• Das Europäische Parlament und die EU-Kommission wollen neue Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035 verbieten.
  • Dem Plan müssen nun noch die EU-Länder zustimmen – ausgerechnet Deutschlands Position ist alles andere als klar.

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Geht es nach dem Willen des Europäischen Parlaments und der EU-Kommission, dürfen Autohersteller aus Klimaschutzgründen ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen verkaufen. Sollten sich die Mitgliedstaaten dieser Haltung anschließen, wäre das das Aus für Verbrenner in 13 Jahren – doch genau das ist alles andere als sicher.

Die Umweltminister der EU-Staaten treffen sich am Dienstag in Luxemburg, um ihre Position zu dem Thema festzulegen. Doch nicht nur in der EU, auch in der Bundesregierung herrscht Uneinigkeit: Grüne und SPD sind für das Verbot von Verbrennungsmotoren ab 2035, die FDP ist dagegen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) drängen darauf, dass auch künftig neue Autos mit Verbrennungsmotor verkauft werden dürfen.

Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) betonte hingegen am Dienstagmorgen, die Regierung werde dem Verbrenner-Verbot zustimmen. "Wichtig ist mir, dass die Bundesregierung heute hier in Luxemburg die Kommission unterstützen wird in dem Ziel, dass ab 2035 keine Pkw mehr zugelassen werden, die CO2 ausstoßen", sagte Lemke im ZDF–"Morgenmagazin". Das sei die Linie, die die Bundesregierung zuletzt vertreten habe und "die auch im Koalitionsvertrag niedergelegt ist". Es gehe darum, den Umstieg auf die Elektromobilität voranzutreiben.

Grünen-Umweltministerin Steffi Lemke will Ausnahmen durchsetzen

Das klingt klar. Im Detail will allerdings auch Lemke Ausnahmen zulassen. Ihr zufolge müsse in dem finalen Paket mit ihren Ministerkollegen deutlich gemacht werden, dass außerhalb des Pkw-Bereichs auch andere Kraftstoffe eingesetzt werden könnten. Als Beispiel nannte sie Feuerwehrautos sowie den Schiffs- oder Luftverkehr.

Lemke erklärte mit Blick auf die Beratungen, sie richte sich auf einen langen Tag ein, "möglicherweise bis in die Nacht". Womöglich auch, weil FDP-Chef Lindner am Dienstagmittag dementierte, dass es eine abgestimmte Haltung innerhalb der Bundesregierung gebe. "Die heutigen Äußerungen der Umweltministerin sind überraschend, denn sie entsprechen nicht den aktuellen Verabredungen", sagte der Finanzminister der Deutschen Presse-Agentur. Er betonte erneut: "Verbrennungsmotoren mit CO2-freien Kraftstoffen sollen als Technologie auch nach 2035 in allen Fahrzeugen möglich sein."

Wir klären die wichtigsten Fragen zu dem Treffen und zu einem möglichen Verbrenner-Aus:

Was ist das Ziel des Treffens der Umweltminister in Luxemburg?

Bei dem Treffen geht es darum, ob sich die Minister grundsätzlich auf ein Zulassungsverbot von Privat-Pkw und leichten Nutzfahrzeugen mit Diesel- oder Benzinantrieb ab 2035 einigen können. Dies hatte die Europäische Kommission als Teil des Klimapakets vorgeschlagen, mit dem die EU bis 2030 ihre CO2-Ausstöße stark verringern will. Auch das EU-Parlament konnte sich Anfang Juni auf das Verbrenner-Aus einigen.

Steht das Ergebnis schon fest?

Nein. Vor wenigen Wochen gingen die meisten Beobachter des Brüsseler Politikbetriebs davon aus, dass auch die EU-Staaten ein Verbrenner-Aus befürworten. Dann gab es in der Bundesregierung den Streit über die deutsche Position. Während es im März noch hieß, ein De-facto-Verkaufsverbot für neue Verbrenner werde von der Ampel unterstützt, forderten die FDP-Minister Lindner und Wissing vor Kurzem doch noch entscheidende Änderungen an dem Vorhaben.

Was passiert, wenn sich Deutschland bei der Abstimmung enthält?

Enthält sich Deutschland im Umweltrat, würde dies als Nein gewertet.

Warum ist die deutsche Position wichtig?

Viele Länder achten darauf, wie sich die Bundesrepublik verhält. "Es ist wahrscheinlich, dass andere folgen werden, wenn Berlin nicht für ein Verbot neuer Autos mit Verbrennungsmotor bis 2035 stimmt", sagte ein EU-Diplomat jüngst der Deutschen Presse-Agentur. Eine Meinung, die auch von anderen Experten geteilt wird.

Dazu kommt: Auch andere Länder sind bei dem Thema gespalten. Vergangene Woche schlug Italien eine Verschiebung des Verbrennerverbots um fünf Jahre auf 2040 vor. Das Land wird dabei von Bulgarien, Portugal, Rumänien und der Slowakei unterstützt.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Was passiert, wenn sich die EU-Staaten gegen ein Verbrenner-Aus stellen?

Dann ist es noch nicht vom Tisch. Die EU-Staaten müssen sich mit dem EU-Parlament einigen. Da sich das Parlament bereits für ein Aus von neuen Verbrennern ab 2035 ausgesprochen hat, ist es immer noch möglich, dass sich die Parlamentarier mit dieser Forderung durchsetzen. Anders sieht es aus, wenn die EU-Staaten sich für ein Verbrenner-Aus entscheiden. Da die beiden Positionen in dieser Frage dann bereits sehr nah beieinander liegen, wäre es extrem unwahrscheinlich, dass sich daran noch etwas ändert.

Kann ich nach 2035 noch mit meinem Verbrennerauto fahren, sollte das Verbot kommen?

Ja. Verboten würde nur der Verkauf von Neuwagen. Konkret werden in dem Gesetzesvorhaben die sogenannten Flottengrenzwerte geregelt. Das sind Vorgaben für die Hersteller, wie viel CO2 ihre produzierten Autos und Transporter im Betrieb ausstoßen dürfen. Dieser Wert soll bis 2035 auf null gesenkt werden. Wird ein Auto mit Benzin oder Diesel betrieben, stößt es CO2 aus.

Welche Länder wollten schon vor dem EU-Parlamentsbeschluss aus Verbrennungsmotoren aussteigen?

In manchen Ländern gibt es bereits seit einiger Zeit ein Ausstiegsdatum: Norwegen zum Beispiel will ab 2025 keine Verkäufe von Fahrzeugen mit klassischen Benziner- oder Dieselantrieben mehr zulassen. Großbritannien, Schweden, Dänemark, die Niederlande und Belgien peilten dafür zuletzt das Jahr 2030 an, Frankreich wollte spätestens 2040 nachlegen. Sogar das riesige Schwellenland Indien will mittelfristig aus der herkömmlichen Antriebstechnik aussteigen.

Was steht bei dem Ministertreffen noch auf der Tagesordnung?

Neben der Abstimmung über das De-facto-Verbot für neue Autos und Transporter mit Verbrennungsmotor ab 2035 versuchen sich die Spitzenpolitiker auf eine gemeinsame Haltung zur Reform des EU-Emissionshandels und zu einem milliardenschweren Klimasozialfonds zu einigen. Beim Emissionshandel (ETS) müssen bestimmte Industrien für den Ausstoß klimaschädlicher Gase wie CO2 bezahlen. Durch den Klimasozialfonds sollen Bürgerinnen und Bürger entlastet werden, da durch mehr Klimaschutz auch höhere Kosten für Verbraucher erwartet werden. (dpa/afp/mf)

Hinweis: Der Artikel wurde nachträglich um das Dementi von Christan Lindner ergänzt.

Streit um Verbrenner-Aus: Das ist Lindners Forderung

Finanzminister Christian Lindner hat im Streit um das geplante EU-weite Verbrenner-Aus ab 2035 Nachbesserungen gefordert und zugleich Gesprächsbereitschaft signalisiert. Synthetische Kraftstoffe müssen laut dem FDP-Chef als Option eine Perspektive haben.
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