag und Bundesrat: Ohne diese Zustimmung und diese Hilfen sei "ein abwendbares flächendeckendes Krankenhaussterben möglicherweise nicht abwendbar".

Die Länder sagten trotzdem Nein – und verwiesen das Gesetz an den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat. Dieser kann frühestens im Laufe der kommenden Wochen und Monate einen Kompromiss finden.

Dagmar Schmidt, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, ruft die Länder auf, "ihrer Verantwortung gerecht zu werden": "Durch die Blockade im Bundesrat erhalten die Krankenhäuser die dringend notwendigen Liquiditätshilfen verspätet", sagt sie unserer Redaktion. "Zudem werden Regelungen verzögert, die zur Vorbereitung der eigentlichen Krankenhausreform dienen. Die Krankenhausreform kann indes nur gelingen, wenn sich alle Beteiligten konstruktiv am Prozess beteiligen."

Höhere Fallpauschalen gefordert

DKG-Chef Gaß schätzt die Bedeutung der Liquiditätshilfen anders ein: "Das ist kein zusätzliches Geld. Das sind Finanzmittel, die den Krankenhäusern ohnehin zustehen und nur etwas früher ausgezahlt worden wären." Wie die Länder macht er einen anderen Vorschlag, um die Finanzlage der Krankenhäuser kurzfristig zu verbessern: Die sogenannten Landesbasiswerte könnten um vier Prozent angehoben werden. Sie sind die Grundlage der Fallpauschalen – also der Vergütungen, die die Krankenhäuser pro Patientin und Patient von den Krankenkassen bekommen.

"Das ist keine utopische Forderung, und trotzdem würde zusätzliches Geld als Inflationsausgleich ins System kommen", sagt Gaß. "Das wäre ein wichtiger Schritt, den der Bundesgesundheitsminister recht kurzfristig gesetzgeberisch auf den Weg bringen könnte." Er brauche dafür kein Geld aus dem Bundeshaushalt, so Gaß. "Es würde sich um eine minimale Zusatzbelastung für die Krankenkassen zwischen drei und vier Milliarden Euro handeln, für die die Kassen nicht die Beiträge erhöhen müssten."

Der Forderung schließt sich auch die größte Oppositionsfraktion im Bundestag an. "Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben bereits im September eine Überbrückungsfinanzierung gefordert. Diese ist zwingend erforderlich, um ein unkontrolliertes Krankenhaussterben zu verhindern", sagt Sepp Müller, stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion. Zum 1. Juli 2024 müssten die Landesbasiswerte angepasst werden, um die finanzielle Situation der Krankenhäuser zu sichern.

Das Bundesgesundheitsministerium will diesen Weg jedoch offenbar nicht einschlagen. Für Minister Lauterbach habe das Transparenzgesetz mit den darin enthaltenen Liquiditätshilfen Priorität, erklärt ein Sprecher auf Anfrage. "Wir sind nach wie vor zuversichtlich, dass auch die Länderkammer dem Gesetz zustimmen wird."

Ringen um große Krankenhausreform

In einem Ziel sind sich alle Seiten einig: 2024 soll endlich eine große Krankenhausreform unter Dach und Fach sein. Wie erwähnt sind die Krankenhäuser bisher von möglichst hohen Patientenzahlen abhängig, weil sie sich fast nur über die Fallpauschalen für jede Behandlung finanzieren. "Das System der Fallpauschalen hat die Krankenhäuser zu stark falschen ökonomischen Zwängen ausgesetzt. Viele Krankenhäuser wären im alten System von der Schließung bedroht", sagt SPD-Politikerin Dagmar Schmidt.

Deshalb sollen die Kliniken in Zukunft auch eine Grundfinanzierung erhalten. Lauterbach will zudem erreichen, dass sie sich stärker spezialisieren und damit die Qualität der Behandlungen verbessern. Die Länder befürchten aber Standortschließungen und einen zu starken Eingriff des Bundes in ihre Zuständigkeiten. Im Sommer haben sich Bund und Länder zwar auf Eckpunkte geeinigt.

Den eigentlich zugesagten Gesetzentwurf hat das Bundesgesundheitsministerium bisher aber nicht vorgelegt. "Aufgrund der sehr kritischen wirtschaftlichen Lage vieler Krankenhäuser müssen Bund und Länder die Krankenhausreform schnellstmöglich gemeinsam weiter voranbringen", schreibt Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) in einem Brief an Lauterbach, der unserer Redaktion vorliegt. Aus Lauterbachs Ministerium heißt es, man arbeite "mit Hochdruck" an einem ersten Gesetzentwurf.

Auch die Krankenhausgesellschaft pocht auf schnelle Absprachen: "Viele Krankenhäuser befinden sich im luftleeren Raum. Sie haben Investitionsprojekte gestoppt, weil sie nicht wissen, wie ihr Standort zukünftig aussehen soll, ob sie bestimmte Abteilungen und Disziplinen weiter anbieten können", sagt Gerald Gaß. "Es ist wichtig, dass sie jetzt schnell Planungssicherheit bekommen."

Verwendete Quellen

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