• Im Rahmen eines neuen Sanktionspakets haben westliche Regierungen erstmals Sanktionen gegen die Töchter des russischen Präsidenten Wladimir Putin und seines Außenministers Sergej Lawrow verhängt.
  • Dabei hatte Putin stets versucht, seine Familie aus der Öffentlichkeit fern zu halten.
  • Was ist über die Frauen bekannt?

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Wenn es um seine Familie geht, gibt sich der russische Präsident für gewöhnlich schmallippig. Dass Wladimir Putin sich – wie vor einigen Jahren – an die Öffentlichkeit wandte, zugab, Großvater zu sein und sogar erzählte, "gerne Zeit mit meinen Enkeln" zu verbringen, kommt deshalb eher selten vor.

Vielmehr blockiert der Kreml seit seinem Amtsantritt alle Versuche westlicher Reporter, Details über die privaten Verhältnisse des Präsidenten zu entlocken, meist mit dem Verweis auf "Sicherheitsprobleme". Offiziell bekannt war bislang nur, dass Putin zwei Töchter mit der ehemaligen Aeroflot-Flugbegleiterin Ljudmila Schkrebnewa hat. Der Öffentlichkeit vorgestellt wurden die Kinder jedoch nie.

USA und Großbritannien: Sanktionen gegen Putin-Töchter

Putin dürfte es daher nicht gefallen haben, dass ausgerechnet das US-Finanzministerium diese Aufgabe nun für ihn übernommen hat. "Katerina Wladimirowna Tichonowa und Maria Wladimirowna Woronzowa sind Töchter von Russlands Präsident Putin", stand in einer Pressemeldung, in der die Amerikaner persönliche Sanktionen gegen die beiden Frauen verkündeten, also Einreiseverbote und das Einfrieren von Vermögenswerten.

Tichonowa sei eine "technische Führungskraft, die mit ihrer Arbeit die russische Regierung und Verteidigungsindustrie" unterstütze. Woronzowa wiederum führe staatlich finanzierte Programme, "die vom Kreml mit Milliarden von Dollar für die Genforschung gefördert und von Putin persönlich überwacht worden sind". Kurz darauf schloss sich das britische Außenministerium den Sanktionen gegen Putins Töchter an und erklärte, diese richteten sich gegen den "verschwenderischen Lebensstil" der beiden Russinnen.

Putin-Töchter sitzen an entscheidenden Stellen im Staat

Auch wenn der Kreml mehr oder weniger erfolgreich versucht, einen Schatten über das Privatleben der Putin-Töchter zu legen, sind über die Jahre immer wieder Details an die Öffentlichkeit gelangt. Sie zeichnen das Bild zweier Frauen, die eine gute akademische Ausbildung genossen haben, mittlerweile an entscheidende Schlüsselpositionen in der russischen Wirtschaft und Wissenschaft gelangt sind und teils milliardenschwere Prestige-Projekte des russischen Staates verantworten.

Katerina Tichonowa, mit 35 Jahren die Jüngere, kam 1986 in Dresden zur Welt, wo ihr Vater als KGB-Agent für die russische Regierung spionierte. Sie wuchs hauptsächlich in St. Petersburg und Moskau auf, besuchte in Moskau die Schule an der deutschen Botschaft und studierte Physik und Mathematik. Neben ihrer Karriere als Wissenschaftlerin brachte es die Putin-Tochter auch als Tänzerin zum Erfolg: 2013 etwa erreichte sie bei der Akrobatik-Tanz-Weltmeisterschaft in der Schweiz den fünften Platz.

Dass überhaupt Bilder von Putins Töchtern an die Öffentlichkeit sickern, liegt weniger am Fahndungseifer westlicher Geheimdienste, sondern an Putins Töchtern selbst, die auf ihre Anonymität offenbar weniger Wert legen als ihr Vater. Fotos von Wettbewerben, auf denen die Tänzerin Tichonowa zu sehen ist, zeigen sie beispielsweise in glitzernden Kostümen. Von ihrem Partner lässt sie sich in die Luft katapultieren und nach spektakulären Drehungen wieder auffangen. Geheimhaltung sieht anders aus.

Arbeitet Katerina Tichonowa für die Rüstungsforschung?

Auch Bilder einer protzigen Hochzeitsfeier von Tichonowa und ihrem damaligen Partner Kirill Schamalow machten Mitte der 2010er Jahre die Runde. Schamalow galt lange als einer der jüngsten Russen auf der "Forbes"-Reichenliste und arbeitete schon mit Anfang 20 in Top-Positionen in der russischen Wirtschaft. Schamalows Vater Nikolai und Wladimir Putin sollen wiederum seit Jahrzehnten befreundet sein und Mitte der 90er Jahre eine Seilschaft gegründet haben, um die sich bis heute zahlreiche Gerüchte um Korruption und Betrug ranken.

Glaubt man den offiziellen Meldungen westlicher Staaten, so steht Tichonowa nicht nur wegen ihres Vaters auf Sanktionslisten, sondern auch aufgrund ihrer aktuellen Tätigkeit als Wissenschaftlerin. Nach Angaben des US-Finanzministeriums soll die Frau eine wissenschaftlich-technologische Stiftung leiten, die Verbindungen zur größten staatlichen Universität des Landes unterhält und mit einem finanziellen Volumen von rund 1,7 Milliarden US-Dollar ausgestattet ist.

"Innopraktika", so der Name der Stiftung, soll offiziell neue Technologien und Start-ups fördern, Putin selbst bezeichnete das Institut einmal als "eines der wichtigsten Werkzeuge für die nationale Strategie zur Entwicklung Künstlicher Intelligenz". Westliche Geheimdienste vermuten indessen, dass sich hinter der Stiftung ein Vehikel für die Rüstungsforschung verbirgt. Dafür spricht, dass sich im Verwaltungsrat alte KGB-Mitarbeiter und Putin-Freunde wie Sergej Tschemesow, Chef der Rüstungsfirma Rostec, tummeln.

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Ältere Putin-Töchter arbeitet als Ärztin

Auch Maria Woronzowa, die ältere Putin-Tochter, studierte in Moskau und St. Petersburg – anders als ihre Schwester aber Biologie und Medizin. Als Ärztin im medizinischen Korps des russischen Präsidenten begleitet sie angeblich auch regelmäßig ihren Vater. Außerdem hält sie Vorträge, insbesondere über das endokrine System, auf das Woronzowa spezialisiert sein soll.

Erst im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass der Staat für genetische Forschung unter ihrer Leitung umgerechnet mehrere Milliarden Euro ausgegeben hat. Sie soll Russland in den nächsten Jahren an die internationale Spitze der Gentechnologie führen.

Über Woronzowa ist außerdem bekannt, dass sie jahrelang mit dem niederländischen Geschäftsmann Jorrit Joost Faassen verheiratet gewesen sein soll. Er arbeitete als Manager beim russischen Energiekonzern Gazprom und lebte mit Woronzowa offenbar im niederländischen Den Haag. Kurz nach Kriegsausbruch in der Ukraine hieß es in britischen Medien, das Paar habe sich getrennt.

Gibt es noch mehr Putin-Töchter?

In Den Haag war Woronzowa übrigens schon einmal mit Vorwürfen konfrontiert. 2014 geriet sie unfreiwillig in die Schlagzeilen, nachdem prorussische Separatisten ein malaysisches Flugzeug über der Ostukraine abgeschossen hatten. Niederländische Politiker forderten damals die Ausweisung Woronzowas. Das Paar zog anschließend nach Moskau um.

Ob Woronzowa und Tichonowa die einzigen Putin-Töchter sind, ist unbekannt. Neben den beiden Frauen aus der ersten Ehe soll es noch bis zu fünf weitere mit seiner angeblichen Lebensgefährtin Alina Kabajewa geben. Vergangenes Jahr tauchten Berichte auf, nach denen die 19- oder 20-jährige Elizaweta Kriwonogikh, die sich Luisa Rosowa nennt, eine weitere Tochter sein soll.

Lawrow-Tochter wuchs in Großbritannien auf – und darf nicht mehr einreisen

Auch die mutmaßliche Stieftochter des russischen Außenministers Sergej Lawrow steht seit Ende März auf der Sanktionsliste der britischen Regierung. Während die Sanktionen gegen die Putin-Töchter eher eine symbolische Geste sind, weil von Konten oder Vermögenswerten in den USA und Großbritannien nichts bekannt ist, dürften die Maßnahmen das Leben der 26-jährigen Polina Kowalewa erheblich einschränken.

Kowalewa studierte nicht nur in Großbritannien. Sie lebte nach Recherchen der russischen Investigativ-Reporterin Maria Pevchikh, die die Investigativabteilung der Nawalnyj-Stiftung leitet, auch ein äußerst glamouröses Leben im Londoner Nobel-Stadtteil Kensington, direkt am westlichen Rand des Hyde Parks gelegen. Dort soll sie bereits mit 21 Jahren ein 4,4 Millionen teures Anwesen gekauft haben – bezahlt in bar.

Auf ihrem Instagram-Account präsentierte sich Kowalewa als Influencerin, die den Oligarchen-Traum lebte, und nahm ihre Follower mit auf Segel-Törns, in riesige Pools oder zum Tennisspielen.

Nun ist Kowalewas Vermögen eingefroren und sie darf nicht mehr in das Land einreisen, in dem sie zur Schule ging und studierte. "Wer sagt, ein Problem lässt sich nicht per Twitter-Thread lösen?", triumphierte Pevchikh nach der Sanktionsverkündung. "Kowalewas glamouröses Leben ist zu Ende, was nicht ohne Sie alle geschehen wäre", schrieb sie an die Twittergemeinde – und bedankte sich für 70.000 Likes und Retweets.

Verwendete Quellen:

  • U.S Department of the Treasury – Russia-related Designations
  • U.S. Department of the Treasury – U.S. Treasury Escalates Sanctions on Russia for Its Atrocities in Ukraine
  • Government UK – UK sanctions target the lavish lifestyles of Putin’s daughters
  • "The Guardian" – Who are the daughters of Vladimir Putin facing US sanctions?
  • "Bloomberg" – U.K. Adds Russian President Putin’s Daughters to Sanctions List
  • Twitter – Thread der Journalistin Maria Pevchikh
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