• Nach dem Anschlag von Kabul bleibt die Bedrohung durch mögliche Terrorangriffe groß.
  • Die US-Truppen kontrollieren weiter den Flughafen, rundherum haben die Taliban das Sagen.
  • Die internationale Luftbrücke nach Kabul zur Evakuierung steht nun vor dem Ende.

Mehr News zu Afghanistan finden Sie hier

Kurz vor dem Ende des Evakuierungseinsatzes in Afghanistan hat das US-Militär mit dem Abzug seiner Truppen vom Flughafen Kabul begonnen. Der Prozess sei gestartet worden, sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, am Samstag. Gleichzeitig widersprach er entschieden Aussagen der Taliban, wonach die USA "zwei, drei" Zugänge zum Flughafen in der Nacht zu Samstag an die Islamisten übergeben hätten. Die Taliban hätten Sicherheitskontrollen rund um den Flughafen errichtet, so Kirby. "Aber sie kontrollieren keine Tore, sie sind nicht am Flughafen und haben keine Rolle für die Sicherheit."

Nach dem Vergeltungsschlag gegen Kämpfer des örtlichen Ablegers der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) kündigte US-Präsident Joe Biden weitere Luftangriffe an. "Dieser Angriff war nicht der letzte", erklärte Biden am Samstag. Mit Blick auf den verheerenden Terroranschlag in Kabul vom Donnerstag fügte er hinzu: "Wir werden weiterhin alle Personen, die in diesen niederträchtigen Anschlag verwickelt waren, jagen, fassen und dafür bezahlen lassen." Jeglicher Angriff auf US-Interessen oder das Militär werde vergolten werden, warnte er.

Vergeltungsschlag gegen Planer des Terroranschlags in Kabul

Das US-Militär hatte bei dem Vergeltungsschlag in der Provinz Nangarhar nach eigenen Angaben zwei ranghohe Vertreter des örtlichen IS-Ablegers getötet. Ein weiterer sei verletzt worden, erklärte Generalmajor William Taylor im Pentagon. Nach dem unbemannten Luftangriff hatte das Militär am Freitagabend (Ortszeit) zunächst angegeben, "einen Planer" des tödlichen Terroranschlags in Kabul getötet zu haben. Nun gehe man davon aus, einen Planer und einen Unterstützer des Vorhabens getötet zu haben, hieß es. Es gebe nach bisherigen Erkenntnissen keine zivilen Opfer, sagte Taylor.

Bei dem Terroranschlag am Donnerstag nahe des Flughafens waren Dutzende Menschen getötet worden, darunter 13 US-Soldaten. Nach der US-Botschaft warnte auch Biden vor weiteren Anschlägen. Er hielt einen weiteren Terroranschlag für "sehr wahrscheinlich". Die Lage sei weiterhin "extrem gefährlich und die Bedrohung durch Terroranschläge auf den Flughafen bleibt hoch", erklärte Biden. Schon vor dem Anschlag am Donnerstag, bei dem sich nach US-Angaben ein Selbstmordattentäter der Terrormiliz IS an einem Tor in die Luft sprengte, hatten die USA eine Warnung ausgegeben. Auch die Bundesregierung warnte am Samstag, es bestehe weiter ein hohes Anschlagsrisiko.

Das US-Militär werde noch bis zum geplanten Abzug am Dienstag für Sicherheit und Betrieb des Airports verantwortlich sein, sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Kirby. Alle Tore des Flughafens stünden weiter unter Kontrolle der US-Soldatinnen und Soldaten. Die Truppen sollen Afghanistan nach Willen von US-Präsident Joe Biden bis Dienstag verlassen. Am Freitag waren noch mehr als 5000 am Flughafen Kabul stationiert gewesen.

Nachdem die Bundeswehr und andere Verbündete ihre Evakuierungsmission abschlossen, gingen auch die militärischen Rettungsflüge der USA in die Endzüge. Dabei wurden von der US-Luftwaffe und Verbündeten innerhalb von 24 Stunden noch einmal rund 6800 Menschen aus Kabul ausgeflogen, wie das Weiße Haus am Samstag mitteilte. Seit Mitte August hätten die USA und ihre Partner insgesamt rund 112.000 ihrer Staatsbürger und früherer afghanischer Mitarbeiter ausgeflogen.

Die Bundeswehr hat alle Soldaten des Evakuierungseinsatzes inzwischen zurück nach Deutschland geflogen. Sie zog auch ihr Sanitätsflugzeug aus dem usbekischen Taschkent ab, das dort noch für eine mögliche Rettung Verletzter aus Kabul stationiert war. Die Bundeswehr hatte ihre Luftbrücke am Donnerstag beendet, Frankreich und Spanien am Freitag. Die britischen Truppen sollten am Wochenende folgen.

Noch etwa 300 Deutsche in Afghanistan

Das US-Militär soll noch bis Dienstag Menschen in Sicherheit bringen, allerdings wird die Zahl der ausgeflogenen Personen wegen des gleichzeitigen Abzugs von Soldaten und Ausrüstung sinken. Deutschland hofft darauf, dass Schutzsuchende das Land künftig auch mit zivilen Flugzeugen verlassen können. Offenbar warten noch rund 300 Deutsche und mehr als 10.000 Afghanen auf Ausreise nach Deutschland.

Außenminister Heiko Maas bricht am Sonntag zu einer viertägigen Reise in fünf Länder auf, die alle eine Rolle bei den weiteren Bemühungen um die Ausreise Schutzsuchender spielen. Erste Station ist die Türkei. Danach besucht der SPD-Politiker mit Usbekistan, Pakistan und Tadschikistan drei Nachbarländer Afghanistans sowie Katar.

Es blieb weiter unklar, ob Frauen unter Taliban-Herrschaft weiter ihren Berufen nachgehen können. Konkrete Aussagen dazu machten die Taliban bisher nur in den Bereichen Bildung und Gesundheit. Am Freitagabend twitterte Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid dazu, dass der Arbeit von Frauen im öffentlichen Gesundheitssektor nichts im Wege stehe. Das Gesundheitsministerium weise alle Mitarbeiterinnen in Kabul und den Provinzen an, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) führte am Samstag nach Angaben der Bundesregierung Gespräche mit dem britischen Premierminister Boris Johnson sowie dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte. Merkel und Johnson forderten bei ihrem Telefonat internationale Anstrengungen, um eine humanitäre Krise im Land zu verhindern. Wie aus einer Mitteilung der Regierung in London hervorging, bekannten sich die beiden auch zur Zusammenarbeit, um den beim Treffen der G7-Staats- und Regierungschefs Anfang der Woche diskutierten Fahrplan für den Umgang mit einer künftigen Regierung in Kabul umzusetzen. Neben der politischen Instabilität erschwert eine anhaltende Dürre und verbreiteter Hunger die Lage in Afghanistan zusätzlich. (best/dpa)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.