• Die Geschäftsführerin von Global Digital Women, Tijen Onaran, engagiert sich international für Digitalisierung, Diversität, Chancengleichheit und die Sichtbarkeit von Frauen in der Wirtschaft.
  • Die gebürtige Karlsruherin kandidierte bereits als 20-Jährige für die FDP bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, arbeitete mehrere Jahre in der Politik und später in der Automobilindustrie.
  • Wir haben mit Tijen Onaran gesprochen, was sich in Deutschland ändern muss, um mehr Diversität zu erreichen.
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Frau Onaran, mit vielen einflussreichen Frauen haben Sie die Doku "Yes she can – Frauen verändern die Welt!" erstellt. Sie zeigt Frauen, die den Status quo herausfordern und für Chancengleichheit kämpfen. Ihr erster Satz ist folgender: "Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem!" Sie waren bereits mit 20 Jahren in der Politik aktiv. Wie haben Sie das Umsetzungsproblem und die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern damals erlebt?

Tijen Onaran: Während meiner aktiven politischen Zeit, in der ich für verschiedene Politiker und Politikerinnen arbeitete, stellte ich fest, dass ich die einzige am Tisch war, die irgendwie anders war. Anders im Sinne von jünger, weiblich und mit einem "Migrations-Vordergrund", wie man heute so schön sagt. Das waren definitiv Dinge, bei denen ich festgestellt habe, dass ich in diesem Umfeld eine Exotin bin. Ich bin immer aufgefallen. Das hat mich 2005/2006 schon gestört.

Was war damals?

Damals kandidierte ich für die Karlsruher FDP für den Landtag. Es war auch schon dort während des Wahlkampfes ein Riesen-Thema, dass ich auffallen würde, da ich so jung und mitunter die einzige Frau auf Veranstaltungen war. Aber ich konnte das damals noch nicht richtig in Worte fassen, woran das lag. Ich entwickelte ein Störgefühl.

Erst Jahre später, als ich angefangen hatte, eine stärkere Sensibilität für das Thema zu entwickeln, wurde mir bewusst, dass dieses Störgefühl daher rührte, dass Diversität und vor allem Geschlechter-Vielfalt in der Politik noch gar nicht so angekommen war. Und als ich dann irgendwann die Seiten wechselte und für die Wirtschaft und in Verbänden von Hochschulen arbeitete, setzte sich das fort. Je höher ich karrieretechnisch kam, also Führungspositionen innehatte, desto dünner wurde die Luft und desto weniger Frauen gab es. Das motivierte mich zu sagen: "Ich möchte mich hier wirklich engagieren und auch ein Zeichen setzen."

Da gibt es schon einiges an Nachholbedarf.

Es gibt extrem viel an Nachholbedarf! Meine politische Karriere ist ja schon länger her. Wir haben jetzt 2021 und reden im Grunde immer noch über dieselben Themen. Wir reden auch immer noch über den Frauenanteil in der Politik in verschiedenen Parteien. Wenn man sich das Parlament heute anguckt, sinkt die Frauenquote im Bundestag wieder.

Anm. d. Red.: In der Legislaturperiode 2013-2017 lag der Anteil der Frauen im Bundestag bei 37,3 Prozent, in der aktuellen Legislaturperiode seit 2017 sank der Wert auf 31,4 Prozent.

"Wir sollten Männern genau dieselben Fragen stellen wie Frauen"

Das Thema "Frau und Mutter als Kanzlerkandidatin" wird ja gerade heiß diskutiert …

Richtig. Allein wenn man sich aktuell anschaut, wie die Kanzlerkandidatur der Grünen geführt wird, also wie Annalena Baerbock im Vergleich zu Robert Habeck behandelt wird, kann man nur den Kopf schütteln. Fragen zu Familie und Vereinbarkeit, die sich Annalena Baerbock stellen lassen musste, mussten sich die anderen potentiellen Kandidaten wie Habeck, Armin Laschet oder Markus Söder nicht anhören.

Das zeigt, dass wir in den Köpfen der Menschen immer noch tief verankerte Rollenmuster haben, die es gilt, aufzubrechen und zu verändern. Denn das Thema "Familie haben" wird immer noch automatisch einer Frau zugeschrieben. Männer, beziehungsweise Väter, klammern wir in der Debatte völlig aus. Wir sollten Männern genau dieselben Fragen stellen wie Frauen.

Wie steht es Ihrer Meinung nach um die Gleichstellung der Geschlechter in Deutschland?

Der öffentliche Druck wächst, die öffentliche Wahrnehmung steigt und es geht nicht mehr, sich nicht zu positionieren. Wir bewegen uns natürlich alle ein Stück weit in unserer eigenen Filterblase.

Die größte Herausforderung im Bereich Gleichstellung ist, dass wir Menschen überhaupt erst einmal erreichen, die von dem Konzept der Geschlechtergleichstellung noch nicht überzeugt sind und sich auch noch nie Gedanken darüber gemacht haben, ob es hier Herausforderungen gibt oder nicht.

Daher auch die Kooperation mit Amazon?

Ja, wir haben unsere Dokumentation "Yes she can - Frauen verändern die Welt" auf einer Streaming-Plattform publiziert, weil wir bewusst in die Breite der Bevölkerung wollten. Per Streaming erreicht man heute einfach viel mehr Menschen.

In der Doku wird das Thema "Gender-Pay-Gap" besprochen. Frauen verdienen heute immer noch weniger als Männer für die gleiche Arbeit. Woran liegt das und was können Frauen tun, um ein besseres Gehalt zu verhandeln?

Geld ist ein absolutes Tabuthema in Deutschland, über Geld spricht man nicht - und daraus resultiert auch häufig der "Gender-Pay-Gap". In der Schule werden Kinder nicht mit dem Thema Geld sozialisiert. Sie lernen nicht, was sie wert sind, was man an Gehalt verhandeln kann.

Wir haben zwar seit Juli 2017 das Entgelttransparenzgesetz, welches Unternehmen zur Offenlegung der Gehaltsstrukturen verpflichtet, was beispielsweise der gleichgestellte Kollege verdient. Statistiken zeigen allerdings, dass Frauen diese Einsicht nicht so sehr in Anspruch nehmen.

Meine Idealvorstellung wäre, dass wir solche Gesetze gar nicht benötigen, sondern dass es sich Unternehmen gar nicht leisten dürften, unterschiedliche Bezahlungen für die gleiche Position an den Tag zu legen. All das müssen wir aufbrechen.

Liegt es also an den Frauen, sich mehr für sich selbst einzusetzen?

Ich glaube, dass es viel mehr Zusammentreffen und Gespräche von Frauen geben sollte, die sich rein um das Thema Gehalt drehen.

So wie wenn man einfach eine Freundin fragt: "Sag mal, wie viel verdienst du denn in diesem Bereich, beziehungsweise wie hast du das verhandelt?" Die Problematik, diese Unsicherheit entsteht ja dadurch, dass ich kein Wissen dazu habe.

Das führt dann dazu, dass ich entweder schlecht verhandele - oder erst gar nicht verhandele. Man muss auch selbst aktiv Dinge einfordern. Über Geld muss genauso gesprochen werden, wie übers Wetter!

Was bedeutet Vielfalt für Sie? In vielen Unternehmen gilt es schon als vielfältig beziehungsweise divers, wenn bereits eine Frau im Vorstand oder im Team ist.

Vielfalt heißt nicht eine, Vielfalt heißt "viele"! Vielfalt bedeutet für mich vor allem Perspektiven-Vielfalt. Das bedeutet, dass ich möglichst viele Perspektiven an einem Tisch sitzen habe, um dann das beste Produkt, die beste Dienstleistung oder die beste Idee entwickeln zu können.

Gibt es nur homogene Teams - sitzen also nur Menschen am Tisch, die eine ähnliche Sozialisation und das gleiche Geschlecht haben -, wird das Endergebnis nie so gut und auch nie so kreativ sein, wie wenn Diversität am Tisch sitzt.

Das Ganze geht für mich sogar über das Thema Geschlechter-Vielfalt hinaus, da das Geschlecht eine Komponente von Vielfalt ist. Es geht auch um soziale Gerechtigkeit oder um Generationen-Vielfalt - ein Thema, das übrigens überhaupt nicht in der öffentlichen Debatte thematisiert wird.

Der eigentliche Kern von Vielfalt ist, dass wir irgendwann gar nicht mehr darüber nachdenken, ob wir eine bestimmte Dimension von Vielfalt abbilden, sondern dass Vielfalt selbstverständlich ist.

Wie können Männer mehr zur Gender-Diversity in der Gesellschaft beitragen?

Indem Männer auch zu Feministen werden, wenn sie es nicht schon sind. Was mich wahnsinnig stört in dieser Debatte ist, dass Frauen für ihre Rechte einstehen müssen.

Frauenrechte sind Menschenrechte. Das bedeutet, jeder und jede müsste sich genau für dieses Thema einsetzen, Männer müssen auch zu Befürwortern und Unterstützern werden. Ihnen muss auch auffallen, wenn keine Diversität, wenn Geschlechterungerechtigkeit vorherrscht.

Wenn man über Diversität spricht, kommt immer wieder das Thema "Gendern" auf. Werden Frauen tatsächlich besser eingebunden, wenn man die Sprache anpasst und Sternchen, Doppelpunkte oder Unterstriche hinzufügt?

Ich kann gendern und trotzdem Antifeministin sein. Ich glaube, dass das Gendern eine wichtige Möglichkeit ist, um Sprache divers zu gestalten. Und es ist auch wichtig, weil Sprache sich verändert.

Aber ich würde mich nie nur aufs Gendern verlassen, sondern Gendern ist ein Teil auf der Reise zu mehr Vielfalt und übrigens auch zu mehr Inklusion. Wichtig ist, dass es für Berufsbezeichnungen auch die weibliche Form gibt. Das sind kleine Feinheiten, die aber ganz viel in den Köpfen auslösen.

Dann stellen gerade Mädchen fest, dass sie auch als Pilot arbeiten können, wenn es Pilotin heißt - und nicht nur Pilot.

"Niemand würde sagen: 'Das ist aber ein Powermann'"

Wo wir gerade bei Begrifflichkeiten sind: Frauen, die sich für Individuen, Ideen oder Dinge einsetzen, werden gerne als "starke Frauen" bezeichnet. Wie finden Sie diese gut gemeinten Ausdrücke?

Es ist halt "gut gemeint", aber "nicht gut gemacht." Bezeichnungen wie "starke Frau", "Powerfrau" oder "ambitionierte Frau" höre ich in diesem Zusammenhang immer wieder. Wenn man allerdings mal die Männerseite anschaut, würde niemand sagen: "Das ist aber ein 'starker Mann', ein richtiger 'Powermann'." Bei solchen Begriffen überlege ich mir immer, was das Pendant für Männer wäre.

Und wenn ich dann feststelle, dass es kein passendes gibt oder ich ein ganz anderes Wort für einen Mann wählen würde, fängt das Ganze schon an zu hinken. Wir müssen schauen, dass wir dieses Schubladendenken nicht in unserer Sprache manifestieren. Die Begrifflichkeit "starke Frau" beinhaltet auch immer das Gegenteil "schwache Frau", und "schwach" darfst du als Frau nicht sein.

Da brauchen wir definitiv eine gewisse Sensibilität.

"Einflussreich" hätte eine andere Konnotation. Welches Wort würden Sie wählen?

Einflussreich finde ich total spannend. Das Gleiche gilt auch für das Wort "Macht". Macht ist in Deutschland teilweise negativ konnotiert. Außerdem wird Macht auch gerne Männern zugeschrieben.

"Das ist ein Typ, der strebt nur nach Macht!" Ich glaube aber, dass Frauen auch ziemlich machtbewusst sind, aber auf eine andere Art .

Eine Analyse des Harvard Business Reviews zeigt, dass Frauen in Leistungsbeurteilungen Attribute wie "mitfühlend", "energisch" oder "organisiert" zugeschrieben werden. Männer hingehen werden als "analytisch", "kompetent", "vielseitig", "überzeugend" oder "durchsetzungsfähig" beschrieben. Ist eine Frau durchsetzungsfähig, wird sie oft als "bossy" - also herrisch - bezeichnet, was auch von einer Gründerin in der Doku beschrieben wird. Wie kann das geändert werden?

Es hilft immer, Transparenz zu schaffen. Nicht in Form von Konfrontation, sondern in Form von Aufklärung, von "Aha-Momenten". Wir sollten die Frage stellen: "Warum denkst du, dass eine Frau mit dem Adjektiv 'warmherzig' beschrieben werden sollte, würdest du das auch bei einem Mann machen?"

Wenn es den eigenen Lebensbereich betrifft, dann ist ein größeres Bewusstsein vorhanden.

"Frauen müssen die Spielregeln von Männern nicht mitspielen, sie müssen sie neu definieren"

In der Doku wird ein häufiges Phänomen, mit dem Frauen im Berufsalltag konfrontiert sind, thematisiert: das "Hepeating". "Hepeating" ist eine Mischung aus den englischen Wörtern "he" (zu Deutsch: "er") und "repeating“ ("wiederholen"). Eine Frau stellt eine Idee vor und wird ignoriert. Ein Mann sagt einige Minuten später dasselbe und wird dafür gefeiert. Wie sollten Frauen vorgehen, wenn ihnen so etwas passiert?

Meeting im Büro.
Meeting im Büro. © Getty Images/jacoblund

Genau das aktiv kommunizieren. Ich darf es auf keinen Fall herunterschlucken und hoffen, die Person wird schon darauf aufmerksam werden. Das wird nicht passieren.

Einfach sagen: "Vielen Dank für den tollen Vorschlag, den ich ja gerade auch gemacht habe, ich freue mich, dass du dich mir anschließt!"

Frauen müssen die Spielregeln von Männern nicht mitspielen, sie müssen sie neu definieren. Sobald auch mehr Frauen in Meetings sind, können sie sich gegenseitig bestärken. Wenn also die Idee einer Frau abgebügelt wird und jemand anderes versucht, mit der Idee zu glänzen, dann kann auch die Kollegin einspringen und unterstützen, das sogenannte "Empowerment".

Welche Rolle spielen Erziehung und Bildung? Bestimmte Geschlechterrollen sind seit Jahrzehnten tief in unserer Gesellschaft verankert. Beginnt Emanzipation nicht schon zu Hause? Wie können Eltern ihren Kindern ein gutes Vorbild sein?

Ich bin der festen Überzeugung, dass Emanzipation im Elternhaus beginnt. Ich habe das selbst auch so erfahren. In der Doku erwähnt Jaclyn Schnau, die Gründerin von Pumpkin Organics: "Unser Kind sieht, dass Mama und Papa alles gleich machen.

Sie gehen arbeiten, sie kümmern sich um den Haushalt, sie kümmern sich um das Kind." Kinder verinnerlichen, was sie sehen und vorgelebt bekommen und werden auch so in die Welt starten. Für mich war das als Kind die Normalität, meine Eltern haben genau das auch gelebt.

Es war für mich sehr überraschend, wenn ich bei Freundinnen gesehen habe, dass es auch anders geht und die Aufteilung eben nicht so gleichberechtigt stattfindet. Aber es liegt auch viel an der Wahl des Partners. Die Familie und Karriere beginnt bei der Partnerwahl. Daher: Augen auf bei der Partnerwahl! (lacht)

Während des Corona-Lockdowns hat sich aktuell auch wieder gezeigt, dass meist Frauen den Spagat zwischen Kinderbetreuung, Homeschooling und Homeoffice meistern müssen. Da zeigt sich immer noch das alte Rollenbild.

Ja, das sehe ich auch in meinem Umfeld und ich bin wirklich stark verwundert. Ich versuche es mir so zu erklären, dass der äußere Rahmen weggefallen ist. All das, was die Belastung vorher aufgefangen hat - ob das jetzt der Kindergarten oder Unterstützung von außen durch Großeltern oder eine Nanny war -, ist in der Pandemie weggefallen, du bist als Familie seitdem auf dich selbst gestellt.

Aber man muss auch sagen, dass die Krise fehlende Gleichstellung und Gleichberechtigung transparent gemacht hat. Das hat uns gezeigt, dass wir in Deutschland immer noch ein klassisch aufgeteiltes Rollenbild haben. Wenn es hart auf hart kommt, ist es meist doch wieder die Frau, die sich offensichtlich um alles kümmert.

Da frage ich mich dann, was wir in der Entwicklung in Deutschland verpasst haben? Die Erziehung von Jungs zur Umsetzung der Gleichberechtigung hat anscheinend ja nicht funktioniert.

Was muss sich in unserer Bildungspolitik ändern?

In der Schule wird der Grundstein für Vielfalt und vielfältige Lebenswege gelegt. Ich habe das Gefühl, dass die Schulen in einer Realität verharren, die in der Vergangenheit angesetzt und nicht zukunftsfähig ist. Gerade bei jungen Menschen, die aus sozial benachteiligten Familien kommen, ist die Schule der Ort der Inspiration, an dem sie sehen können, was sie aus sich machen können.

Daher brauchen wir auf jeden Fall mehr Vorbilder in den Schulen, Menschen, die unterschiedliche Berufsbilder ausfüllen. Frauen, die in männerdominierten Tech-Berufen Karriere machen und Männer, die in eigentlich klassischen Frauenberufen arbeiten, sodass den Kindern und Jugendlichen klar wird: Ein Junge kann auch Kindergärtner und eine Frau auch CEO eines Großkonzerns werden.

Desto eher wird ein Kind auch danach streben, sich daran orientieren und das in seine Möglichkeiten der Berufswahl miteinbeziehen.

"Auch ein CEO sollte mal in Elternzeit gehen und so eine Vorbildrolle für das Unternehmen einnehmen"

Der Konflikt zwischen Familie und Karriere stellt für viele Frauen heute dennoch eine Hürde in der Berufswelt dar. Was muss passieren, damit sich das ändert?

Es braucht mehr flexiblere Antworten auf verschiedene Lebensrealitäten. Eine gesunde Work-Life-Balance ist wichtig. Unsere Unternehmen sind noch nicht in diesen neuen Lebensrealitäten angekommen, wir haben oftmals noch diese klassische lineare Karriere.

Drei Punkte sind hier wichtig: Erstens sollte die Möglichkeit der Teilzeitarbeit gegeben sein. Als Zweites sind auch Tandemstellen wichtig, gerade gemischte Tandems.

Damit meine ich, dass sich ein Mann und eine Frau eine Führungsposition teilen, was auch eine Form von Diversität ist, die Verantwortung wird auf zwei Schultern geteilt. Und drittens müssen Signale aus der Führungsetage kommen.

Auch ein CEO sollte mal in Elternzeit oder in Väterteilzeit gehen und so eine Vorbildrolle für das ganze Unternehmen einnehmen. Einige Unternehmen haben diese Modelle schon, aber es ist noch ein langer Weg.

Frauen sind in vielen Bereichen oft noch Einzelkämpferinnen. Wie wichtig ist es, sich untereinander zu vernetzen? Gibt es Tipps, wie Frauen eine starke Gemeinschaft schaffen können?

Man sollte darüber nachdenken, was man verändern und wie man als Einzelperson an dieser Veränderung teilhaben kann. Männer machen den ganzen Tag nichts Anderes, als sich gegenseitig überall zu empfehlen: für Jobs, in Wettbewerben, für Auszeichnungen. I

ch meine damit nicht, dass wir Frauen wie die Männer sein sollten. Aber: Wenn wir Frauen anfangen, diese Empfehlungskultur stärker zu leben, dann werden wir auch stärker präsent. Wir müssen Koalitionen bilden, um gemeinsam auf einer Stufe als Einheit nach außen auftreten zu können. Dieses strategische Netzwerk, sich gemeinsam voranzubringen, ist ein wichtiger Hebel.

Er führt dazu, dass ich als Einzelperson nicht mehr alleine bin. Aus dem Interesse einer einzelnen Frau wird plötzlich das Gesamtinteresse einer ganzen Gruppe. So pathetisch es auch klingt, aber ich bin davon überzeugt: Gemeinsam ist man einfach stärker.

Wo finden Frauen passende Netzwerke?

Ich würde schauen, auf welchen sozialen Netzwerken ich unterwegs bin. Einfach mal auf Facebook oder Instagram das Wort "Frauennetzwerk" in die Suche eingeben und schauen, welche Gruppen kommen.

Es gibt auch viele Verbände, Vereine und Frauennetzwerke auf regionaler Ebene, die häufige auf der Internetseite der Stadt oder Gemeinde verzeichnet sind.

Social Media kann dabei ja helfen. Aber es kann auch eine Botschaft an junge Frauen senden, die konträr dazu wirkt, siehe viele Influencerinnen, die mehr oder minder sinnvolle Produkte bewerben und in einer gefakten Blase schweben.

Es stimmt definitiv, dass Instagram manchmal auch einen verzerrten Blick zeigt. Aber es gibt auf Instagram ja auch "Sinnfluencerinnen", also Influencerinnen mit Sinn, die sich für gesellschaftspolitische Themen einsetzen. Ich würde allen Userinnen und Usern mitgeben, ordentlich zu recherchieren und zu schauen, wo ich mir genau meine Inspirationen hole und die Aufmerksamkeit auf Menschen zu münzen, die einen inhaltlich weiterbringen.

Es gibt viele tolle Accounts, die über "Food", "Lifestyle" und "Travel" hinausgehen wie etwa die "UN Women", "Frau Verhandelt" oder die "Finanzheldinnen".

In der Doku sagen Sie: "Frauen sollten Frauen ganz intensiv unterstützen. Ich glaube, dass es jetzt das Jahrhundert der Frauen sein wird." Wie sieht das ideale Jahrhundert der Frauen aus?

Die verstorbene US-Richterin Ruth Bader Ginsberg hat vor ihrem Tod gesagt: "Frauen müssen überall da sein, wo Entscheidungen getroffen werden."

Denn nur, wenn sie teilhaben können, sind sie auch Teil einer Entwicklung. Wenn ich merke, ich habe keinen Platz an dem Tisch, an dem ich eigentlich teilhaben möchte, dann baue ich mir meinen eigenen Tisch und hole mir die Menschen dazu, die für MICH entscheidend sind.

Frauen müssen sich nicht verändern und anpassen. Wir sollten uns viel stärker die Frage stellen: Warum ist die Kultur so wie sie ist und warum schaffen wir es nicht, eine diverse, inklusive Kultur zu schaffen, die alle mit einbezieht und in der sich alle wohl und als Teil des Ganzen fühlen?


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