Vor einem Klub in Sylt wurde am Donnerstagabend ein Video aufgenommen, auf dem Menschen rechtsradikale Äußerungen grölen. Die Reaktionen fielen deutschlandweit gleich aus.

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Auf Video aufgenommenes rassistisches Gegröle zum Party-Hit "L’amour Toujours" von Gigi D'Agostino hat bundesweit Empörung ausgelöst. In der kurzen Sequenz, die in sozialen Medien verbreitet wurde, sind junge Menschen grölend vor einem Lokal zu sehen. Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art mit dem Lied in Deutschland. Die Polizei ermittelt.

Das Video löste in Deutschland eine Welle der Entrüstung aus. Zunächst äußerte sich die Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli. Sie schrieb in der Nacht auf Freitag auf der Plattform X: "'Deutschland den Deutschen. Ausländer raus. Ausländer raus.' Ort: Sylt. Und sie fühlen sich so sicher." Der TV-Moderator Jan Böhmermann fragte: "Wer und wo sind diese Leute?" Und die Moderatorin Dunja Hayali twitterte: "Mit Hitlerbärtchen und Schampus, aber ohne 'Ausländer'. #Sylt. 2024."

Justizminister Buschmann spricht von strafrechtlichen Konsequenzen

Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sprach mit der dpa über den Vorfall: "Ausländerfeindliche Parolen widersprechen allem, wofür das Grundgesetz steht", sagte der FDP-Politiker. "Wer so etwas grölt, hat nichts aus der Geschichte gelernt."

Strafrechtlich relevante Äußerungen müssten entsprechende Konsequenzen haben. Entsprechende Ermittlungen obliegen den zuständigen Behörden, wie Buschmann sagte. "Zugleich ist klar: Das Strafrecht alleine ist nicht die Lösung aller gesellschaftlichen Probleme. Wir alle sind gefordert, Tag für Tag für die Werte des Grundgesetzes einzutreten und zu werben und plumpe Parolen als solche zu entlarven."

Die Co-Chefin der Grünen Jugend, Svenja Appuhn, hat sich empört gezeigt über den Vorfall mit rassistischem Gegröle auf Sylt. "Die Äußerungen dieser faschistoiden Schnösel auf Sylt sind ekelhaft und abstoßend", sagte Appuhn am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

"Rassismus durchzieht alle Teile unserer Bevölkerung, meine Freunde und Freundinnen mit Migrationsgeschichte werden seit Jahren immer häufiger auf offener Straße angegriffen und beleidigt", berichtete Appuhn. Der Vorfall auf Sylt sei zwar traurig, aber leider nicht der Höhepunkt. "Die Bonzen auf Sylt fühlen sich auch deshalb sicher, weil sie – anders als Menschen mit Migrationsgeschichte – die Erfahrung gemacht haben, nicht ständig unter Generalverdacht zu stehen und man ihnen vieles durchgehen lässt. Gerade auch deshalb muss dieser Vorfall Konsequenzen haben."

Die Grünen-Parteichefin Ricarda Lang pflichtet Appuhn bei. "Wenn ich sowas sehe, dann wird mir einfach nur schlecht. Dann kann ich das kaum ertragen", sagte Lang am Freitag bei einer Wahlkampfveranstaltung in Karlsruhe. "Was ist das für eine Wohlstandsverwahrlosung? Was ist das für ein absurder Wahnsinn?"

Einen Tag nach den Feiern zum 75-jährigen Bestehen des Grundgesetzes verwies Lang auf den ersten Artikel: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Das gelte nicht nur für weiße Menschen, für Menschen mit deutschem Pass oder für Menschen, die hier aufgewachsen sind, sagte die Parteivorsitzende. "Sondern die Würde jedes Menschen ist unantastbar", betonte Lang. "Wenn unser Grundgesetz eines sagt, dann ist es: Nazis raus!"

Innenministerin Faeser spricht von einer "wohlstandsverwahrlosten Parallelgesellschaft"

Der Vorfall mit rassistischem Gegröle auf Sylt wirft aus Sicht von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ein schlechtes Licht auf das ganze Land. "Wer Nazi-Parolen wie 'Deutschland den Deutschen – Ausländer raus' grölt, ist eine Schande für Deutschland", sagte die SPD-Politikerin am Freitag den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Es stelle sich die Frage, "ob wir es hier mit Menschen zu tun haben, die in einer wohlstandsverwahrlosten Parallelgesellschaft leben, die die Werte unseres Grundgesetzes mit Füßen tritt." Die Frage sei auch, welches hasserfüllte Klima solche Leute dazu ermutige, sich so abgrundtief rassistisch in aller Öffentlichkeit zu äußern.

"Hier darf es keinerlei schleichende Normalisierung geben", forderte die Ministerin. Rassisten müssten neben möglichen strafrechtlichen Konsequenzen überall – im Freundeskreis, bei der Arbeit, im Sport – lauten Widerspruch erfahren. "Es ist wichtig, den Mund aufzumachen und gegenzuhalten gegen solchen Menschenhass", rief Faeser zur Zivilcourage auf.

Der Bundeskanzler und Parteikollege von Nancy Faeser, Olaf Scholz, äußerte sich ebenfalls zu dem Geschehen auf Sylt. "Ganz klar: Solche Parolen sind ekelig, sie sind nicht akzeptabel", sagte der SPD-Politiker am Freitag in Berlin. "Und darüber darf es kein Vertun geben. Und deshalb ist es auch richtig, dass all unsere Aktivitäten darauf gerichtet sind, genau zu verhindern, dass das eine Sache ist, die sich verbreitet."

Ministerpräsident Günther positioniert sich klar

Sylt gehört zum Bundesland Schleswig-Holstein und so folgte auch prompt eine Reaktion des Landesvaters Daniel Günther von der CDU. "Was dort zu sehen ist, zeichnet ein Bild von einer schlimmen Wohlstandsverwahrlosung. Gegen solche Taten gehen wir konsequent und mit aller Härte vor, Rechtsextremismus bekämpfen wir mit aller Entschiedenheit", teilte er am Freitag mit.

In Schleswig-Holstein hätten solche widerlichen Gesänge, Parolen und rechtsextremistisches Gedankengut nichts zu suchen. "Deswegen begrüße ich es sehr, dass der Betreiber des Clubs, die Sylter Gemeinden, Tourismusbetriebe und -verbände sich bereits klar positioniert haben und die Ermittlungen nach Kräften unterstützen. Das sind genau die richtigen Signale, aber jetzt ist es natürlich wichtig, dass strafrechtlich relevante Delikte ermittelt werden und dann mit der ganzen Härte des Rechtsstaats dagegen vorgegangen wird", so Günther.

Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Sylter Gemeinden haben sich mit klaren Worten gegen die rassistischen Gesänge vor einem Nachtclub in Kampen auf Sylt gestellt. "Wir haben für diese Gesänge null Toleranz. Dieses Verhalten ist für uns abstoßend und vollkommen inakzeptabel. Wir dulden das nicht", sagten sie laut Mitteilung am Freitag auf Sylt. Die Gemeindechefinnen und -chefs sowie die Vertreter der Tourismusbetriebe und -verbände würden sich in jeder Form gegen Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Menschenfeindlichkeit wenden. Deshalb begrüßten sie, dass die Betreiber der Bar sehr deutlich Stellung genommen haben.

In dem Statement heißt es weiter: "Auf Sylt leben Menschen aus 113 Nationen friedlich miteinander. Wir begrüßen Touristinnen und Touristen aus vielen Ländern. In diesen Tagen, in denen das Grundgesetz 75 Jahre alt wird, während die liberale Demokratie unter Beschuss steht, möchten wir als Sylt ganz unmissverständlich klarmachen: Solche Gäste brauchen nicht noch einmal nach Sylt zu kommen. Sie sind herzlich ausgeladen. Denn wir sind eine weltoffene Insel." (dpa/the)

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